Medizin-Nobelpreis 2020 geht an Entdecker des Hepatitis-C-Virus

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

5. Oktober 2020

Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie 2020 geht zu gleichen Teilen an Prof. Dr. Harvey J. Alter (National Institute of Health, Bethesda, USA), Prof. Dr. Michael Houghton (University of Alberta, Kanada) und Prof. Dr. Charles M. Rice (Rockefeller University, New York City, USA) für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus. Das berichteten Mitglieder der Nobelversammlung des Karolinska Instituts in Stockholm am 5. Oktober 2020 [1]. Dotiert ist der Preis mit 10 Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro).

Die Forscher hätten „einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der durch Blut übertragenen Hepatitis geleistet, einem großen globalen Gesundheitsproblem, das bei Menschen auf der ganzen Welt Leberzirrhose und Leberkrebs verursacht“, so Prof. Dr. Thomas Perlmann, Generalsekretär der Nobelversammlung und des Nobelkomitees.

Vor der Entdeckung von Hepatitis C kannte man bereits Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Viren, aber die Mehrzahl der durch Blut übertragenen Hepatitis-Fälle blieb ungeklärt. Erst mit der Identifizierung des Hepatitis-C-Virus fand man den Auslöser für etliche Fälle mit chronischer Hepatitis. Gleichzeitig hatte man eine wissenschaftliche Basis für Blutuntersuchungen und für neue Medikamente, um Millionen von Menschenleben zu retten.

Kurze Geschichte der Hepatitis-Forschung

In den 1940er-Jahren wurde klar, dass es 2 Haupttypen der infektiösen Hepatitis gibt. Hepatitis A wird durch verschmutztes Wasser oder Lebensmittel übertragen und hat meist nur geringe langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit von Patienten.

Hepatitis B wird durch Blut und Körperflüssigkeiten übertragen und stellt eine viel ernstere Bedrohung dar. Es kommt zu chronischen Erkrankungen bis hin zu Leberzirrhose und zu Leberkrebs. Anfangs zeigen die meisten Patienten keine Symptome; schwerwiegende Komplikationen treten erst nach Jahren auf.

Durch Blut übertragene Hepatitis ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden und verursacht weltweit mehr als 1 Million Todesfälle pro Jahr. Dies macht sie zu einem globalen Gesundheitsproblem in einem Ausmaß, das mit HIV-Infektionen und Tuberkulose vergleichbar ist.

In den 1960er-Jahren stellte Prof. Dr. Baruch Blumberg fest, dass eine Form der durch Blut übertragenen Hepatitis durch das Hepatitis-B-Virus verursacht wird. Er forschte u.a. an den National Institutes of Health, Bethesda, und am Fox Chase Cancer Center, Philadelphia. Seine Entdeckung führte zur Entwicklung diagnostischer Tests und wirksamer Impfstoffe. Blumberg wurde für seine Leistung 1976 mit Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geehrte.

Zur gleichen Zeit untersuchte Harvey J. Alter an den National Institutes of Health Hepatitis bei Patienten, die Bluttransfusionen erhalten hatten. Obwohl Blutuntersuchungen auf das neu entdeckte Hepatitis B-Virus die Anzahl der Fälle transfusionsbedingter Hepatitiden verringerten, fanden Alter und seine Kollegen heraus, dass immer noch etliche Patienten erkrankten. Tests auf Hepatitis A zeigten, dass dieses Virus als Ursache ausschied. Ärzte waren in Sorge, dass eine signifikante Zahl an Empfängern von Bluttransfusionen aufgrund des unbekannten Infektionserregers eine chronische Hepatitis entwickelten könnte.  

Alter und seine Kollegen zeigten, dass Blut dieser Hepatitis-Patienten die Krankheit auf Schimpansen übertragen kann, den einzigen Wirt neben Menschen. Sie fanden auch heraus, dass es sich um einen viralen Erreger handeln musste. Die mysteriöse Krankheit wurde „Nicht-A-, Nicht-B“-Hepatitis bezeichnet.

