BÄK-Handreichung: Die 8 wichtigsten Aspekte, wie sich Videosprechstunden in den Praxisalltag integrieren lassen

Christian Beneker

Interessenkonflikte

30. September 2020

Nicht zuletzt wegen der Corona-Krise und der vielen Patienten-Nachfragen zur Videosprechstunde haben sich die niedergelassenen Ärzte offenbar mit dem digitalen Format angefreundet. Das zeigen die Zahlen. Jetzt hat die Bundesärztekammer (BÄK) eine kompakte „Handreichung für Ärztinnen und Ärzte zur Umsetzung von Videosprechstunden in der Praxis“ erarbeitet und im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht [1].

Auf knapp 2 Seiten fasst das Papier zusammen, worauf die Anwender achten müssen. Nach Angaben der BÄK bieten mehr als die Hälfte von 2.240 befragten Ärzten und Psychotherapeuten in ihrer Praxis Videosprechstunden an.

 
Die Handreichung soll darüber informieren, wie die Videosprechstunde gut und sicher in die Praxisabläufe integriert werden kann. Dr. Josef Mischo
 

„Die Handreichung soll darüber informieren, wie die Videosprechstunde gut und sicher in die Praxisabläufe integriert werden kann“, sagt Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Fernbehandlung der BÄK, anlässlich der Vorstellung.

AU-Bescheinigung, Abrechnung und Dokumentation bei Videosprechstunden

In 8 Blöcken legt die BÄK die wichtigsten Aspekte der Videosprechstunde dar:

1.     So empfiehlt das Papier, Sprechstundenzeiten für die Videokonsultation festzulegen und sie auch auf der Website der Praxis auszuweisen. Außerdem: Wie kann man die Patienten eindeutig identifizieren? – Indem sie ihre Gesundheitskarte oder ihren Personalausweis in die Kamera halten. Für die Videosprechstunde muss die Praxis zudem selbstverständlich für eine stabile Online-Verbindung sorgen.

2.     Unter „Technische Voraussetzungen“ verweist die Handreichung auf die Anlage 31b des Bundesmantelvertrages-Ärzte. Dort heißt es zum Beispiel, dass die Videosprechstunde in geschlossenen Räumen stattfinden muss, um die Privatsphäre der Patienten zu gewährleisten. Die Vertragsärzte dürfen außerdem nur zertifizierte Videodienstanbieter nutzen. Auch die Anforderungen an den Anbieter sind in der Anlage 31b abgebildet.

3.     Die Patienten müssen über die Besonderheiten der Fernbehandlung aufgeklärt werden. Eine mündliche Aufklärung reicht aus, „sollte aber in der Patientenakte dokumentiert werden“, so das Papier.

4.     Was die Schweigepflicht und die Datensicherheit angeht, muss der Arzt sicherstellen, dass die Videosprechstunde nicht aufgezeichnet wird und frei von Werbung bleibt. Soll ein Kurzarztbrief versandt werden, müssen die Patienten zustimmen, und der Brief muss in verschlüsselter Form versandt werden.

5.     In Hinblick auf die Dokumentation ist unter anderem zu beachten, dass jede Videosprechstunde in der Patientenakte dokumentiert wird. Nähere Angaben bietet die Anlage 4b des Bundesmantelvertrages-Ärzte.

6.     Auch AU-Bescheinigungen und Verordnungen sind online möglich – allerdings unter bestimmten Bedingungen, wie ein „noch nicht in Kraft getretener Beschluss“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorsieht. „Als Voraussetzung für die Krankschreibung per Videosprechstunde gilt insbesondere, dass die oder der Versicherte der behandelnden Arztpraxis bekannt ist und die Erkrankung eine Untersuchung per Videosprechstunde zulässt“, teilt der G-BA mit.
„Dabei ist die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf einen Zeitraum von sieben Kalendertagen begrenzt. Eine Folgekrankschreibung über Videosprechstunde ist nur zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund unmittelbarer persönlicher Untersuchung ausgestellt wurde. Ein Anspruch der Versicherten auf Krankschreibung per Videosprechstunde besteht jedoch nicht.“
Allerdings muss der Arzt die Bescheinigungen immer noch in der Praxis ausdrucken und dem Patienten mit der gelben Post zuschicken.
Praktisch ungeregelt sind noch die Online-Verordnungen. Sie sind bisher keine Kassenleistung, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Noch würde die Arzneimittelverordnung in der Fernbehandlung in Projekten erprobt.

