Denn sie wissen, was sie tun … Hausärzteverband verwahrt sich gegen Zwang und Regressdrohungen

Bettina Micka

Interessenkonflikte

25. September 2020

Die Sektkorken knallten nicht, obwohl der Hausärzteverband in diesem Jahr eigentlich sein 60. Gründungsjubiläum feiern könnte. Doch Grund zur Freude gibt es kaum: Die Corona-Pandemie hat Hausärzte in den letzten Monaten vor große Herausforderungen gestellt und wird ihnen auch noch in absehbarer Zukunft Probleme bereiten – Probleme, die sie am liebsten nach eigenem Ermessen lösen würden.

Ulrich Weigeldt

Auf der Pressekonferenz anlässlich des 41. Deutschen Hausärztetages wurde der Wunsch nach mehr Freiheit von Reglementierungen aus der Politik deutlich – und das nicht nur im Umgang mit der Corona-Krise [1]. Auch die Vorgaben zur Digitalisierung sind für Hausärzte seit Langem ein Reizthema.

 
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, was die Hausärztinnen und Hausärzte sowie ihre Praxisteams leisten können – und das ganz ohne Vorschriften und Zwänge. Ulrich Weigelt
 

„Die Corona-Pandemie hat gezeigt, was die Hausärztinnen und Hausärzte sowie ihre Praxisteams leisten können – und das ganz ohne Vorschriften und Zwänge“, so Ulrich Weigelt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.

Corona-Krise gemeistert – wie geht es weiter?

Gerade zu Beginn der Pandemie mussten Hausärzte die Versorgung trotz schwieriger Bedingungen wie fehlender Schutzausrüstung sicherstellen. Sie hätten sich sehr anpassungsfähig gezeigt, etwa Infektionssprechstunden eingerichtet und Praxisabläufe umorganisiert, wie Weigelt schilderte. „Wir haben dazu keine Vorschriften und Gesetze gebraucht“, betonte er. Und: „Honorarverluste hat es nicht gegeben. Das zeigt, dass diese Versorgungsform krisensicher ist.“

Testzentren wiederum hätten Infekte aus den Praxen herausgehalten, doch Patienten hätten noch viele Fragen gehabt, die dann ihr Hausarzt beantwortet habe, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende Anke Richter-Scheer.

Anke Richter-Scheer

Und nicht nur Ärzte haben dazu beigetragen, dass Krankenhäuser entlastet wurden, sondern auch Praxismitarbeiter. Diese sollten für ihre Arbeit genauso wertgeschätzt werden wie Krankenschwestern und Pfleger im stationären Bereich. Weigelt forderte für sie ebenfalls ein Prämienprogramm.

Bewährt habe sich in der Krise die telefonische Krankschreibung. Auch die Krankenkassen haben festgestellt, dass es keinen Missbrauch gegeben hat, wie zunächst befürchtet. „Diese Reglung wollen wir beibehalten – auch in Anbetracht der bevorstehenden Grippewelle“, sagte der Bundesvorsitzende.

 
Honorarverluste hat es nicht gegeben. Das zeigt, dass diese Versorgungsform krisensicher ist. Ulrich Weigelt
 

Als hilfreich am Beginn der Pandemie und auch weiterhin nannte Richter-Scheer zudem die Videosprechstunde, die nun in den meisten Praxen implementiert sei. „Eine Begrenzung der Videosprechstunden ist nicht sinnvoll“, betonte sie.

Gut vorbereitet auf Herbst und Winter

Auch Weigelt mahnte angesichts der bevorstehenden Grippe- und Erkältungssaison bei anhaltender Corona-Pandemie: „Wir müssen uns jetzt vorbereiten.“ Eine Forderung des Verbandes ist etwa, dass ausreichende Mengen an Influenza-Vakzine bereitstehen. Im letzten Jahr hatte es Lieferengpässe gegeben. Auch sollte es keine Regressdrohungen durch die Kassen geben, wenn dann doch nicht alle bestellten Dosen verimpft wurden.