Das Hepatitis C-Virus wird entdeckt

Die Identifizierung des neuen Virus hatte höchste Priorität. Alle damals bekannten biochemischen Techniken kamen zum Einsatz, aber trotzdem konnte sich das Virus über ein Jahrzehnt der Isolierung entziehen. Michael Houghton, der für das Pharmaunternehmen Chiron arbeitete, hatte schließlich Erfolg.

Der Forscher erstellte zusammen mit Kollegen eine Sammlung von DNA-Fragmenten aus Nukleinsäuren, die im Blut eines infizierten Schimpansen gefunden wurden. Die meisten dieser Fragmente stammten aus dem Genom von Schimpansen, aber die Forscher vermuteten, dass einige vom unbekannten Virus kommen.  

Unter der Annahme, dass Antikörper gegen das Virus im Blut von Hepatitis-Patienten vorhanden sein müssten, verwendeten die Forscher humane Seren. Ihnen gelang es, klonierte virale DNA-Fragmente zu identifizieren, die für virale Proteine kodieren. Nach einer umfassenden Suche wurde tatsächlich ein positiver Klon gefunden.

Weitere Arbeiten zeigten, dass dieser Klon von einem neuartigen RNA-Virus stammt, das zur Flavivirus-Familie. Es wurde Hepatitis-C-Virus genannt.

Auf der Suche nach klinischen Eigenschaften

Die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus war entscheidend, aber ein wesentlicher Teil des Puzzles fehlte: Verursacht das Virus allein eine Hepatitis? Um diese Frage zu beantworten, untersuchten Wissenschaftler, ob sich das geklonte Virus replizieren und Krankheiten auslösen konnte.

Charles M. Rice, ein Forscher an der Washington University in St. Louis, wies zusammen mit anderen Gruppen, die mit RNA-Viren arbeiten, eine zuvor nicht charakterisierte Region am Ende des Hepatitis-C-Virus-Genoms nach. Diese könnte, so ihre Vermutung, für die Virusreplikation wichtig sein. Rice beobachtete auch genetische Variationen in isolierten Virusproben und vermutete, dass einige von ihnen die Virusreplikation behindern könnten.

Durch Gentechnik erzeugte der Forscher eine RNA-Variante des Hepatitis-C-Virus, welche die neu definierte Region des viralen Genoms umfasste und keine inaktivierenden genetischen Variationen aufwies. Wenn diese RNA in die Leber von Schimpansen injiziert wurde, wurde Virus im Blut nachgewiesen. Außerdem kam es zu pathologischen Veränderungen, die denen ähnelten, die bei Menschen mit chronischer Krankheit beobachtet wurden.

Dies war der letzte Beweis dafür, dass das Hepatitis-C-Virus allein die ungeklärten Fälle einer transfusionsvermittelten Hepatitis verursacht hat.

Grundklage für Diagnostik und Therapie

Die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus durch die Nobelpreisträger sei ein „Meilenstein im laufenden Kampf gegen Viruserkrankungen“, schreibt die Stiftung in ihrer Pressemeldung. „Dank ihrer Entdeckung sind jetzt hochempfindliche Bluttests für das Virus verfügbar, die in vielen Teilen der Welt Hepatitis nach Transfusionen beseitigt und die globale Gesundheit erheblich verbessert haben.“ 

 
Dank ihrer Entdeckung sind jetzt hochempfindliche Bluttests für das Virus verfügbar, die in vielen Teilen der Welt Hepatitis nach Transfusionen beseitigt und die globale Gesundheit erheblich verbessert haben. Nobel-Stiftung
 

Und weiter: „Ihre Entdeckung ermöglichte die rasche Entwicklung antiviraler Medikamente gegen Hepatitis C.“ 

 
Ihre Entdeckung ermöglichte die rasche Entwicklung antiviraler Medikamente gegen Hepatitis C. Nobel-Stiftung
 

Zum ersten Mal in der Geschichte könne die Krankheit geheilt werden, was die Hoffnung wecke, Hepatitis C-Virus in der Weltbevölkerung auszurotten. Um dieses Ziel zu erreichen, seien aber internationale Anstrengungen erforderlich – in Form eines weltweiten Zugangs zu Tests und Arzneimitteln.

 

Kommentar

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