Erstes Medikament gegen hypertrophe Kardiomyopathie (HCM): Mavacamten erweist sich als wirksam und verträglich

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

31. August 2020

Amsterdam – Erstmals scheinen Forscher einen spezifisch bei der obstruktiven hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) wirksamen Arzneistoff gefunden zu haben. Der Myosin-Modulator Mavacamten verbesserte laut Phase-3-Studie EXPLORER-HCM signifikant die Belastbarkeit, den linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT), die NYHA-Klasse und den Zustand der Patienten im Vergleich zu Placebo bei gleichzeitig guter Verträglichkeit.

Prof. Dr. Iacobo Olivotto, Careggi Universitätsklinik, Florenz, präsentierte die Ergebnisse dieser bislang größten randomisierten Studie bei Patienten mit HCM beim virtuellen ESC-Congress 2020 Ende August und publizierte sie parallel im Lancet [1,2].

„Die Ergebnisse dieser Studie betonen den Nutzen einer Erkrankungs-spezifischen Therapie bei hypertropher Kardiomyopathie“, so das Fazit des italienischen Kardiologen. „Mavacamten erfüllt das Versprechen einer neuen pharmakologischen Therapie.“

 
Mavacamten erfüllt das Versprechen einer neuen pharmakologischen Therapie. Prof. Dr. Iacobo Olivotto
 

Auch Prof. Dr. Franco Cecchi, Universität von Florenz, beurteilte als Diskutant der Studie Mavacamten als vielversprechende neue Substanz, die bei ausgewählten Patienten mit obstruktiver HCM Symptome und NYHA-Funktionsklasse bessere und gleichzeitig den LVOT reduziere. „Es könnte die Therapie der ersten Wahl bei älteren Patienten mit sorgfältiger Dosistitration werden.“ 

 
Es könnte die Therapie der ersten Wahl bei älteren Patienten mit sorgfältiger Dosistitration werden. Prof. Dr. Franco Cecchi
 

Seiner Ansicht nach sind weitere Studien erforderlich, um die optimale Dosierung und die richtigen Selektionskriterien zur Patientenauswahl zu finden. Langzeitdaten seien natürlich auch erforderlich.

Im begleitenden Editorial im Lancet meinen Dr. Michael Papadakis und seine Kollegen vom St. George’s University Hospital, London, dass Mavacamten aufgrund seiner Effekte eine Alternative zur invasiven Therapie werden könne [3]. Tierexperimente hätten gezeigt, dass sich bei älteren Mäusen die Hypertrophie unter Mavacamten teilweise zurückgebildet habe.

Die Eignung als krankheitsmodifizierende Therapie bei HCM müsse aber erst noch bewiesen werden. Würde sich dies dann auch bei jüngeren Patienten belegen lassen, wäre Mavacamten wirklich ein Meilenstein in der Therapie von erblichen Kardiomyopathien.

Hypertrophe Kardiomyopathien – wenig pharmakologische Therapiemöglichkeiten

Zum Hintergrund: Etwa 1 von 500 Menschen leidet an der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM). Sie ist durch eine erhöhten Wanddicke des linken Ventrikels charakterisiert, die nicht durch andere kardiale oder systemische Erkrankungen erklärt werden kann. Die meisten HCM-Patienten haben eine obstruktiven Form, bei der eine Kombination aus kardialer Hypertrophie, vermehrter Kontraktilität und abnormen Mitralklappenbewegungen den Blutfluss vom linken Ventrikel in die Aorta vermindert, was als Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) bezeichnet wird.

Häufige Symptome bei HCM sind Dyspnoe, Brustschmerzen, Palpitationen oder Fatigue. Manche Patienten haben nur wenige oder gar keine Symptome. Bei anderen beeinträchtigen Beschwerden die Lebensqualität erheblich.

Die derzeitige Therapie ist primär symptomatisch ausgerichtet und beinhaltet Betablocker, Calciumkanalblocker vom Nicht-Dihydropyridin-Typ oder Disopyramid.

Bei ungenügender Wirkung ist eine Myektomie des ventrikulären Septums oder eine alkoholische Septumablation möglich.

Für eine spezifisch wirkende pharmakologische Therapie besteht derzeit also ein hoher Bedarf.

