ARB versus ACE-Hemmer: Candesartan punktet in kleiner Studie mit positivem Einfluss auf die Kognition

Interessenkonflikte

10. September 2020

Der AT1-Rezeptorantagonist (ARB) Candesartan ist mit einem besseren kognitiven Outcome bei älteren Erwachsenen mit Hypertonie und leichter kognitiver Beeinträchtigung verbunden als der ACE-Hemmer Lisinopril. Dies ist das Ergebnis einer neuen randomisierten Studie, die in JAMA Network Open veröffentlicht worden ist [1].

„Obwohl weitere größere und längerfristig angesetzte Studien erforderlich sind, liefert diese randomisierte klinische Studie wieder zusätzliche Belege für die positiven kognitiven Wirkungen von Candesartan, die wahrscheinlich unabhängig sind, also einen zusätzlichen Effekt neben der blutdrucksenkenden Wirkung darstellen“, so die Autoren unter Leitung von Dr. Ihab Hajjar von der Emory University School of Medicine in Atlanta.

 
Obwohl weitere größere und längerfristig angesetzte Studien erforderlich sind, liefert diese randomisierte klinische Studie wieder zusätzliche Belege für die positiven kognitiven Wirkungen von Candesartan. Dr. Ihab Hajjar
 

„Diese Ergebnisse helfen bei der Hypothesengenerierung und rechtfertigen es auch, größere Studien durchzuführen. Doch eröffnen die ARB im Allgemeinen und Candesartan im Speziellen auch eine faszinierende therapeutische Möglichkeit bei kognitiven Störungen im Rahmen von mit vaskulären Hirnschädigungen, vor allem wenn man es zusammen mit früheren Beobachtungsstudien betrachtet“, schreiben die Autoren weiter.

„Gegenwärtig existieren keine Wirkstoffe gegen leichte kognitive Störungen der exekutiven Funktionen oder andere kognitive Beeinträchtigungen, die ja mit steigendem Alter der Bevölkerung immer häufiger in Erscheinung treten“, sagen sie. Daher seien weitere Untersuchungen der ARB bei diesen Fragestellungen sehr wichtig.

Prof. Dr. Jeff Williamson, Professor für Gerontologie und geriatrische Medizin an der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem, North Carolina, der nicht an der Studie beteiligt war, kommentierte die Ergebnisse für Medscape: „Das sind wichtige Resultate. Und sie stützen das Bild, dass die ARB aufgrund ihres kognitiven Benefits den ACE-Hemmern und vielleicht auch anderen Antihypertensiva überlegen sein könnten.“

 
Die Studiendauer war relativ kurz, was nur den Bedarf nach einer größeren Studie unterstreicht. Prof. Dr. Jeff Williamson
 

Williamson, der die jüngste SPRINT-MIND-Studie leitete, nach der eine aggressive Blutdruckkontrolle das Risiko leichter kognitiver Beeinträchtigungen senkt, fügte hinzu: „Man sieht, dass bei dieser Studie ein wissenschaftlich diszipliniert arbeitendes Team zu Werk gegangen ist. Aber mir ist auch aufgefallen, dass die Zahl der Studienabbrecher ziemlich signifikant und die Studiendauer relativ kurz war, was nur den Bedarf nach einer größeren Studie unterstreicht.“

In dem Artikel erklären Hajjar und Kollegen, dass nach den Studien eine antihypertensive Therapie bei Personen ohne kognitive Beeinträchtigungen einen protektiven Faktor darstelle. Dabei bleibe jedoch offen, ob dies auch für Personen gilt, die bereits Symptome einer kognitiven Störung aufweisen.

 
Die Resultate stützen das Bild, dass die ARB aufgrund ihres kognitiven Benefits den ACE-Hemmern und vielleicht auch anderen Antihypertensiva überlegen sein könnten. Prof. Dr. Jeff Williamson
 

Darüber hinaus haben vergleichende Studien zum kognitiven Outcome einer antihypertensiven Behandlung an Personen mit bereits bestehenden kognitiven Beeinträchtigungen nur begrenzte Aussagekraft. Es bleibt dabei unklar, ob die Effekte mit der Blutdrucksenkung oder mit möglichen pleiotropen Wirkungen bestimmter Antihypertensiva zusammenhängen. Daher sei der Vergleich von verschiedenen Antihypertensiva-Klassen unabhängig vom Grad der Blutdrucksenkung kritisch zu betrachten, merkten sie weiter an.

Vergleich zweier Antihypertensiva

Für die aktuelle Studie wurden 176 Personen im Alter von mindestens 55 Jahren oder älter mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und Hypertonie zufällig von einer bestehenden antihypertensiven Therapie auf Candesartan (bis zu 32 mg einmal täglich) oder Lisinopril (bis zu 40 mg einmal täglich) umgestellt. Die Teilnehmer wurden zu Studienbeginn sowie nach 6 und 12 Monaten einer kognitiven Untersuchung unterzogen. Zu Studienbeginn und nach 12 Monaten wurde zudem eine kraniale Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt.

