Leipzig – Deutschland braucht mehr Urologinnen und Urologen: Aufgrund der demographischen Veränderungen geht die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) von einem Versorgungszuwachs um 20% aus. „Unsere Gesellschaft wird immer älter, und älter werdende Patienten haben häufiger Probleme im Harntrakt“, erklärte Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, DGU-Generalsekretär, auf der Online-Pressekonferenz zum 72. Urologen-Kongress in Leipzig [1]. Weitere Themen waren die Bedeutung des PSA-Tests zur Früherkennung, die Regelversorgung unter Corona-Bedingungen und ein neues Weiterbildungs-Curriculum.
PSA-Wert bleibt wichtiger Baustein zur PCA-Früherkennung
Dass die DGU an der Bedeutung des PSA-Wertes als wichtigen Baustein der Früherkennung des Prostatakarzinoms (PCA) festhält, machte DGU- und Kongresspräsident Prof. Dr. Jens Rasweiler deutlich: „Der PSA-Test sollte in irgendeiner Form Bestandteil der normalen urologischen Vorsorge/Früherkennung werden und von den Kassen adäquat bezahlt werden“, betonte der Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie SLK-Kliniken Heilbronn. Er erinnerte daran, dass das Prostatakarzinom der häufigste Tumor des Mannes ist.
Auch nach dem negativen Votum des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum „Prostatakrebs-Screening mittels PSA-Test“ halte die DGU daran fest und erwarte mit Spannung, wie der G-BA über das Thema der Erstattungsfähigkeit der Beratung, Aufklärung und des PSA-Tests Ende November entscheiden werde.
Unabhängig von dieser Entscheidung bleibe der medizinische Nutzen des risikoadaptiert eingesetzten PSA-Tests als Baustein der Prostatakarzinom-Früherkennung unbestritten, stellte Rasweiler für die DGU klar.
Wie soll die Regelversorgung unter Corona aussehen?
Auch in der Urologie hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass urologische Kliniken im Frühjahr die Regelversorgung auf das medizinisch Notwendige heruntergefahren und Wahleingriffe verschoben haben, um ausreichend Kapazitäten für COVID-19-Patienten frei zu halten, erinnerte Dr. Axel Schroeder, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologen (BvDU).
„Wir brauchen dringend einen strukturierten Plan, wie die künftige Regelversorgung unter Corona aussehen soll“, so Schroeder weiter. „Die drohende Überforderung des Gesundheitssystems ist zwar ausgeblieben, doch die Unsicherheit bleibt – bei uns Medizinern und den Patienten.“
Schroeder berichtete auch, dass die Patienten nur zögerlich in die Sprechstunden zurückkehren. Aus Sorge vor Ansteckung verschieben Patienten noch immer Arztbesuche und Klinikaufenthalte oder sagen sie ab. Schroeder nannte es besorgniserregend, dass Früherkennungsmaßnahmen sehr viel weniger in Anspruch genommen werden und chronisch Kranke den Weg in die Praxis oder Klinik scheuen.
Er empfiehlt, versäumte Kontrollen jetzt nachzuholen, da dies sonst mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Patienten verbunden sei. „Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt ist unerlässlich, um bestmöglich behandeln zu können“, betont Schroeder. „Die Versorgung muss wieder deutlich besser werden – das sind wir unseren Patienten schuldig.“
Neues Weiterbildungs-Curriculum ab 2021
Diskutiert wurde auch ein neues Weiterbildungs-Curriculum. Es soll einen Beitrag dazu leisten, den Fachbereich Urologie für angehende Ärztinnen und Ärzte noch attraktiver zu machen. Um die Weiterbildung zum Facharzt für Urologie homogener, transparenter und strukturierter zu gestalten, hat die DGU das völlig neuartige zertifizierte Weiterbildungs-Curriculum erarbeitet.
Ausgangspunkt des Projekts war die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) 2018 durch die DGU. Eine Weiterbildungskonferenz hat daraus das Weiterbildungs-Curriculum entwickelt. 2012 hatte die Bundesärztekammer alle medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland mit dem Entwurf einer neuen MWBO beauftragt.
„Im Juli dieses Jahres haben wir das von der DGU erarbeitete Curriculum mit dem Berufsverband der Deutschen Urologen sowie der German Society of Residents in Urology (GeSRU) konzertiert. Beide Institutionen sind seitdem Projekt-Kooperationspartner und unterstützen die Umsetzung“, berichtete Michel, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Mannheim und Initiator des Weiterbildungs-Curriculums.
Das Curriculum geht 2021 an den Start und empfiehlt die Unterteilung der Weiterbildungszeit von 60 Monaten in 10 Semester/5 Module. Die erworbenen Kompetenzen werden objektiv, standardisiert und für jeden transparent überprüft.
Einige Weiterbildungsinhalte werden in den ambulanten Bereich verlagert
Eine der größten Veränderungen in der MWBO stellt die Verlagerung der geforderten Kompetenzen in den ambulanten Bereich dar. Kooperationen zwischen Kliniken und Praxen sind im neuen Curriculum deshalb integraler Bestandteil der Weiterbildung.
Das Curriculum empfiehlt, 2 Semester im ambulanten Sektor zu absolvieren, zum Beispiel durch eine Rotation in eine Praxis oder ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Vorgesehen sind auch Rotationen zwischen verschiedenen Kliniken, um Spezialgebiete – wie beispielsweise die Kinderurologie – besser abdecken zu können.
Immer wieder wurde das Fehlen eines strukturierten Ausbildungscurriculums für die Facharztweiterbildung für Urologie in Deutschland thematisiert. 70% der befragten Weiterbildungsassistenten gaben 2015 an, dass an ihren Kliniken keine curriculare Ausbildung angeboten werde.
Finanzielle Förderung im ambulanten Bereich gefordert
Die DGU sieht allerdings politischen Handlungsbedarf bei der finanziellen Förderung für Weiterbildungsassistenten im ambulanten Bereich der Urologie. Bestehende Fördermöglichkeiten in einigen Bundesländern, teils durch die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen, teils durch Fördergelder nach § 75a SGB V, reichten nicht aus, um eine der wichtigsten Veränderung in der MWBO umzusetzen – die Verlagerung der geforderten Kompetenzen in den ambulanten Bereich der Urologie, betonte Michel. Und er fügte hinzu: „Damit ambulante Abschnitte zum Regelfall der Weiterbildung werden, brauchen wir eine flächendeckende Finanzierung der Weiterbildung in urologischen Praxen.“
Unterstützt wird die Forderung auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Deren Vorsitzender Dr. Andreas Gassen hatte sich Ende vergangenen Jahres dafür ausgesprochen, Leistungen der Weiterbildungsassistenten extrabudgetär durch die Krankenkassen zu finanzieren.
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Curriculums sei der Wille, mit den Zeichen der Zeit zu gehen und die durch die Novellierung der MWBO entstandene Chance zur Verbesserung der Weiterbildung zu nutzen, so die DGU. Gelinge dies, könne das Weiterbildungscurriculum künftig ein Gütesiegel für urologische Weiterbildung in Deutschland darstellen.
Teilnehmenden Kliniken und Praxen wird für die Zertifizierung der Ausbildungsstätten der Weiterbildungsbeauftragte der DGU zur Seite stehen. Um die Logistik zu erleichtern, wird die DGU ein neues Online-Portal u.a. mit unterstützenden Informationsmaterialien und Musteranträgen installieren.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Urologen-Kongress: DGU hält am PSA-Wert fest und stellt neues Weiterbildungs-Curriculum vor - Medscape - 30. Sep 2020.
Kommentar