Fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom: Nivolumab plus Cabozantinib verdoppelt Ansprechrate und halbiert Progressionsrisiko

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

21. September 2020

Lugano – Eine Erstlinientherapie mit Nivolumab plus Cabozantinib besserte bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom das Gesamtüberleben, das progressionsfreie Überleben und die Ansprechrate signifikant – dies im Vergleich zum Standard Sunitinib. Unter der Kombination des PD-1-Inhibitors Nivolumab (Opdivo®) mit dem anti-angiogen wirkenden Tyrosinkinase-Inhibitor Cabozantinib (Cabometyx®) war zudem die Lebensqualität der Patienten signifikant besser als unter der Vergleichstherapie.

Dies ergab die jetzt aktuell beim virtuellen ESMO-Kongress 2020 vorgestellte offene Phase-3-Studie CheckMate 9ER, deren Ergebnisse Prof. Dr. Toni K. Choueiri, Leiter des Lank Center for Genitourinary Oncology am Dana-Farber Cancer Institute, Boston, präsentiert hat [1].

Ärzte könnten nun unter verschiedenen Kombinationen wählen

„Bei den zunehmenden Optionen für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom sind Wirksamkeit, Sicherheit und Vorteile bei der Lebensqualität sowie die Charakteristika des einzelnen Patienten wichtige Faktoren für die Auswahl der geeigneten Therapie. Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Nivolumab plus Cabozantinib als potenzielle First-Line-Option für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom“, so seine Schlussfolgerung.

 
Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Nivolumab plus Cabozantinib als potenzielle First-Line-Option für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom. Prof. Dr. Toni K. Choueiri
 

Die Studie habe alle Endpunkte erreicht, das sei beeindruckend, kommentierte Dr. Dominik Berthold, Onkologische Abteilung, Universitätsklinik Vaudois, Lausanne, Schweiz, bei einer virtuellen ESMO-Pressekonferenz die Ergebnisse. Aber: Es ist nicht die erste Studie, die eine Kombinationstherapie untersucht hat. Die CheckMate-9-ER-Daten erweiterten jedoch die Optionen in der Erstlinie, sagte Berthold.

Ärzte könnten nun unter verschiedenen Kombinationen wählen. Man müsse aber noch lernen, welche Population von welcher Therapiekombination am meisten profitiere.

Prof. Dr. Camillo Porta, Universität von Bari, Italien, warnte als eingeladener Diskutant im Präsidentensymposium beim Kongress davor, die verschiedenen Kombinationsstudien zur Erstlinientherapie beim Nierenzellkarzinom direkt zu vergleichen – die Unterschiede z.B. bei den eingesetzten Substanzen, den Studienendpunkten, der Patientengruppen und der Verteilung der Patienten in den einzelnen Risikokategorien seien beträchtlich.

Bei der Beurteilung der Verträglichkeit müsse beachtet werden, dass Cabozantinib in der CheckMate-9-ER-Studie in einer reduzierten Dosis von 40 mg/Tag eingesetzt worden sei.

„Derzeit ist der einzig mögliche Faktor, der unsere Therapiewahl steuert, die biologische Aggressivität des Tumor, wenngleich dies hoch empirisch ist“ schlussfolgerte Porta. Bei einem sehr aggressiven Tumor könne die Kombination aus Immuncheckpoint-Inhibitor plus VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor eine vernünftige Wahl sein, um damit das Tumorwachstum zu kontrollieren und auf den Langzeiteffekt der Immuntherapie warten zu können.

In anderen Fällen könne man den Langzeitnutzen der Immuntherapie-Kombination nutzen, um möglichst oft ein komplettes Ansprechen zu erreichen. Hiermit könne man auch Toxizitäten durch die Langzeitanwendung von Tyrosinkinase-Inhibitoren vermeiden.

Nach Aussage von Porta akzeptieren Patienten bei der Erstlinienbehandlung in der Abwägung von Wirksamkeit und Verträglichkeit eher ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Wirksamkeit.

Kombinationen in der Erstlinientherapie

Zur Erstlinientherapie von nicht vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom liegen nun mehrere Phase-3-Studien mit verschiedenen Kombinationstherapien vor:

  • In der offenen Phase-3-Studie KEYNOTE-426 hat die Kombination aus dem Tyrosinkinase-Inhibitor Axitinib (Inlyta®)und dem PD1-Hemmer Pembrolizumab (Keytruda®) das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zu Sunitinib signifikant verlängert.

  • Die Kombination aus dem PD-L1-Inhibitor Avelumab (Bavencio®) und Axitinib hat das PFS im Vergleich zu Sunitinib in der offenen Phase-3-Studie JAVELIN Renal 101 ebenfalls signifikant verlängert.

  • Und die Kombination aus den Immuncheckpoint-Inhibitoren Nivolumab und Ipilimumab (Yervoy®) hat in der offenen Phase-3-Studie CheckMate 214 bei Patienten mit intermediärem/ungünstigem Risikoprofil das Gesamtüberleben und das Ansprechen ebenfalls im Vergleich zu Sunitinib signifikant verbessert.

