Plädoyer gegen den Verdrängungswettbewerb: Der Marburger Bund will mehr Steuerung und Kooperation im stationären Sektor

Christian Beneker

Interessenkonflikte

23. September 2020

Der Marburger Bund (MB) hat sich in einem Positionspapier für eine bessere Steuerung der Krankenhausversorgung ausgesprochen, um mehr Kooperation, Vernetzung und Bedarfsgerechtigkeit zu schaffen. Kritisch beurteilt der MB den Trend, die stationäre Versorgung ausschließlich Kräften des Marktes zu überlassen [1].

Es fehle in der Krankenhausversorgung eine Balance zwischen flächendeckender Grundversorgung und Spezialisierung. Stattdessen gebe es einen ruinösen Verdrängungswettbewerb, so der MB in einer Pressemitteilung zur „Zukunft der Krankenhausversorgung aus ärztlicher Sicht“. Der MB schlägt darin auch vor, das Vergütungssystem umzubauen.

„Gesundheit ist kein marktwirtschaftliches Gut, sondern öffentlicher Auftrag im Rahmen der Daseinsvorsorge. Ökonomische Rahmenbedingungen können nicht ausgeblendet werden – sie dürfen die Versorgung aber nicht dominieren, wie das derzeit immer mehr der Fall ist“, sagte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, bei der Vorstellung des Reformkonzepts. „Wir brauchen eine Neujustierung.“

 
Gesundheit ist kein marktwirtschaftliches Gut, sondern öffentlicher Auftrag im Rahmen der Daseinsvorsorge. Dr. Susanne Johna
 

Ausdrücklich wies Jonah darauf hin, dass der MB nicht die Schließung von mehr als der Hälfte der deutschen Krankenhäuser favorisiere. Das hatte etwa Prof. Reinhard Busse, Professor für Gesundheitsmanagement an der TU Berlin, in einem Interview mit Medscape vorgeschlagen. 

Kooperation mit dem ambulanten Sektor

Kleinere Häuser müssten nicht zwangsläufig von der Bildfläche verschwinden, sondern könnten etwa durch niedergelassene Fachärzte unterstützt werden und dazu entsprechende Kooperationsverträge abschließen, so der MB. Das gelte ebenso für Pflege- und Reha-Einrichtungen. „Wo eine solche Kooperation auf regionaler Ebene nicht möglich ist, müsse das Krankenhaus einen ambulanten fachärztlichen Versorgungsauftrag bekommen“, fordern die Autoren des Papiers.

Johna kritisierte die mangelhafte Krankenhausplanung. Diese finde in den Bundesländern kaum mehr statt und wenn, dann sehr unterschiedlich. Hier sei ein bundeseinheitliches Vorgehen geplant, um eine „aktive und stringente Krankenhausplanung“ auf die Beine zu stellen – und zwar in Form von 3 Versorgungsstufen, der Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung beziehungsweise Universitätsmedizin. Sie sollen bundesweit nach denselben Kriterien verwirklicht werden.

In Anlehnung an bereits vorhandenen Kriterien sei „abzustellen auf die Anzahl der Fachabteilungen, die Mindestanzahl und Qualifikation des ärztlichen Personals sowie die Erreichbarkeit der Versorgung“, so das Positionspapier. „Die Versorgungsaufgaben müssen für jede Stufe definiert werden.“ Entsprechend sollte der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses hinsichtlich einzelner Schwerpunkte der Weiterbildungsgebiete oder einzelner Leistungsbereiche eingeschränkt werden können. „Wir brauchen eine echte Planung und einen rechtlichen Rahmen, der das ermöglicht“, konstatieren die Autoren.

Die DRGs haben (fast) ausgedient

Nach Ansicht des MB haben die DRGs fast ausgedient und sollten ersetzt werden – aber nicht vollständig. Die Systematik soll erhalten bleiben für alle Kosten der direkten Krankenversorgung. Der Marburger Bund fordert für die übrigen Kosten ein kombiniertes Vergütungssystem aus Deckung krankenhausindividueller Personalausgaben und Vorhaltekosten sowie Abrechnung landeseinheitlicher pauschalierter Sach- und Betriebskosten.

Die Vorhaltekosten sollen entsprechend der Versorgungsstufe eines Krankenhauses als leistungsunabhängige Pauschale von den Krankenkassen finanziert werden. „Dadurch erhalten Krankenhäuser nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Anreize, damit nicht alle Krankenhäuser das tun, was manche besser können“, heißt es in dem Positionspapier des MB. Die Höhe der Pauschale wird auf Bundesebene von der Selbstverwaltung festgelegt, die Kriterien dazu liefert nach den Vorstellungen der MB das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK).

Zusätzlich sollen die Personalkosten vollständig aus den DRGs herausgenommen und bedarfsgerecht „auf Nachweis durch die Krankenkassen finanziert werden.“ Drei Viertel der Krankenhäuser haben jetzt schon Probleme, Ärztinnen und Ärzte zu finden, begründet Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des MB, den Vorschlag. Eine Personaluntergrenze allein sei indessen „unzureichend“. Die Kassen sollten das Personal bezahlen, das gebraucht wird.

Investitionskosten bedarfsgerecht bereitstellen

Die Investitionskosten schließlich sollen nach dem Willen des MB künftig von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden. Wenn die Länder endlich die Investitionen bedarfsgerecht bezahlen würden, also 6 Milliarden Euro im Jahr für die laufenden Kosten und nicht 3 Milliarden wie zurzeit, dann müssten die Häuser auch nicht mehr auf ihre Betriebsmittel zurückgreifen, um zu investieren, hieß es.

„Die Krankenhäuser finanzieren notwendige Investitionen aus Betriebsmitteln, die dann an anderer Stelle schmerzhaft fehlen, beispielsweise bei der Bereitstellung des Personals“, sagte Botzlar. „Der Mangel an Pflegefachkräften, aber auch an Ärztinnen und Ärzten ist ein Dauerproblem, das sich durch die unzureichende Anzahl an Medizinstudienplätzen und die absehbare Ruhestandswelle der Babyboomer weiter zu verschärfen droht.“

 
Die Krankenhäuser finanzieren notwendige Investitionen aus Betriebsmitteln, die dann an anderer Stelle schmerzhaft fehlen, beispielsweise bei der Bereitstellung des Personals- Dr. Andreas Botzlar
 

Deshalb will der MB Investitionen künftig als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern begreifen. Die Neuordnung der Finanzierung sei die Voraussetzung, um die Krankenhäuser neu aufzustellen, sagte Johna.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, lobte und kritisierte das Papier gleichermaßen: „Im Konzept des MB sind Übereinstimmungen zu den Überlegungen der DKG zu erkennen“, sagte Baum auf Anfrage von Medscape. Er nannte etwa die Stärkung der Finanzierungsmechanismen der Krankenhäuser.

„Die Notwendigkeit einer besseren Vorhaltefinanzierung erfordert Ergänzungen und Relativierungen im zu stark preisorientierten Vergütungssystem der Fallpauschalen. Wir brauchen verstärkt Grundfinanzierungselemente und ergänzende Finanzierungselemente“, so Baum. „Wir gehen aber nicht soweit, dass wir wie der MB, auch die Ausgliederung aller Personalkosten – über die Pflege hinaus – aus den DRGs fordern.“

 

Kommentar

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