Laut Bundesärztekammer (BÄK) ist das Embryonenschutzgesetz (EschG) vom Januar 1991 überholt. In einem Memorandum zur sogenannten Dreierregel, der Eizellspende und der Embryonenspende hat die BÄK-Arbeitsgruppe „Offene Fragen der Reproduktionsmedizin“ deshalb vorschlagen, das Embryonenschutzgesetz spätestens in der nächsten Legislaturperiode zu reformieren.
Prof. Dr. Peter C. Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats: „Unser Ziel ist es, dem Gesetzgeber konkrete, wissenschaftlich fundierte und möglichst schnell umsetzbare Vorschläge für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes an die Hand zu geben.“ Viele sind betroffen. Nach Angaben der BÄK sind zwischen 1997 und 2017 fast 297.000 Kinder nach extrakorporaler Befruchtung geboren worden.
„Den Regelungen des EschG liegt im Wesentlichen der Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zugrunde“, argumentieren die Autoren eines Memorandums, das die BÄK jetzt vorgestellt hat [1]. In Deutschland nicht geregelte oder verbotene Maßnahmen müssten „geregelt oder aktualisiert“ werden, so das Memorandum weiter. Die Rede ist vor allem von der so genannten Dreierregel bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF).
Dreierregel der IVF sollte aktualisiert werden
Nach den Vorstellungen der BÄK soll die Regel aufgehoben werden. Sie besagt, dass der Frau im Zuge eines Zyklus nicht mehr als 3 Eizellen übertragen werden dürfen und dass auch nicht mehr als 3 Eizellen künstlich befruchtet werden dürfen. Damit will das EschG überzählige Embryonen verhindern und entwicklungsfähige Embryonen schützen, statt von mehreren Embryonen denjenigen auswählen zu müssen, der die besten Chancen auf Entwicklung hat.
Tatsächlich habe die deutsche Praxis zu vielen Mehrlingsgeburten geführt, die Mutter und Kinder mit gesundheitlichen Risiken belastet hätten. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verzeichne man in Deutschland 5-mal mehr höher-gradige Mehrlingsschwangerschaften nach einer Kinderwunschbehandlung, sagt Prof. Dr. Jan-Steffen Krüssel, Vorsitzender des BÄK-Arbeitskreises.
Dadurch werden auch immer mehr Kinder zu früh geboren. Zudem entstünden auch unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen überzählige Embryonen, die dann zum Beispiel „adoptiert“ werden können, hieß es. „Es ist höchste Zeit, das 30 Jahre alte Embryonenschutzgesetz an die aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Nur so lassen sich unnötige seelische Belastungen von Menschen mit Kinderwunsch vermeiden und gesundheitliche Risiken für werdende Mütter und ihre Kinder minimieren“, sagt Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der BÄK.
Das Memorandum schlägt vor, die Zahl der übertragenen Embryos im Zuge des sogenannten elective Single Embryo Transfers (eSET) auf 2 zu begrenzen. Denn durch neue Verfahren lasse sich „heute differenzierter einschätzen, welche Embryonen sicher nicht entwicklungsfähig sind und welche potenziell entwicklungsunfähig eingestuft werden können“, so das Memorandum.
Kommerzialisierung verboten
Außerdem fordert der BÄK-Arbeitskreis, das Verbot der Eizellspende aufzuheben und die Spende zu erlauben – wenn auch in „engen Grenzen“, wie es hieß. So soll etwa der Handel mit Eizellen verboten werden. Seit dem EschG ist die Eizellspende in Deutschland im Gegensatz zur Samenspende verboten. Grund für das Verbot ist die Befürchtung, die nach einer Eizellspende geborenen Kinder könnten in ihrer Identitätsfindung gestört werden.
Diese Befürchtung habe sich aber nicht bestätigt, so das Memorandum. „Umfangreiche aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die sozio-emotionale Entwicklung der mittels Eizellspende gezeugten Kinder normal und die Eltern-Kind-Beziehung im Wesentlichen unauffällig ist“, so die Autoren.
Auch das Argument der „gespaltenen Mutterschaft“ wurde angeführt, um die Eizellspende zu verbieten. Allerdings sei es nicht mehr zwingend, meinen die Autoren, da in Deutschland inzwischen viele Kinder nach der „Adoption“ von Embryonen geboren wurden, bei der die genetische und die austragenden Mutter ebenfalls nicht identisch sind.
