Wiederkehrende Hitzeperioden infolge des Klimawandels führen langfristig dazu, dass urologische Erkrankungen zunehmen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) [1]. Auch die Spermienqualität könnte unter anhaltend hohen Temperaturen leiden und somit die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.
Nieren besonders hitzeanfällig
„Die Nieren spielen eine zentrale Rolle beim Schutz des Menschen vor hitzebedingten Folgen, sind zugleich aber auch selbst Zielorgan hitzeassoziierter Schäden. Das Spektrum reicht dabei von der akuten Nierenschädigung, über eine erhöhte Inzidenz von Nierensteinen und Harnwegsinfekten bis hin zur chronischen Nierenschädigung“, wird Prof. Dr. Ralph Kettritz, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie an der Charité in einer Mitteilung der DGU zitiert. Erste Daten der nationalen US-Wissenschaftsakademie wiesen bereits auf eine Ausweitung des hitzebedingten Nierenstein-Risikogürtels in nördlichere Breiten der USA hin.
Für die Nieren ist es eine besondere Herausforderung, unter extremen Hitzebedingungen Blutsalze (Elektrolyte) und Wasser im Körper zu konservieren und bezüglich Menge und Konzentration in einem Gleichgewichtszustand zu halten. Gelinge dies nicht, verliere der Körper wichtige Stoffe und der renale Blutfluss nehme ab, warnt die Fachgesellschaft. Dazu komme eine maximale Stimulation des antidiuretischen Hormons (ADH), um Wasser zu konservieren. Diese Mechanismen sind an der Entstehung einer akuten Nierenschädigung (AKI, acute kidney injury) beteiligt.
Daneben legen laut DGU empirische Daten nahe, dass hitzebedingt auch Risiken für postoperative Wundinfektionen zunehmen werden. Bestimmte urologische Operationen in kühlere Monate zu verlagern, sei gegenwärtig jedoch noch nicht notwendig, betont Prof. Dr. Joachim Steffens, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Beeinträchtigung der Spermienqualität möglich
Als weitere Auswirkung steigender Umgebungstemperaturen hält Steffens auch eine Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit für denkbar: „Eine erhöhte Umgebungstemperatur der den Samen produzierenden Hoden vermindert die Spermienqualität und kann dadurch die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.“
Als Vergleich führt der Urologe eine Varikozele (Krampfaderbruch) an, welche die Temperatur im Hodensack erhöhe und damit nachweislich die Zeugungsunfähigkeit begünstige. Dieses temperaturbedingte Krankheitsgeschehen bei der Varikozele lasse sich möglicherweise auch auf eine temperaturbedingte Steigerung der Infertilität als Folge des Klimawandels übertragen, argumentiert die DGU.
Bislang gibt es noch keine systematische Forschung zu Einflüssen der Erderwärmung auf Erkrankungen des Harntraktes und der männlichen Geschlechtsorgane. Das will die DGU künftig ändern und plädiert für die Bildung interdisziplinärer Forschungsverbünde, um Wissen über die urologischen Folgen des Klimawandels zu generieren.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: (Hitz-)schlag unter die Gürtellinie: Langanhaltend hohe Temperaturen fördern Harnsteine und könnten Spermien schädigen - Medscape - 19. Aug 2020.
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