„Ich persönlich bin der Meinung, dass die alleinige Impfung von Risikogruppen nicht ausreichend ist“, merkte Weigelt an. Aus Umfragen sei bekannt, dass sich ein erheblicher Teil der älteren Patienten trotz hausärztlicher Empfehlung aus Angst vor Nebenwirkungen nicht impfen lasse. Daher sei es vernünftig, wenn das Umfeld geimpft sei, um die Ausbreitung zu verhindern und die Gefährdung von Risikopatienten zu minimieren. Er rechne ohnehin in diesem Jahr mit einer größeren Nachfrage.

Auch Richter-Scheer rät zur Vorbereitung: „Wir müssen die Infektpatienten von den Nicht-Infektpatienten trennen.“ Es könnten dafür Infektionssprechstunden eingerichtet werden, was die meisten Praxen schon getan hätten. „Da helfen aber keine Vorgaben, wie sie teilweise von den Körperschaften kommen.“

 
Ich persönlich bin der Meinung, dass die alleinige Impfung von Risikogruppen [gegen Influenza] nicht ausreichend ist. Ulrich Weigelt
 

Die Praxen wären zu unterschiedlich. Eine Einzelpraxis habe andere Möglichkeiten als eine Gemeinschaftspraxis. Teilweise werde etwa gefordert, es müsse einen Eingang und einen Ausgang geben. Welche Einzelpraxis habe das, fragte Richter-Scheer. Falls eine neue Welle komme, wäre etwa die Einrichtung von Containern, einem Zelt oder einem Drive-in vor der Praxis eine Option. „Wir müssen pragmatische Lösungen finden“, betonte Richter-Scheer.

Digitalisierung ja, aber praktikabel muss sie sein

Dauer-Aufreger für die Hausärzte bleibt die Digitalisierung. „Wenn wir dabei nur Sanktionen sehen und Maßnahmen, die chronisch zu Gunsten der Kassen laufen und bei uns abgeladen werden, dann führt das nicht dazu, dass das bei uns mit großem Jubelsturm begrüßt wird“, so Weigelt.

Als ein Beispiel nannte er die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Bisher war der Patient verpflichtet, diese bei der Krankenkasse einzureichen. Jetzt werde sanktionsbewährt der Arzt dazu verpflichtet.

Richter-Scheer schilderte die Probleme mit den Konnektoren aus ihrer eigenen Erfahrung. Wenn morgens das ganze System hochgefahren sei und sich dann die Versicherungskarte des ersten Patienten nicht einlesen lasse, müsse es wieder herunter- und dann wieder hochgefahren werden. Das dauere etwa 15 bis 20 Minuten. In der letzten Woche sei das in ihrer Praxis 3 Mal passiert – den Fehler habe man nicht gefunden. „Anstatt ein Produkt so attraktiv zu machen, dass es freiwillig angenommen wird, werden Sanktionen verhängt“, beklagte Weigelt.

Nachwuchssorgen bleiben

Auch schon lange ein Sorgenthema bei den Hausärzten ist der fehlende Nachwuchs an Ärzten, speziell in ländlichen Gebieten.

Der größte Hindernisfaktor für die Übernahme von Praxen durch junge Kolleginnen und Kollegen seien Schikanen, Bürokratie und Regress-Androhungen, so Weigelt. „Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass wir diese bürokratischen und sonstigen Schikanen in den Praxen abbauen müssen, wenn wir die Versorgung erhalten wollen.“

Eine Landarztquote für Studienplätze befürwortete Weigelt. Sie werde auch gut angenommen. Man könne aber nicht erwarten, dass dann tatsächliche alle auch eine Landarztpraxis übernähmen. Schließlich könne ein Studienanwärter mit 19 nicht entscheiden, was er dann mit 30 mache. „Das kann man dann auch nicht strafbewehren“, sagte Weigelt.
 

Kommentar

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