Stunden zählen statt Kalorien? Intervallfasten erleichtert laut Studie das Abnehmen nicht. Was ein deutscher Experte sagt

Antje Sieb

Interessenkonflikte

1. Oktober 2020

Jeden Tag nur 8 Stunden essen, den Rest der Zeit fasten – kann man damit besser und unkompliziert abnehmen, ohne Diät zu halten oder Kalorien zu zählen? Viele sind davon überzeugt. Eine Gruppe von US-Wissenschaftlern um Dr. Dylan A. Lowe von der University of California hat dies nun in einer Studie untersucht – und ihre Antwort lautet: Nein!

Denn die übergewichtigen Teilnehmer ihrer Studie verloren innerhalb von 12 Wochen zwar im Schnitt ein knappes Kilo, etwas mehr als 1% ihres Ausgangsgewichts, aber es ließ sich dabei kein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe feststellen [1].

 
Es gab die Hypothese, dass eine Einschränkung des Nahrungsverzehrs auf ein 8-Stunden-Fenster automatisch dazu führt, dass Menschen weniger essen… Dr. Tilman Kühn
 

„Es gab die Hypothese, dass eine Einschränkung des Nahrungsverzehrs auf ein 8-Stunden-Fenster automatisch dazu führt, dass Menschen weniger essen, aber das scheint nicht so ohne weiteres zu funktionieren“, kommentiert dies gegenüber Medscape der Ernährungsepidemiologe Dr. Tilman Kühn von der Universität Belfast, UK, der selbst bereits eine größere deutsche Studie zum Intervallfasten geleitet hat.

16:8-Konzept ohne Auswirkungen aufs Gewicht

Die US-Forscher haben in ihrer randomisiert-kontrollierten Studie das sogenannte 16:8-Konzept des Intervallfastens untersucht. Die fastenden Teilnehmer hatten ein festes Zeitfenster von mittags um 12 bis abends um 20 Uhr, in dem sie essen durften, was sie wollten. In den übrigen 16 Stunden durfte zwar getrunken werden, aber nur Getränke ohne Kalorien. Die Kontrollgruppe dagegen bekam lediglich die Anweisung, täglich 3 Mahlzeiten zu sich zu nehmen.

Beide Gruppen verloren im Schnitt dabei etwas Gewicht – ein bekannter Effekt, erklärt Kühn: „Auch in diesen Kontrollgruppen tut sich etwas, das liegt an Verhaltensänderungen, wenn man sich beobachtet fühlt. Das ist der Studieneffekt.“ Deshalb, so Kühn, seien Ergebnisse nur dann aussagekräftig, wenn es dabei einen klaren Unterschied zwischen beiden Gruppen gebe.

 
Wenn da kein Unterschied existiert, dann ist das auch eine relativ robuste Aussage. Dr. Tilman Kühn
 

Einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen gab es bezüglich des Gewichtsverlustes aber nicht. Kühn hält die Studie dank der insgesamt eingeschlossenen 116 Teilnehmer auch für aussagekräftig: „Das ist eine Gruppengröße, bei der man statistische Unterschiede feststellen kann, und wenn da kein Unterschied existiert, dann ist das auch eine relativ robuste Aussage.“

Keine Auswirkungen auf Blutwerte

Etwas kritischer sieht der Experte die ebenfalls erhobenen Ergebnisse zu Veränderungen der Körperzusammensetzung oder von Blutwerten. Denn die wurden nicht an allen Studienteilnehmern erhoben, sondern lediglich an einer Untergruppe von 50 Teilnehmern. „Viele Ergebnisse der Zusatzuntersuchungen sind nicht ganz so aussagekräftig, weil die Gruppe einfach zu klein ist“, kommentiert Kühn.

Bei den meisten der Zusatzuntersuchungen wie etwa Nüchternblutzucker, HbA1c-Wert, Cholesterin-Werte, Blutfette oder Blutdruck fanden die Wissenschaftler ebenfalls keine Unterschiede zwischen Fasten- und Kontrollgruppe.

Lediglich bei der Körperzusammensetzung fiel ein – sogar eher negativer – Effekt in der Fastengruppe auf: Sie hatte während der 12 Studienwochen offenbar etwas mehr Muskelmasse verloren als die Kontrollgruppe – darauf wiesen zumindest die Messwerte für die appendikuläre Muskelmasse hin. Lowe und seine Kollegen spekulieren, ob das möglicherweise an einer schlechteren Proteinversorgung gelegen haben könnte.

Die Wissenschaftler konnten aber keine exakten Aussagen über die Ernährung der Teilnehmer während der Studienphase machen, weil diese ihr Essen nicht dokumentieren mussten. Sie sollten lediglich täglich bestätigen, ob sie sich an die Regeln gehalten, also z.B. nur innerhalb ihres Zeitfensters gegessen hatten. In der Intervallfastengruppe ergab sich daraus eine Compliance von über 80%, in der Kontrollgruppe, die keine Mahlzeit auslassen sollte, lag die Compliance sogar über 90%. Eine mathematische Abschätzung der Energiezufuhr ergab nach Angaben der Studienautoren keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Zeitfenster entscheidend?

Kühn betrachtet die Studie im Prinzip als eine Variante des schon länger wissenschaftlich untersuchten sogenannten Breakfast Skippings: Abnehmwillige lassen dabei einfach das Frühstück weg. Dazu gebe es schon einige wissenschaftliche Erkenntnisse, erklärte Kühn: „Eine aktuelle Metaanalyse hat gezeigt, dass Breakfast Skipping vielleicht minimal besser ist um Gewicht zu verlieren. Gleichzeitig gibt es einzelne Studien, die sagen, dass das gar nicht so vorteilhaft ist für bestimmte Parameter des Stoffwechsels wie Marker des Zuckerstoffwechsels oder Cholesterins.“

 
Eine aktuelle Metaanalyse hat gezeigt, dass Breakfast Skipping vielleicht minimal besser ist um Gewicht zu verlieren.
 

Befürworter des Intervallfastens erhoffen sich daher mehr von Studien, in denen das Zeitfenster für die Nahrungsaufnahme früher am Tag beginnt oder z.B. der Chronotyp des Fastenden mit untersucht wird. Eine solche Studie (CHRONOFAST) läuft zurzeit am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Einzelne Studien zum Intervallfasten, bei denen die Zeitfenster, in denen Essen erlaubt ist, früher am Tag liegen, deuten auf mögliche Vorteile für den Zuckerstoffwechsel hin.

Allerdings hatten die meisten bisher veröffentlichten Studien nur wenige Teilnehmer, erklärt Kühn: „Die sehr vielversprechenden Studien zum 16:8-Intervallfasten, die bisher veröffentlicht sind, haben alle Pilotcharakter mit nur einer Handvoll Versuchspersonen.“ Daher würden die Ergebnisse größerer Studien mit Spannung erwartet.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....