Wann gibt es endlich Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 – und wie lässt sich deren Zulassung beschleunigen, ohne Abstriche bei der Sicherheit und Wirksamkeit zu machen? Mit dieser Frage befasst sich der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Im Zuge einer fortlaufenden Überprüfung bewertet er ab sofort Daten zu einer Vakzine [1].
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) wiederum beginnt mit einer Überprüfung von Veklury® (Remdesivir), dem Medikament, mit dem nach Angaben aus dem Weißen Haus derzeit auch US-Präsident Trump behandelt wird. Es soll laut PRAC Hinweise auf Nierenschädigungen durch das Medikament geben [2]. Das Pharmakon ist bereits zugelassen.
Rolling Review als wichtiges Instrument in Corona-Zeiten
Während der SARS-CoV-2-Pandemie arbeitet die EMA verstärkt mit einem speziellen regulatorischen Instrument, der turnusmäßigen Überprüfung (Rolling Review), zuletzt bei Remdesivir, wie Medscape berichtet hat.
Normalerweise müssen alle Daten über die Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität eines Medikaments oder Impfstoffs zu Beginn der Bewertung im Rahmen eines Zulassungsantrags eingereicht werden. Bei dem Rolling Review Verfahren überprüft der CHMP selbst Daten aus laufenden Studien – und kann schneller über eine mögliche Zulassung entscheiden.
Jetzt hat der Ausschuss begonnen, Studien über einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zu bewerten, der von AstraZeneca in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt worden ist. Die Entscheidung des CHMP basiert auf vorläufigen Ergebnissen nichtklinischer und früher klinischer Studien, die darauf hindeuten, dass der Impfstoff die Produktion von Antikörpern und T-Zellen gegen das Virus initiiert. Im Detail handelt es sich um ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222), einen Impfstoff auf der Basis von Adenovirus-Vektoren.
„Derzeit laufen groß angelegte klinische Studien mit mehreren tausend Menschen“, schreibt der PRAC. Er rechne „in den kommenden Wochen und Monaten“ mit neuen Daten. „Diese Ergebnisse liefern Informationen darüber, wie wirksam der Impfstoff beim Schutz von Menschen vor COVID-19 ist, und diese werden in späteren fortlaufenden Überprüfungszyklen bewertet.“ Gleichzeitig heißt es in der Meldung: „Die EMA wird ihre Bewertung nach ihren üblichen Standards für Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit abschließen.“
Review von Veklury® (Remdesivir) gestartet
Mit dem neuartigen Coronavirus befasste sich auch der PRAC. Veklury® (Remdesivir) hat in der EU eine bedingte Zulassung zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Lungenentzündung erhalten, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Bei ihnen würde der Nutzen möglichen Risiken überwiegen, obwohl weniger vollständige Daten vorlägen als normalerweise erwartet, so die EMA. Dies bedeute, dass nach der Zulassung weitere Daten eingereicht werden müssten. Auch Präsident Trump hat nach Angaben vom Wochenende das Medikament erhalten.
Unter mechanischer Beatmung, aber auch bei Patienten mit leichten COVID-19-Symptomen, zeigt der Wirkstoff allerdings nach derzeitigen Daten keinen Benefit.
Für Veklury® wurde die Nephrotoxizität zum Zeitpunkt des Zulassungsantrags hauptsächlich auf der Grundlage von Tierversuchen bewertet. Genau hier seien laut Risikomanagement-Plan weitere Informationen erforderlich, um mögliche Auswirkungen auf die Niere besser zu verstehen, schreibt der PRAC. Er wertet regelmäßig Daten aus und erstellt monatliche Reporte.
„Momentan lässt sich nicht feststellen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Veklury® und Berichten über akute Nierenschädigungen vorliegt“, heißt es in der Pressemeldung. Es handele sich um ein Sicherheitssignal: Informationen über unerwünschte Wirkungen, die möglicherweise auf das Medikament zurückzuführen sind und näher untersucht werden sollen.
Nierenschäden können natürlich auch durch andere Faktoren verursacht werden, etwa durch einen gleichzeitig bestehenden Diabetes oder durch COVID-19 selbst.
Der PRAC wird nun alle verfügbaren Daten prüfen, um festzustellen, ob das Arzneimittel möglicherweise für renale Komplikationen verantwortlich ist und ob die vorhandenen Informationen für Veklury® aktualisiert werden müssen. Basis sind Informationen aus der EudraVigilance-Datenbank der EMA.
Sollte sich ein Kausalzusammenhang bestätigen oder zumindest als recht wahrscheinlich erweisen, könnten regulatorische Maßnahmen erforderlich sein. Dies erfolgt normalerweise in Form einer Aktualisierung von Angaben in der Packungsbeilage beziehungsweise in der Fachinformation.
Empfehlungen zur Anwendung dieses Arzneimittels haben sich nicht geändert. Ärzten wird schon jetzt empfohlen, Patienten vor und während der Behandlung auf Nierenfunktionsstörungen zu überwachen und die Behandlung bei Patienten mit einer erheblichen Verschlechterung der Nierenfunktion nicht zu beginnen.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Die EMA bewertet Daten zu einem SARS-CoV-2-Impfstoff – und beginnt mit einer Sicherheitsüberprüfung von Remdesivir - Medscape - 5. Okt 2020.
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