Aktualisierte DGRh-Empfehlungen: Rheuma-Patienten durch Corona per se nicht stärker gefährdet – mit Einschränkungen

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

16. September 2020

Rheumapatienten haben per se offenbar kein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren oder schwer an COVID-19 zu erkranken – allerdings gilt dies mit gewissen Einschränkungen. „So geht eine schlecht eingestellte aktive Rheumaerkrankung, die eine hohe Entzündungsaktivität hat, mit einem allgemein erhöhten Infektionsrisiko einher“, betonte Prof. Dr. Christof Specker bei einer Online-Pressekonferenz im Rahmen des virtuellen Deutschen Rheumatologie-Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) [1].

Prof. Dr. Christof Specker

Eine antirheumatische Therapie sollte nicht aufgrund der COVID-19-Pandemie unterbleiben, verzögert oder unterdosiert werden, wenn die Rheuma-Erkrankung eine solche Therapie erfordert, betonte der Direktor der Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte.

Für die ärztliche Betreuung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen im Rahmen der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie hat die DGRh kürzlich aktualisierte Handlungsempfehlungen herausgegeben. Sie adressieren präventive Maßnahmen und den Umgang mit immunmodulatorischen bzw. immunsuppressiven Medikamenten. Ein wichtiges Ziel dieser Empfehlungen ist es, Schäden für Patienten durch eine unbegründete Einschränkung der Versorgung zu verhindern.

Kein grundsätzlich erhöhtes Infektionsrisiko, aber Komorbiditäten beachten

Während das Robert Koch-Institut (RKI) Patienten unter Immunsuppression zu den im Hinblick auf Corona besonders gefährdeten Patientengruppen zählt, legen der DGRh zufolge aktuelle Daten aus COVID-19-Registern, Fallserien und Fallberichten nahe, dass Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung kein grundsätzlich erhöhtes Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion aufweisen und auch keine schwereren Krankheitsverläufe haben.

 
Wenn allerdings das Immunsystem sehr damit beschäftigt ist, die Rheumakrankheit am Kochen zu halten, ist es nicht mehr so gut in der Lage, Infekte abzuwehren. Prof. Dr. Christof Specker
 

„Wenn allerdings das Immunsystem sehr damit beschäftigt ist, die Rheumakrankheit am Kochen zu halten, ist es nicht mehr so gut in der Lage, Infekte abzuwehren“, so Specker. Als Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe nicht außer Acht zu lassen seien zudem fortgeschrittenes Alter und Komorbiditäten wie Adipositas, Diabetes mellitus bzw. metabolisches Syndrom oder vorbestehende Lungen-, Herz- oder Nierenerkrankungen.

Ausnahmefall höher dosiertes Kortison

Viele Patienten sorgen sich, dass ihre Rheumamedikamente die Gefahr einer schweren Corona-Infektion erhöhen könnten. „Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der potenzielle Nutzen der meisten antirheumatischen Therapien die Risiken überwiegt“, sagte Specker, der auch Sprecher der Ad-hoc-Kommission COVID-19-Register der DGRh ist.

 
Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der potenzielle Nutzen der meisten antirheumatischen Therapien die Risiken überwiegt. Prof. Dr. Christof Specker
 

Eine wichtige Ausnahme betrifft dauerhaft höher dosierte Glukokortikoide: „Wir wissen aus Daten unseres eigenen und anderer COVID-19-Register, dass ab einer Dauer-Dosierung von etwa 10 mg Kortison mit einem schwereren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung und der Notwendigkeit von Krankenhauseinweisungen gerechnet werden muss – unter Umständen sogar mit letalem Ausgang.“ Deshalb sollte die Kortison-Dosis bei Patienten mit COVID-19-Symptomen möglichst unter dieser Schwelle liegen.

Kernempfehlungen für die Betreuung von Rheumapatienten

Zu den aktualisierten Kernempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie für die Betreuung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen (ERE) gehören:

  • Nach aktuellem Stand sollte die Versorgung der Patienten mit ERE entsprechend den auch unter normalen Bedingungen geltenden rheumatologischen Standards erfolgen und nicht allein aufgrund der COVID-19-Pandemie verändert werden.

  • Bei Patienten ohne Infektzeichen, auch mit Kontakt zu SARS-CoV-2-positiven Personen, sollte die bestehende antirheumatische Therapie (in aller Regel) unverändert fortgesetzt werden.

  • Bei mittels PCR positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Patienten ohne Infektzeichen ist ein Pausieren bzw. Hinauszögern einer ts- oder bDMARD-Therapie (mit zielgerichteten synthetischen / targeted synthetic oder biologischen Disease-modifying anti-rheumatic drugs) für die Dauer der mittleren Inkubationszeit (z.B. 5 bis 6 Tage) zu erwägen.

  • Bei Patienten mit gesicherter, aktiver COVID-19 sollte die DMARD-Therapie pausiert werden. Eine für die Behandlung der rheumatologischen Erkrankung eingesetzte Glukokortikoid-Dauertherapie <10 mg/Tag sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

  • Patienten mit ERE und positivem Test auf SARS-CoV-2 (PCR und/oder Antikörper) sollen in dem COVID19-rheuma.de-Register der DGRh dokumentiert werden.

Corona-Sorge allein kein Grund für AU-Bescheinigungen

Weiterhin geraten wird, den Alltag und die Versorgung der Patienten nicht unnötig einzuschränken. In der Regel sei es nicht gerechtfertigt, Rheumapatienten allein aufgrund einer angenommenen Gefährdung durch COVID-19 Arbeitsunfähigkeit zu attestieren, heißt es in den Empfehlungen. Auch dürfe keinesfalls auf medizinisch notwendige Eingriffe und Therapien verzichtet werden.

 
Ab einer Dauer-Dosierung von etwa 10 mg Kortison muss mit einem schwereren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung und der Notwendigkeit von Krankenhauseinweisungen gerechnet werden. Prof. Dr. Christof Specker
 

Selbstverständlich sollten sich auch Rheumapatienten an die allgemein geltenden Hygiene- und Abstandsregeln halten. Außerdem empfiehlt die DGRh die Benutzung der Corona-Warn-App.

 

Kommentar

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