Mavacamten – erster kardialer Myosininhibitor

Mavacamten ist eine oral applizierbare kleinmolekulare Substanz. Sie hemmt selektiv die kardiale Myosin-ATPase und unterbindet die Quervernetzung von Actin- und Myosinfilamenten. Dadurch werden Kontraktilität und Energiehaushalt des Herzmuskels verbessert.

In präklinischen und frühen klinischen Studien senkte Mavacamten die LVOT-Gradienten und verbesserte die Parameter der linksventrikulären Füllung. In der  Phase-2-Studie PIONEER-HCM erwies sich die neue Substanz als gut verträglich und reduzierte die LVOT-Gradienten bei Patienten mit obstruktiver HCM.

Design der EXPLORER-HCM-Studie

In der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Phase-3-Studie EXPLORER-HCM wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Mavacamten versus Placebo über 30 Wochen bei Patienten mit einem LVOT-Gradienten ≥ 50 mmHg und Symptomen der NYHA-Klasse II-III verglichen.

128 Patienten erhielten Placebo, und 123 Patienten bekamen Mavacamten in individualisierter Dosierung von 2,5, 5, 10 oder 15 mg. Ziel war es, den LVOT-Gradienten auf unter 30 mmHg zu senken und eine Plasmakonzentration zwischen 350 und 700 ng/ml Mavacamten zu erreichen.

Die demographischen Parameter der 2 Gruppen waren ähnlich.

Der primäre Endpunkt galt als erreicht, wenn nach 30 Wochen eine der 2 Bedingungen im Vergleich zum Ausgangswert erfüllt war:

  • Anstieg der maximalen Sauerstoffaufnahme (pVO2) um ≥ 1,5 ml/kg pro Minute bei gleichzeitiger Verbesserung um ≥ 1 NYHA-Klasse oder

  • Anstieg der pVO2 um ≥ 3,0 m/kg pro Minute ohne Verschlechterung der NYHA-Klasse.

Mavacamten bei primären und sekundären Endpunkten wirksamer als Placebo

Eine der beiden Bedingungen erreichten in der Mavacamten-Gruppe 45/123 Patienten (36,6%), in der Placebo-Gruppe 22/128 Patienten (17,2%) (p=0,0005).

Beide Bedingungen des primären Endpunkts erreichten 25/123 Mavacamten-Patienten (20,3%) und 10/128 Placebo-Patienten (7,8%) (p=0,0005)

Auch in allen sekundären Endpunkten war Mavacamten signifikant wirksamer als Placebo:

  • Der LVOT-Gradient nach Belastung sank unter Mavacamten mit -47 mm Hg deutlich stärker als unter Placebo mit -10 mm Hg (p<0,0001).

  • Der PVO2 nahm unter Mavacamten um 1,4 ml/kg pro Minute zu, unter Placebo fiel er um 0,05 ml/kg pro Minute (p=0,0006).

  • 65% der Mavacamten-Patienten besserten sich um mindestens 1 NYHA-Klasse, in der Placebo-Gruppe waren es 31,3% (p<0,0001)

  • Die Lebensqualität – gemessen mit dem KCCQ-CSS – und die durch die HCM verursachten Beschwerden – erhoben mit dem HCMSQ-SoB - verbesserten sich mit Mavacamten ebenfalls signifikant im Vergleich zu Placebo.

  • Als exploratorischer Endpunkt wurde ein komplettes Ansprechen – definiert als NYHA-Klasse I und LVOT-Gradienten unter 30 mm Hg – bei 27,4% der Mavacamten und bei 0,8% der Placebo-Patienten erreicht.

Günstiges Sicherheitsprofil

Mavacamten erwies sich als sehr gut verträglich. 97% der Patienten durchliefen die gesamte Studiendauer von 30 Wochen. 3 Patienten brachen die Therapie wegen Nebenwirkungen ab, 2 unter Mavacamten, 1 unter Placebo. Schwere Nebenwirkungen traten bei 11 Patienten unter Mavacamten und bei 20 Patienten unter Placebo auf.

Bei insgesamt 7 Patienten unter Mavacamten und bei 2 Patienten unter Placebo sank die linksventrikuläre Auswurffraktion unter 50%. Nach Absetzen der Therapie normalisierte sie sich wieder. Diskutant Cecchi ist deshalb der Ansicht, dass die Dosis sehr sorgfältig titriert und die LVEF überwacht werden muss.

 

Kommentar

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