Amyotrophe Lateralsklerose: Natriumphenylbutyrat plus Taurursodiol als neue Strategie? Es könnte funktionieren

Michael Simm

Interessenkonflikte

14. September 2020

Bei Patienten mit schnell fortschreitender amyotropher Lateralsklerose (ALS) haben sich Funktionsverluste unter Natriumphenylbutyrat plus Taurursodiol gegenüber Placebo über 24 Wochen verlangsamt. Bei einer Vielzahl anderer Messwerte gab es allerdings keine signifikanten Unterschiede, berichten Forscher um Dr. Sabrina Paganoni von der Harvard Medical School Boston im New England Journal of Medicine [1].

Erste Hinweise im Tiermodell

Hauptmerkmal der in der Regel progredient und fatal verlaufenden amyotrophen Lateralsklerose ist ein Niedergang von Neuronen des motorischen Nervensystems. Substanzen, die unter anderem in Tiermodellen für ALS neuroprotektive Effekte gezeigt haben, sind das Salz Natriumphenylbutyrat und die Gallensäure Taurursodiol (Tauroursodeoxycholsäure). Berichte über deren Sicherheit gibt es allerdings bisher nur für einige individuelle Patienten. Deshalb haben Paganoni und Kollegen eine klinische Studie initiiert.

Design der CENTAUR-Studie

CENTAUR war eine randomisierte, placebo-kontrollierte Studie der Phase 2 an 25 US-amerikanischen Zentren mit 137 ALS-Patienten, die maximal 18 Monate nach Beginn ihrer Symptome aufgenommen wurden. Sie erhielten während der ersten 3 Wochen 1 Mal täglich und danach 2 Mal täglich 3 g Natriumphenylbutyrat und 1 g Taurursodiol oder Placebo. Forscher erfassten, wie sich der Gesamtwert auf der ALS Functional Rating Scale-Revides (ALSFRS-R) über 24 Wochen hinweg verschlechterte. Diese Skala hat eine Spannbreite von 0 bis 48, wobei höhere Werte eine bessere Funktion bedeuten.

Langsamere Verschlechterung von Symptomen

Mit der Studienmedikation nahm der ALSFRS-R um durchschnittlich 1,24 Punkte pro Monat ab, unter Placebo waren es 1,66 Punkte. Die Differenz von 0,42 Punkten pro Monat hatte ein 95%-Konfidenzintervall von 0,03 bis 0,81 und war statistisch signifikant (p=0,03).

Bei den sekundären Endpunkten wie der Abnahme der Muskelstärke, der Vitalkapazität, der Zeit bis zum Tod und der permanenten Beatmungspflicht gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Nebenwirkung der Studienmedikation waren vorwiegend gastrointestinaler Natur. 19% der Patienten mussten die Studie deshalb abbrechen.

Die signifikante Verlangsamung des Funktionsverlustes bei der ALS darf zwar als Erfolg gelten, allerdings wurde sie hier lediglich für einen der insgesamt 10 erfassten Parameter dokumentiert.

Vorsichtig optimistisches Fazit – aber weitere Studien erforderlich

Dr. Michael Benatar vom University of Miami Miller School of Medicine, Miami, und Dr. Michael P. McDermott vom University of Rochester Medical Center, Rochester, haben sich detailliert mit den Ergebnissen befasst. In einem begleitenden Kommentar [2] merken sie an, es seien vorwiegend Patienten mit schnellem Krankheitsverlauf eingeschlossen worden, was Fragen zur Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation der ALS-Patienten aufwerfe.

Hier, so ihre Vermutung, könne der therapeutische Effekt womöglich kleiner ausfallen. Dies sollte – darin sind sich die Kommentatoren und die Studienautoren einig – in einer größeren und womöglich auch längeren Studie der Phase 3 überprüft werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....