Hintergrund
Eine 26-jährige schwangere Frau (Gravida III, Para II) mit einer seit 38 Wochen und 3 Tagen bestehenden Schwangerschaft rief den Notdienst, nachdem sie 3 Tage lang Husten hatte. Sie berichtete auch von zunehmender Atemnot seit dem Einsetzen des Hustens. Sie klagte auch über Müdigkeit, doch sei diese eigentlich nicht schlimmer als in der bisherigen Schwangerschaft.
Bei der Durchsicht der Patientenakte der Frau stellte man fest, dass die Patientin 5 Tage vor ihrem Anruf beim Notdienst eine anstehende Eiseninfusion abgesagt hatte, weil sie sich unwohl fühlte. Zu diesem Zeitpunkt beschrieb sie Übelkeit und Durchfall ohne Erbrechen. Sie führte diese Symptome auf den Verzehr eines nicht ausreichend durchgegarten Hamburgers zurück.
Die Patientin suchte am nächsten Tag ihre Hebamme in deren Praxis auf. Am darauffolgenden Tag erhielt sie dann ihre Eiseninfusion. Ihr Husten setzte am Tag nach der Infusion und 2 Tage vor dem Anruf bei dem Notdienst ein. Die Patientin hatte mehrmals ihre Temperatur kontrolliert, war aber fieberfrei geblieben.
Zur geburtshilflichen Anamnese der Patientin
Sie hatte in früheren Schwangerschaften spontan vaginal entbunden. In der aktuellen Schwangerschaft hatte sich eine Anämie entwickelt, die mit Eiseninfusionen behandelt wurde. Sie hatte anamnestisch 3 Jahre zuvor einen positiven Tuberkulin-Hauttest gehabt, jedoch ein negatives QuantiFERON-TB Gold-Testergebnis (immunologischer Nachweis einer Tuberkulose-Infektion). In ihrem direkten persönlichen Umfeld hatte es eine COVID-19-Erkrankung gegeben.
5 Tage bevor die Patientin beim Notdienst anrief, hatte sie an einem Gottesdienst teilgenommen. Sie stellte fest, dass einer der anderen Teilnehmer 4 Tage nach dem gemeinsamen Kirchenbesuch positiv auf COVID-19 getestet worden war. Die Patientin hatte anschließend Kontakt zu Familienangehörigen der betroffenen Person, darunter eine Mutter und deren Kind im Vorschulalter. Zu dem Kind hatte sie einen Abstand von weniger als 1,5 m gehalten, zur Mutter hatte sie den Abstand gewahrt.
Der Ehemann der Patientin, der ebenfalls in der Kirche gewesen war, entwickelte am selben Tag wie die Patientin selbst einen Husten. Er bekam leichtes Fieber (38,1° C). Ihre 20 Monate alte Tochter bekam ebenfalls Husten, blieb aber fieberfrei.
COVID-19-Diagnose
Nach dem Anruf der Patientin benachrichtigte der Notdienst die Hebamme. Nach weiterer Rücksprache mit der COVID-19-Hotline der Klinik und Benachrichtigung der Hausarztpraxis wurde der Patientin und ihrer Familie empfohlen, sich auf das Corona-Virus testen zu lassen. Der Notarzt, der Kinderarzt und die Hebamme trafen am folgenden Tag mit der Familie in der Not-Ambulanz zusammen. Alle Mitglieder des Teams trugen ihre komplette persönliche Schutzausrüstung (PSA). Jedem der 3 Familienmitglieder wurden mehrere Nasopharynx- und Oropharynx-Abstriche entnommen. Ein Probensatz wurde an ein staatliches Untersuchungslabor und ein weiterer an ein privates Labor geschickt.
In beiden Einrichtungen wurde das Material per PCR untersucht. Ein 3. Probensatz wurde zur Untersuchung auf virale Erreger von Atemwegserkrankungen ebenfalls an ein privates Labor geschickt.
Die Hebamme überprüfte die Herztöne des Fetus, die normal waren, und befragte die Patientin eingehend. Die positiven Testresultate aus den Labors erreichten die Patientin und ihren Ehemann am Folgetag. Die Ergebnisse der Bestätigungstests gingen 5 Tage später ein und waren ebenfalls positiv. Die Tests der Tochter waren negativ bis auf einen positiven oropharyngealen Abstrich. Die Patientin wurde telefonisch über diese Ergebnisse informiert.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Schwanger und COVID-19-krank: So funktioniert unter diesen Umständen eine erfolgreiche, vaginale Geburt - Medscape - 14. Sep 2020.
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