MEINUNG

„Eine neuer Weg zum Schutz von Herz und Nieren" – die FIDELIO-DKD-Studie bestätigt bei Diabetikern neues Therapie-Prinzip mit Finerenon

Prof. Dr. Stephan Martin

Interessenkonflikte

2. November 2020

Highlight vom Kongress der American Society of Nephrology (ASN): Der Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA) senkt das Risiko von Nierenversagen und Infarkt. Prof. Dr. Stephan Martin erklärt, die Einsatzmöglichkeiten. 

Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn Sie das Wort Fidelio hören, denken die Opernfans sicher sofort an die einzige Oper von Ludwig van Beethoven. In diesem Jahr feiern wir seinen 250. Geburtstag. Das Fest kann aber aufgrund der Corona-Situation leider nicht so groß ausfallen, wie ursprünglich geplant.

Wer in diese Oper geht und glaubt, dass er aufgrund des Wortes Fidelio, das etwas Heiteres suggeriert, eine fröhliche Oper erlebt, wird enttäuscht sein.

Es geht dramatisch zu, aber die Oper endet gut, und die unschuldigen Gefangenen werden aus dem Kerker befreit.

FIDELIO-DKD bei Patienten mit diabetischer Nephropathie

FIDELIO ist aber auch der Name einer Studie, die vor wenigen Tagen auf dem virtuellen Kongress der American Society of Nephrology (ASN) vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden ist.

In der FIDELIO-DKD-Studie geht es um Finerenon – einen neuen nichtsteroidalen Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten. Das ist ein völlig neues Therapieprinzip bei diabetischer Nephropathie.

Finerenon wurde in der randomisierten, doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie bei Personen mit diabetischer Nephropathie untersucht.

Die diabetische Nephropathie spielt in der Praxis keine so große Rolle wie sie eigentlich sollte. Bisher gab es als Therapie neben der Blutdruck- und Blutzuckereinstellung die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS).

Wir wissen, dass ACE-Hemmer und AT1-Block über die blutdrucksenkende Wirkung protektiv auf die Nieren wirken. Seit Kurzem wissen wir auch, dass die Blockade des SGLT-2 durch Gliflozine ebenfalls nephroprotektiv ist.

Für Finerenon konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass es die Albuminurie senkt. Das ist ein sehr wichtiger Surrogat-Parameter für die diabetische Nephropathie.

Die diabetische Nephropathie findet in der Diagnostik und Therapie in der Praxis keine so große Aufmerksamkeit. Man merkt nichts, es tut nicht weh, und das bisschen Eiweiß im Urin wird vom Patient, aber auch von uns, manchmal etwas verharmlost.

Andererseits ist die diabetische Nephropathie ein wesentlicher Prädiktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Auf Patienten mit diabetischer Nephropathie müssen wir also besonders aufpassen, weil sie besonders häufig Herzinfarkt und Schlaganfall entwickeln.

In der Fidelio-DKD-Studie wurde nun geprüft, ob Finerenon die Progression der diabetischen Nephropathie, aber auch kardiovaskuläre Ereignisse günstig beeinflussen kann.

Primärer und sekundärer Endpunkt erreicht

Eingeschlossen wurden 5.734 Typ-2-Diabetiker mit reduzierter eGFR und ausgeprägter Albuminurie. Alle Patienten nahmen ACE-Hemmer oder AT1-Inhibitor.

Primärer Endpunkt war die Kombination aus Nierenversagen und Dialyse, dauerhaftem Abfall der eGFR um 40% sowie Tod durch Nierenversagen.

Nach 2,6 Jahren war dieser Endpunkt bei 17,8% der Patienten der Finerenon-Gruppe und bei 21,1% der Placebo-Patienten aufgetreten. Das entsprach einer signifikanten Senkung des Risikos für diesen Endpunkt um 18% (p= 0,001).

Auch die Albuminurie sank in der Finerenon-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe.

Wichtiger sekundärer Endpunkt war eine Kombination von 4 kardiovaskulären Ereignissen (MACE):

  • nicht tödlicher Myokardinfarkt

  • nicht tödlicher Apoplex

  • Tod durch kardiovaskuläres Ereignis

  • Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz

Er trat bei 13% der Patienten in der Finerenon-Gruppe und bei 14,8% in der Placebo-Gruppe auf. Dies bedeutet eine signifikante Senkung des Risikos für diesen Endpunkt um 14% (p=0,03).

Welche Nebenwirkungen traten auf?

Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten haben das Risiko für eine Hyperkaliämie. Wegen Hyperkaliämie brachen 2,3% der Finerenon-Patienten und 0,9% der Placebo-Patienten die Behandlung ab.

Im Vergleich zu Spironolacton und Eplerenon sind diese Zahlen aber deutlich geringer. Finerenon scheint also ein günstigeres Nebenwirkungsprofil zu haben als diese 2 Medikamente, die allerdings bisher nicht in Studien bei der diabetischen Nephropathie getestet worden sind.

Derzeit läuft noch die FIGARO-DKD-Studie, deren Ergebnis man im nächsten Jahr erwartet. Die Studie ist fast identisch mit der FIDELIO-DKD-Studie, nur sind dort die 4 MACE ein primärer und die Progression der diabetischen Nephropathie ein sekundärer Endpunkt.

Umsetzung in der Praxis

Mit der neuen Substanz haben wird die Chance, die diabetische Nephropathie stärker ins Bewusstsein der Patienten und in unser eigenes Bewusstsein zu bringen.

Die eGFR und die Albuminurie müssen regelmäßig bestimmt werden. Wichtig ist die konsequente Therapie, also Blutdruck und Blutzucker zu senken. Die Albuminurie können wir als guten Verlaufsparameter nutzen.

Derzeit bleiben aber noch Fragen offen:

  • Zu welchem Zeitpunkt wird man Finerenon einsetzen, wenn es zugelassen ist?

  • Setzt man es früh ein?

  • Oder erst bei Progression der Albuminurie, wenn die anderen Optionen nicht ausreichen? 

  • Wie sieht es mit der parallelen Gabe eines SGLT-2-Hemmer aus?

In dieser Studie nahmen etwa 5% der Patienten einen SGLT-2-Hemmer, da kann man vermutlich keine Aussage treffen. Das wird man in künftigen Studien analysieren müssen.

Abschließend nochmal die Frage: Was hat die Oper Fidelio mit der FIDELIO-Studie zu tun? Gleiche Namen bedeuten ja nicht, dass es irgendwelche Verbindungen gibt. Vielleicht soll – wie in der Oper – eine Befreiung stattfinden, jedoch nicht von unschuldigen Gefangenen, sondern von unschuldigen Patienten von der Geisel der diabetischen Nephropathie. 

Ich hoffe, es war für Sie interessant – ein neuer Weg, und was das für uns in der klinischen Praxis bringt, wird die Zukunft zeigen. 

Alles Gute, mit besten Grüßen

Ihr Stephan Martin

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Kommentar

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