Unterdessen gehen viele Paare ins Ausland, um dort mit gespendeten Eizellen eine Schwangerschaft herbeizuführen. Dies sei schon deshalb problematisch, da im Ausland oft anonym gespendete Eizellen verwendet würden, hieß es. Denn dadurch werde das in Deutschland geltende Recht des Kindes, seine Abstammung zu kennen, eingeschränkt. Wäre die Eizellspende auch hierzulande erlaubt, würde dieses Problem entfallen.
Embryonenspende aus der Grauzone holen
In einer Grauzone spielt sich in Deutschland die Embryonenspende ab. Sie ist nicht verboten, aber auch nicht gesetzlich geregelt. Das wollen die Autoren des Memorandums ändern. Der Gesetzgeber verzichtet bisher auf ein Verbot, um überzählige Embryonen nach einer Kinderwunschbehandlung durch die Spende an ein anderes potenzielles Elternpaar als werdendes Leben zu schützen.
Laut Memorandum sollten Verfahren und Rechtsfolgen der Embryonenspende gesetzlich geregelt werden. Außerdem müssten die Eltern in die Entscheidung einbezogen und besser informiert werden, um zu entscheiden, was mit den überzähligen Embryonen ihrer Kinderwunschbehandlung geschehen soll.
Die Diskussionen um ein neues Embryonenschutzgesetz werden im Bundestag nicht einfach werden, wie die Positionen einiger Politikerinnen zeigen.
Schwierige Diskussion im Bundestag
Katja Keul, rechtpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, begrüßt das BÄK-Memorandum. „Das strafrechtliche Verbot der Eizellspende sollte in dieser Form nicht aufrechterhalten werden“, sagt sie zu Medscape. „Dabei ist klar, dass die Eizellspende restriktiver geregelt werden muss als die Samenspende. Die Zulässigkeit der Eizellspende könnte zum Beispiel im ärztlichen Berufsrecht geregelt werden.“
Auch die Embryonenspende müsste endlich geregelt werden, meint Keul. „Derzeit ist sie ungeregelt und findet statt. Das ist eine ungute Grauzone.“
Katrin Helling-Plahr, Gesundheitsexpertin der FDP-Bundestagfraktion, kritisiert die „überkommenen gesetzlichen Verbote“ des EschG. Sie seien von den Formen des familiären Zusammenlebens und der Reproduktionsmedizin überholt worden. Deshalb begrüße die FDP den Vorstoß der BÄK.
Zudem verweist Helling-Plahr auf ein FDP-Positionspapier vom September 2019 sowie auf einen Gesetzentwurf vom März 2020, der auf dem Positionspapier aufsetzt. Die FDP will „die Eizellspende legalisieren, die Embryonenspende aus der rechtlichen Grauzone herausholen „und auch die altruistische Leihmutterschaft unter Auflagen ermöglichen“, so Helling-Plahr. „Wieso warten auf die nächste Legislaturperiode?“
Wesentlich zurückhaltender dagegen Karin Maag von der CDU-Bundestagsfraktion: Das bestehende EschG gewähre als früheste Form menschlichen Lebens einen hohen Schutz für den Embryo. „Ich bin dafür, dass wir diesen Schutzstandard beibehalten. Persönlich lehne ich – auch aus frauenpolitischen Gründen – die Forderungen nach der Legalisierung der Eizellspende ab“, so Maag auf Anfrage.
„Bei der Embryonenspende würde auch ich mir klare Regelungen für eine Erlaubnis wünschen – unter der Voraussicht, dass wir dabei zweifelsfrei klären können, dass sie sich auf bereits vorhandene, sogenannte überzählige Embryonen beschränkt.“ Maag verweist zugleich auf den grundsätzlich Charakter der Sache. Deshalb müsse die Gesellschaft sich auch fragen, wo sie „klare Grenzen des Machbaren“ setzen wolle.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Aus einer anderen Zeit? BÄK will Überarbeitung von Dreierregel, Eizell- und Embryonenspende im Embryonenschutzgesetz - Medscape - 16. Sep 2020.
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