Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in Berlin die Grundpfeiler einer Pflegereform vorgestellt. Das 6 Milliarden Euro teure Projekt soll noch in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt und aus Steuergeldern bezahlt werden. Es umfasst gedeckelte Eigenanteile für die stationäre Pflege, verpflichtende Tarifverträge für die Pflegenden in Heimen und ein jährliches Pflegebudget für pflegende Angehörige.
Pflege sei die soziale Frage der 2020er-Jahre, begründete Spahn seine Reform am Montag vor Journalisten in Berlin. Ein leistungsfähiges Pflegesystem gebe der alternden Gesellschaft „Sicherheit und Halt“, sagte der Minister.
Spahn verwies auf die konzertierte Aktion Pflege der Bundesregierung, die das Ziel habe, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, bessere Löhnen zu zahlen, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, die Ausbildung in der Pflege zu verbessern und das Schulgeld abzuschaffen. Pflege müsse kalkulierbar werden, betonte Spahn.
Deckelung des Eigenanteils auf 25.200 Euro
Ein wichtiger Aspekt der Reform: Der Eigenanteil für die Pflege im Heim soll gedeckelt werden. Künftig soll niemand für stationäre Pflege länger als 36 Monate mehr als 700 Euro pro Monat zahlen, so der Vorschlag. Das sind 25.200 Euro. „Das ist immer noch viel Geld, ohne Frage. Aber es ist insbesondere auch für Menschen mit geringerem und mittlerem Einkommen und Eigentum ein Stück Sicherheit, was maximal an Belastung auf sie zukommt“, sagte Spahn.
Immerhin sei der monatliche Eigenanteil an der stationären Pflege allein seit 2017 um 238 Euro gestiegen. Das sei besonders für kleine Einkommen nicht mehr zu stemmen. Zwar bleibe die Pflegeversicherung auch nach der neuen Regelung eine „Teilkasko“-Versicherung. Aber der Eigenanteil werde berechenbar, so Spahn in einem Interview mit der BILD-Zeitung .
Für den nicht versicherten Anteil könne zum Beispiel eine eigene private Pflegevorsorgeversicherung abgeschlossen werden. Der Eigenanteil für Pflege umfasst aber nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die von den Bewohnern aufgebracht werden müssen.
Jährliches Pflegebudget von 3.300 Euro für häusliche Pflege
Auch die heimische Pflege durch Angehörige soll verbessert werden und künftig einfacher zu organisieren sein. Deshalb soll ein jährliches Pflegebudget in Höhe von 3.300 Euro eingeführt werden, das je nach Bedarf ausgegeben werden kann, zum Beispiel für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Die Regelung gilt für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2.
„Die dafür zur Verfügung stehenden Budgets wollen wir flexibilisieren und kombinierbar machen“, sagte Spahn. Wer Angehörige zuhause pflegt, soll außerdem mehr Geld bekommen. Pflegegeld und Pflegesachleistungen sollen kontinuierlich um den Inflationsfaktor erhöht werden.
Schließlich soll die professionelle Pflege durch Bezahlung nach Tarif anerkannt werden, sagte Spahn. In den ambulanten Bereichen der Kranken- und Pflegeversicherung existiere bereits die regelhafte Tarifbindung, die von den Kassen auch bezahlt werde. „Wir wollen eine vergleichbare Regelung für die stationären Einrichtungen“, sagte Spahn. Einrichtungen, die künftig Geld aus der Pflegekasse erhalten wollen, müssen also ihre Angestellten nach Tarif bezahlen.
Keine Pflegerevolution, sondern ein „Reförmchen“
Oppositionsparteien im Bundestag kritisierten Spahns Vorstoß. Kordula Schulz Asche, Sprecherin der Fraktion Bündnis90/ Die Grünen für Alten- und Pflegepolitik, kritisiert Spahns Vorschlag als „zu ängstlich“ und „zu spät“. Pflege dürfe kein Armutsrisiko darstellen, sagte die Politikerin in Hinblick auf das Niveau der Deckelung.
Spahn wolle die Pflege-Eigenanteile offenbar „auf einem so hohen Niveau begrenzen, das bereits heute viele Menschen finanziell überfordert“, so Schulz Asche zu Medscape. „Zusätzlich zu den Pflegekosten werden auch Zahlungen für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen in Pflegeeinrichtungen fällig. Ich hoffe, der Bundesgesundheitsminister bessert hier noch einmal deutlich nach, wenn er seine Ideen zu Papier bringt.“
Schärfer kritisierte Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Sie forderte eine „Pflegerevolution“. Spahns Vorschlag sei dagegen „ allenfalls ein Reförmchen. Nötig ist aber eine Revolution der Pflegefinanzierung“, teilte Zimmermann mit. „Wir müssen die Einnahmenseite verbessern. Dazu wird die weltweit einmalige private Pflegeversicherung abgeschafft und die dort Versicherten in die soziale Pflegeversicherung integriert.“
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Diesen Artikel so zitieren: Spahn legt Eckpunkte für Pflegereform vor: Eigenanteil gedeckelt, mehr Geld für Pfleger in Kliniken - Medscape - 7. Okt 2020.
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