Insgesamt beendeten 141 Teilnehmer die Studie: 77 in der Candesartan-Gruppe und 64 in der Lisinopril-Gruppe. Sowohl in der Candesartan- als auch in der Lisinopril-Gruppe wurden nach 12 Monaten ähnliche mittlere Blutdruckwerte erreicht (130 vs. 134 mmHg).

Nach Adjustierung des systolischen Blutdrucks und der Stratifikationsvariablen war Candesartan dem Lisinopril in Bezug auf das primäre Outcome der exekutiven Funktionen überlegen. Das Funktionsniveau wurde mithilfe des TMT-B (Trail Making Test, Teil B; Effektgröße = -12,8) bestimmt. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied beim NIH-EXAMINER (Measures and Instruments for Neurobehavioral Evaluation and Research), einem anderen Messwert für das primäre Outcome der exekutiven Funktionen zwischen den beiden Gruppen (Effektgröße = -0,03).

Candesartan war Lisinopril auch in Bezug auf das sekundäre Outcome des episodischen Gedächtnisses überlegen. Dieser Parameter wurde mithilfe des „Hopkins Verbal Learning Test – Revised“ für die Items „verzögertes Erinnern“ (HVLT-R DR; Effektgröße = 0,4) und „Retention“ (Überführung ins Langzeitgedächtnis; Effektgröße = 5,1) bestimmt.

Es gab keine signifikanten Unterschiede in den weiteren sekundären Outcomes zur kognitiven Leistungsfähigkeit im „Boston Naming Test“ und „Digit Span Test“ oder bei den Funktionsbewertungen im „Instrumental Activities of Daily Living“ oder „Dysexecutive Functioning Questionnaire“.

Die Untersucher vermuten, dass das Ausbleiben eines Effekts auf Funktionsparameter möglicherweise auf die kurze Studiendauer in Kombination mit einem möglichen Deckeneffekt zurückzuführen ist, da die betroffene Population zu Beginn der Studie funktional unabhängig war.

Die MRT-Befunde zeigten, dass diejenigen, die zufällig Candesartan erhalten hatten, im Vergleich zur Lisinopril-Gruppe geringfügigere Läsionen in der weißen Substanz aufwiesen (0,2 vs. 0,8 mm3). Eine Adjustierung an die Basiswerte führte zu keiner signifikanten Ergebnisänderung.

„Diejenigen, die zufällig Lisinopril bekamen, zeigten signifikant mehr Läsionen in der weißen Substanz als Patienten aus der Candesartan-Gruppe“, so die Autoren. „Die Studie legt damit nahe, dass ARB bei gematchten antihypertensiven Effekten kurzfristig eine neurokognitiv protektive Wirkung auf exekutive Funktionen bieten. Dies ist die zweite klinische Studie bei Hypertonie und leichter kognitiver Beeinträchtigung, die Hinweise auf einen solchen günstigen Effekt liefert.“

„In dieser Studie haben wir jedoch auch gesehen, dass Candesartan das Gedächtnis positiv beeinflussen kann, was auf eine Rolle bei Gedächtnisstörungen wie der Alzheimer-Krankheit schließen lässt“, fügten sie hinzu.

Neurokognitiver Benefit von Candesartan?

Die Autoren vermuten, dass der neurokognitive Benefit unter Candesartan möglicherweise auf eine selektive Blockade des AT1-Rezeptors zurückzuführen ist, wodurch der AT2-Rezeptor aktiv bleiben kann. In Tierstudien hätte die positive Wirkung von AT2-Rezeptoragonisten im Gehirn gezeigt werden können, darunter eine erhöhte zerebrale Durchblutung nach Hirnverletzungen, eine verminderte Hyperoxid-Produktion sowie schwächere Anzeichen für Entzündungen und Axondegenerationen. Darüber hinaus reduzierten ARB Entzündungsmarker stärker als ACE-Hemmer und beseitigten möglicherweise über eine Stimulation des AT2-Rezeptors die endotheliale Dysfunktion.

 
Diese auf kognitiven Tests basierenden Ergebnisse sind zwar vielversprechend, doch wären vor einer Änderung der Therapieempfehlungen weitere Untersuchungen mit klinischen Outcomes … entscheidend. Prof. Dr. Jeff Williamson
 

Williamson forderte dazu auf, sich in zukünftigen Studien um belastbarere klinische Ergebnisse zu bemühen: „Diese auf kognitiven Tests basierenden Ergebnisse sind zwar vielversprechend, doch wären vor einer Änderung der Therapieempfehlungen weitere Untersuchungen mit klinischen Outcomes wie leichter kognitiver Beeinträchtigung und Demenz entscheidend.“

„Es gab Studien, die nach dem besten Antihypertensivum mit Blick auf das kardiovaskuläre Outcome suchten. Vielleicht ist jetzt die Zeit für ähnliche Studien gekommen, die sich mit dem zerebralen Outcome hinsichtlich leichter kognitiver Beeinträchtigungen und Demenz befassen“, fügte er hinzu.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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