Paradigmenwechsel für junge Typ-1-Diabetiker? Mit Closed-Loop-System „eine perfekte Nacht“

Kurt-Martin Mayer

Interessenkonflikte

28. August 2020

Moderne Closed-Loop-Systeme (CLS) sind inzwischen so gut, dass sie die Blutzuckereinstellung bei Typ-1-Diabetikern im Kindes- und Jugendalter verbessern können. In einer 16-wöchigen randomisierten Multicenterstudie kommt die International Diabetes Closed Loop Trial Research Group unter Leitung von Dr. Marc D. Breton zu dem Ergebnis, dass die Glukosewerte bei CLS längere Zeit innerhalb des Zielbereichs sind als bei getrennter Verwendung einer Insulinpumpe plus Glukosesensor [1]

Insgesamt 101 Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren wurden für die Studie randomisiert, 78 in die CLS-Gruppe, und 23 in die Kontrollgruppe. Alle Teilnehmer erhielten zudem eine zusätzliche Schulung. 

Für Prof. Dr. Thomas Danne, Abteilung für Allgemeine Pädiatrie mit Schwerpunkt Kinderendokrinologie und -diabetologie am Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover, zeigt die Untersuchung einen „Paradigmenwechsel“ an. Voraussetzung sei allerdings, dass die Ergebnisse sich bestätigen ließen. Für die Patienten bedeute das Ergebnis offenbar, „dass man mit einem Closed-Loop-System eine perfekte Nacht haben kann“. 

 
Das Studienergebnis zeigt, „dass man offenbar mit einem Closed-Loop-System eine perfekte Nacht haben kann“. Prof. Thomas Danne
 

2,5 Stunden länger im Zielbereich mit CLS

Die HbA1c-Werte lagen zu Beginn bei den Studienteilnehmern zwischen 5,7 und 10,1%. Primärer Endpunkt war der Prozentsatz an Zeit mit Glukosewerten im Zielbereich zwischen 70 und 180 mg/dl. In der CLS-Gruppe stieg er im Durchschnitt von 53 mg/dl (+/-17%) auf 67 mg/dl (+/-10%), in der Kontrollgruppe von 51 mg/dl (+/-16%) auf 55 mg/dl (+/-13%) (KI 95%, p<0,001). Das heißt, Mitglieder der CLS-Gruppe befanden sich 2,6 Stunden pro Tag mehr im Zielbereich, verglichen mit der Kontrollgruppe. 

Interessant war auch der Tag-Nacht-Vergleich: Im Zeitraum zwischen 6 und 24 Uhr (als Tag definiert) befanden sich die CLS-Anwender durchschnittlich 63% der Zeit im Zielbereich; bei der Kontrollgruppe waren es 56%. Nachts (also zwischen 24 und 6 Uhr morgens) fiel der Unterschied mit 80% gegenüber 54% noch deutlicher aus. 

In punkto Hypoglykämien waren beide Gruppen gut: Die durchschnittliche Zeit, in der der Glukosewert 70 mg/dl unterschritt, betrug nur 1,6% beziehungsweise 1,8%. In keiner der Gruppen kam es zu einer Ketoazidose oder zu einer schweren Hypoglykämie. Allerdings wurden in der CLS-Gruppe 14 Fälle von Hyperglykämie oder erhöhtem Gehalt an Ketonkörpern in das Studienprotokoll aufgenommen, aus der Kontrollgruppe nur 1. Details geben die Autoren hier nicht an.

Ein Hersteller legt vor, die Konkurrenz zieht nach

Finanziert wurde die Arbeit vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases, vor allem aber von der Firma Tandem Diabetes Care. Unternehmensmitarbeiter konnten das Manuskript vor der Einreichung beim Journal überprüfen. 

Die Software von Tandem wurde in den USA kürzlich ab einem Alter von 14 Jahren zugelassen. In Deutschland ist das System noch nicht auf dem Markt. Es wird an einen Glukosesensor und an die Insulinpumpe angeschlossen und regelt die Abgabe von Insulin in Abhängigkeit von den aktuellen Blutzuckerwerten. Deshalb wird es auch als „künstliche Bauchspeicheldrüse“ bezeichnet.

Das Medtronic-Produkt MiniMed 670g, seit 2018 erhältlich und beworben als weltweit erste Insulinpumpe mit adaptiver basaler Insulinabgabe, wird laut Danne in Deutschland gerne angewendet. „Wir haben die Patienten gut darauf eingestellt“, sagt der Experte. In den USA sei die Zufriedenheit mit diesem System nicht so groß: „Wahrscheinlich ist dort der Eindruck eines Rundum-sorglos-Pakets“ entstanden – und die Patienten seien sich nicht der Mühe bewusst gewesen, die es kostet, um damit tatsächlich im so genannten „Auto Mode“ zu bleiben. Doch dies sei vor allem eine Frage der Schulung. 

Danne wünscht sich eine Vergleichsstudie „head to head“ der Produkte – bei Medtronic stehe ein Nachfolgemodell in der Entwicklung. Für CLS sieht der Diabetesexperte generell „eine große Zukunft“ auch für Jugendliche und Erwachsene. „Gerade als junger Mensch hat man ja nie Zeit, sich um so etwas wie den Bolus zu kümmern.“ 

In den USA liegt der Anteil der Kinder mit Typ-1-Diabetes, deren HbA1c-Wert wie empfohlen unter 7% liegt, bei nur 20%. In Deutschland wird der Wert laut Gesundheitsbericht Diabetes 2018 ebenfalls von weit mehr als der Hälfte aller Kinder nicht erreicht, wobei eine starke Altersabhängigkeit besteht. Am größten sind die Abweichungen zwischen 15 und 18 Jahren. Jungen liegen etwas näher der Norm als Mädchen. Es gibt also noch großes Potenzial um mit Hilfe automatisierter Systeme die Blutzucker-Einstellung der jungen Patienten zu bessern.

 

Kommentar

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