7.     Fragen der Weiterbehandlung nach der Online-Sprechstunde müssen online deutlich kommuniziert und auch dokumentiert werden, empfiehlt die Handreichung. Will der Arzt den Patienten gegebenenfalls von sich aus kontaktieren, sollte vorher sein Einverständnis eingeholt werden.

8.     Einzelheiten zur Vergütung hält die KBV vor: Als Vergütung können Ärzte und Psychotherapeuten ihre Grund- und Versichertenpauschale abrechnen (oder die Konsiliarpauschale der Strahlentherapie) und weitere Leistungen zum Beispiel bestimmte Gesprächsleistungen oder Videofallkonferenzen.
Außerdem leisten die gesetzlichen Kassen pro Videosprechstunde 10 Euro Anschubfinanzierung für bis zu 50 Online-Visiten in Quartal. Die Fördermöglichkeit gilt für 2 Jahre. Außerdem gibt es einen Zuschlag von 1,10 Euro, wenn ein unbekannter Patient zunächst authentifiziert werden muss. Schließlich fließt auch ein „Technik-Zuschlag“ von 4,39 Euro bei jeder Videosprechstunde. Dieser Zuschlag ist aber auf rund 208 Euro pro Quartal gedeckelt.

„Die Handreichung bietet nichts Neues“

Enttäuscht über die Handreichung äußert sich Dr. Daniel Overheu, ärztlicher Leiter der Telemedizin am Klinikum Oldenburg. „Die Handreichung bietet nichts Neues“, sagt Overheu zu Medscape. Er kritisiert, dass sie sich nur auf die niedergelassenen Ärzte bezieht. Sie beziehe sich nicht auf die stationäre Medizin, nicht auf Reha- oder Pflegeeinrichtungen.

 
Ich hätte mir ein klares Bekenntnis zur Telemedizin als solcher gewünscht. Dr. Daniel Overheu
 

„Ich hätte mir ein klares Bekenntnis zur Telemedizin als solcher gewünscht“, sagt Overheu. „Zum Beispiel auch an Tele-Intensivmedizin oder die Integration des Versendens von Vitalparametern des Patienten. Zudem fehlt der intersektorale Blick.“

Zertifizierte Messenger-Dienste als Alternative?

Selbst nicht alle Niedergelassenen dürften durch die Handreichung ihr Herz für die Videosprechstunde entdecken. Dr. Joachim Draws etwa, niedergelassener HNO-Arzt im Niedersächsischen Celle, setzt auf zertifizierte Messenger-Dienste, um Nachrichten, Bilder und Videos mit seinen Patienten auszutauschen. „Denn bei der synchronen Online-Kommunikation der Videosprechstunde muss ich im Praxisablauf Platz schaffen. Das stört und besetzt meine Termine.“

 
Bei der synchronen Online-Kommunikation der Videosprechstunde muss ich im Praxisablauf Platz schaffen. Das stört und besetzt meine Termine. Dr. Joachim Draws
 

Die asynchrone Kommunikation der Messenger-Dienste ermöglicht es dem Celler Arzt dagegen, die Nachrichten seiner Patienten anzusehen, wenn Zeit ist. Wenn der Patient eine OP-Wunde anschauen lassen will, braucht er nicht in die Praxis zu kommen, sondern schickt mir ein Foto“, sagt Draws. „Ich antworte dann, wenn ich Zeit habe.“

Für die Corona-Zeit ist die Videosprechstunde auch für die HNO-Fachgruppe ein gutes Mittel. „Mal sehen, was von der Videosprechstunde bleibt, wenn Corona vorbei ist.“

 

Kommentar

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