Der PD-1-Inhibitor Nivolumab (Opdivo®) und der antiangiogen wirkende Tyrosinkinase-Inhibitor Cabozantinib (Cabometyx®) sind einzeln für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen.

Nivolumab ist als Monotherapie nach Vortherapie sowie in Kombination mit Ipilimumab für die Erstlinientherapie bei Patienten mit intermediärem/ungünstigem Risikoprofil indiziert.

Cabozantinib kann bislang bei nicht vorbehandelten Erwachsenen mit mittlerem oder hohem Risiko und nach vorangegangener zielgerichteter Therapie gegen VEGF eingesetzt werden.

Die von Choueiri beim ESMO vorgestellte randomisierte, internationale Phase-3-Studie CheckMate 9ER hat nun die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Kombination der beiden Wirkstoffe getestet.

CheckMate 9ER Kombi- versus Standarttherapie

An der Studie nahmen 651 nicht vorbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom aller Risikogruppen teil.

323 Patienten erhielten randomisiert 240 mg Nivolumab alle 2 Wochen i. v. plus Cabozantinib 40 mg/Tag oral. 328 Patienten nahmen Sunitinib 50 mg/Tag über jeweils 4 Wochen gefolgt von 2 Wochen Pause. Die Behandlung dauerte bis zur Progression oder inakzeptablen Toxizität, maximal jedoch 2 Jahre.

22,6% der Patienten wiesen ein günstiges Risiko, 57,6% ein intermediäres Risiko und 19,7% ein ungünstiges Risiko nach dem IMDC-Score auf. Bei etwa 25% lag die PD-L1-Expression mindestens bei 1%.

Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten das Gesamtüberleben (OS), die Ansprechraten und die Verträglichkeit. Außerdem wurde die Lebensqualität exploratorisch beurteilt.

Studie erreichte alle Wirksamkeitsendpunkte

Alle 3 Wirksamkeitsendpunkte wurden erreicht. Nach einem medianen Follow-Up von 18,1 Monaten verdoppelte die Kombination aus Nivolumab und Cabozantinib das verblindet beurteilte PFS von 8,3 Monaten im Median unter Sunitinib auf 16,6 Monate (Hazard-Ratio: 0,51; p < 0,0001). Das Progressionsrisiko wurde damit durch die Kombination um 49% verringert.

Dieser Effekt wurde in allen vordefinierten Subgruppen erreicht, er war unabhängig von der IMDC-Risikokategorie und von der PD-L1-Expression.

Das mediane Gesamtüberleben ist derzeit in beiden Gruppen noch nicht erreicht. Die HR liegt bei 0,60, dies bedeutet, dass die Kombination das Sterberisiko im Vergleich zur Monotherapie um 40% verringerte (p = 0,0010). Auch dieses Ergebnis war in den Subgruppen vergleichbar.

Auf Nivolumab plus Cabozantinib sprachen mit 55,7% mehr als doppelt so viele Patienten wie auf Sunitinib mit 27,1% an (p < 0,0001). Auch ein komplettes Ansprechen war mit 8% in der Kombi-Gruppe häufiger als mit 4,6% in der Vergleichsgruppe. Die Zeit bis zum Ansprechen war mit 2,8 vs. 4,2 Monate mit der Kombination kürzer und das Ansprechen hielt mit der Kombinationstherapie länger an (20,2 Monate vs 11,5 Monate mit Sunitinib).

Die Zielläsionen verkleinerten sich bei 95% der Patienten unter Nivolumab plus Cabozantinib, 70% hatten eine Reduktion um mehr als 30%. In der Sunitinib-Gruppe wurde die Zielläsion bei 85% der Patienten verkleinert, bei 42% um mehr als 30%.

Patienten der Kombinationsgruppe wurden im Median 14,3 Monate, der Sunitinib-Gruppe 9,2 Monate behandelt. Eine Dosisreduktion von Cabozantinib war in 56,3% der Fälle, von Sunitinib in 51,6% erforderlich.

Zu unerwünschten Wirkungen vom Schweregrad 3 oder höher kam es bei 60,6% der Patienten in der Kombi-Gruppe und bei 50,9% unter Sunitinib. Im Nivolumab-Cabozantinib-Arm brachen 15,3% der Patienten und im Sunitinib-Arm 8,8% wegen Nebenwirkungen die Therapie ab.

Immunvermittelte unerwünschte Wirkungen traten häufiger bei den mit Nivolumab/Cabozantinib behandelten Patienten auf, vor allem an der Schilddrüse. In 19% der Fälle war eine Behandlung mit Kortikoiden erforderlich.

Als exploratorischer Endpunkt wurde die Lebensqualität erfasst. Sie konnte unter der Kombinationstherapie aufrechterhalten werden, während sich die Werte in der Sunitinib-Gruppe verschlechterten.

 

Kommentar

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