Amsterdam – Menschen mit einem außerhalb der Klinik aufgetretenen plötzlichen Herzstillstand (out-of-hospital cardiac-arrest, OHCA) fühlen sich oft schon Tage vorher unwohl. Das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung aus Dänemark. Ein plötzlicher Herztod kommt also oft gar nicht so „plötzlich“.

Dr Nertila Zylyftari
Laut der Studie hatten 54% der Betroffenen bereits 2 Wochen vor dem Herzstillstand telefonischen, E-Mail- oder persönlichen Kontakt mit ihrem Hausarzt, 6,8% waren gar in eine Notaufnahme oder Ambulanz eines Krankenhauses gegangen oder stationär behandelt worden.
In dem gesamten Jahr vor dem Herzstillstand hatten dagegen nur etwa 25% wöchentlich Kontakt zu ihrem Hausarzt bzw. 3% zu einer Klinik.
Dr. Nertila Zylyftari vom Copenhagen University Herlev and Gentofte Hospital im dänischen Hellerup stellte die Daten als Poster auf dem Jahreskongress 2020 der European Society of Cardiology (ESC) vor [1].
Die Ergebnisse bestätigten, dass Ärzte und Patienten sich bewusst sein sollten, dass einem „plötzlichen“ Herzstillstand ein Unwohlsein vorausgehen könne. Dies betone die Bedeutung von Risiko-Scores für kardiovaskuläre Erkrankungen in der täglichen klinischen Praxis, sagte Zylyftari gegenüber Medscape.
Auch in anderen Studien Symptome in Wochen vor Herzstillstand
Dies sei eine sehr „interessante und wichtige Studie, die sich bei den immer zahlreicheren Untersuchungen einreiht, nach denen OHCA-Patienten in den Wochen vor ihrem Herzstillstand Symptome zeigen“, schreibt Dr. Karen Smith, Direktorin des Center for Research and Evaluation at Ambulance in Victoria, Australien, in einer E-Mail an Medscape.
Smith beschrieb in einem Editorial ähnliche Evidenzen aus einer vergleichbaren Studie an über 38.000 Patienten mit OHCA in Ontario, Kanada. Die Autoren um Mony Shuvy, Hadassah-Hebrew University Medical Center, Jerusalem, Israel, sahen ihre Ergebnisse der „landläufigen Meinung entgegengesetzt“, nach der sich ein OHCA ohne vorherige ärztliche Kontakte abspiele. Nach ihren Ergebnissen hatten über 25% der OHCA-Betroffenen in den 90 Tagen vor dem Ereignis eine Notaufnahme aufgesucht.
Obwohl in der aktuellen Studie keine Angaben dazu gemacht wurden, mit welchen Beschwerden sich die Patienten an ihre Hausärzte oder eine Notaufnahme gewandt hatten, könnten einige von ihnen unter Atemnot, Brustbeschwerden und Herzklopfen gelitten haben, mutmaßte Zylyftari.
Andere Patienten könnten auch nur vage Symptome gezeigt haben, mit denen eine Einordnung als Hochrisiko-Patienten schwierig gewesen sei, so Zylyftari. Wieder andere könnten auch erst mit dem OHCA den ersten ärztlichen Kontakt gehabt haben.
Wichtig: Hochrisikopatienten identifizieren
„Es muss noch viel mehr geforscht werden, um einen plötzlichen Herzstillstand zu verhindern und einen Algorithmus zu entwickeln, der bei der Identifizierung von Risikopatienten helfen kann“, sagte Zylyftari.
Die Studie zeige jedoch schon heute, so Smith, dass „der Prozentsatz der Kontaktaufnahme zu Ärzten hoch ist. Dies unterstreicht, dass viele Herzstillstände womöglich vermeidbar wären, wenn Einrichtungen mit geeigneten Schnell-Screening-Verfahren zur Verfügung stünden, wohin die Patienten überwiesen werden könnten.“
„Wir erhalten damit weitere Evidenzen dafür, dass sich mit Aufklärungskampagnen über die Warnsignale eines Herzinfarktes Herzstillstände tatsächlich verhindern lassen, wenn sich die Patienten früher in Behandlung begeben“, fügte sie hinzu.
Sie hatte mit ihrem Team eine Studie durchgeführt, in der eine umfassende Kampagne in den Massenmedien im australischen Melbourne zur Verbesserung des Bewusstseins für die Symptome eines Herzinfarktes mit einer erheblichen Abnahme der OHCA-Inzidenz und der damit verbundenen Todesfälle verbunden war.
Ein plötzlicher Herzstillstand außerhalb der Klinik ist weltweit die dritthäufigste Todesursache. Durchschnittlich überleben ihn weniger als 10% der Patienten, was deutlich macht, „wie wichtig es ist, Risikopatienten zu identifizieren“, sagte Zylyftari.
Auswertung des dänischen OHCA-Registers
Die Untersucher machten in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2014 insgesamt 28.955 Personen im dänischen OHCA-Register aus. Ihr mittleres Alter lag bei 72 Jahren, 67% waren Männer. Die Forscher matchten jeden Patienten mit 9 Personen aus der Allgemeinbevölkerung nach Alter, Geschlecht und Datum des Herzstillstands.
In der Allgemeinpopulation hatten in einer Woche nur etwa 13% Kontakt mit dem Hausarzt bzw. bzw. 2% mit einer Klinik.
Von den 54% der Patienten, die ihren Hausarzt 2 Wochen vor ihrem OHCA kontaktiert hatten, taten 72% dies per Telefon oder E-Mail (auf diesen Kontakt erfolgte bei 11% ein Besuch in der Praxis). 51% hatten direkt die Praxis aufgesucht, bei 29% kam es zu einem Hausbesuch.
Von den Patienten, die 2 Wochen vor dem Herzstillstand Kontakt zu Ärzten hatten, wurde bei 25% eine kardiovaskuläre Erkrankung diagnostiziert (koronare Herzkrankheit 8%, Herzinsuffizienz 4,5%). 11% hatten eine Atemwegserkrankung (4,3% hatten eine COPD). Andere kamen wegen eines Traumas oder einer Intoxikation oder aufgrund einer gastrointestinalen Erkrankung.
In der Allgemeinpopulation wiesen nur etwa 9% eine kardiovaskuläre Erkrankung auf.
„Um die Alarmsignale von unmittelbarer gefährdeten Personen identifizieren zu können, sind weitere Daten und Untersuchungen zu den Zusammenhängen, z.B. bei den Symptomen, erforderlich, damit sich plötzliche Herzstillstände zukünftig besser verhindern lassen“, sagte Zylyftari.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Plötzlicher Herztod: So plötzlich kommt er dann doch oft nicht – jeder zweite war vorher beim Arzt - Medscape - 17. Sep 2020.
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