Schlaf, Kindlein, schlaf – Musiktherapie scheint Hirnentwicklung Frühgeborener positiv zu beeinflussen

Andrea Hertlein

Interessenkonflikte

19. August 2020

Frühgeborene Kinder haben ein hohes Risiko für Hirnschäden. Dass sich die kreative Musiktherapie positiv auf die neuronale Entwicklung sowie auf bestimmte Hirnregionen bei Frühgeborenen auswirkt, konnten Schweizer Wissenschaftler des Universitätsspitals Zürich in Zusammenarbeit mit dem Universitäts-Kinderspital jetzt erstmals anhand der Bildgebung nachweisen. Die Ergebnisse wurden jüngst in Neuroimage Clinical publiziert [1].

Bei der kreativen Musiktherapie nehmen speziell ausgebildete Therapeutinnen das Atemmuster und physische Anzeichen etwa von Schmerz oder Unruhe der Kinder auf und unterstützen die Kinder durch Singen und Summen im Wiegenliederstil dabei, sich selbst zu regulieren. Wenn möglich werden auch die Eltern in die Therapie einbezogen.

Die Therapie bewirkt augenscheinlich bei den Kindern eine merkliche Entspannung, was sich in der Atemfrequenz, aber auch an Gesten oder am Gesichtsausdruck zeigt. Die körperliche Nähe zu Mutter und Vater verstärkt die positiven Effekte der Therapie. Ob sich die kreative Musiktherapie auch nachweisbar auf die neuronale Entwicklung und bestimmte Hirnregionen auswirkt, wurde nun erstmals untersucht.

MRT-Untersuchung der Kindergehirne im Schlaf

Ziel der randomisierten, kontrollierten Machbarkeitsstudie war es, die Rolle der kreativen Musiktherapie zu prüfen und die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen dieser Therapie auf die strukturelle und funktionelle Konnektivität des Gehirns mit der Magnetresonanztomografie (MRT) zu messen.

Um die Kinder maximal zu schonen, nutzen das Team um die Musikwissenschaftlerin Friederike Haslbeck eine Diffusions-gewichtete MRT (Diffusions-Tensor-/DT-MRT). Das Verfahren erfordert weder eine Injektion von Kontrastmitteln noch den Einsatz von ionisierender Strahlung, heißt es in einer Mitteilung des Instituts.

Insgesamt randomisierten die Schweizer Forscher 82 Säuglinge (Gestationsalter bei Geburt unter 32 Wochen) und teilten sie entweder der kreativen Musiktherapie oder der Standardversorgung zu. Die Frühgeborenen der Musiktherapie-Gruppe erhielten zusätzliche zur üblichen Therapie 2- bis 3-mal wöchentlich Musiktherapie während durchschnittlich 20 Minuten, jedes Kind nach einem individuell erstellten Therapieplan.

Um die kurzfristigen Auswirkungen von kreativer Musiktherapie auf die Struktur und Funktion des Gehirns zu testen, wurden Diffusions-Tensor-Bildgebungsdaten und funktionelle Bildgebungsdaten im Ruhezustand erfasst. Die klinische Durchführbarkeit wurde trotz geringer elterlicher Ablehnung (hauptsächlich in der Kontrollgruppe) nach Randomisierung erreicht, konstatieren die Studienautoren. 40 Kleinkinder blieben als letzte Kohorte für die MRT-Analyse übrig (24 mit Musiktherapie, 16 Kontrollen).

Verbessertes Zusammenspiel in Hirnregionen für Motorik und Sprache

Die Auswertung der Daten zeigte wenig Einfluss der Musiktherapie auf die grundlegenden Strukturen des Gehirns. „Bei den Kindern mit Musiktherapie stellten wir jedoch eine signifikant geringere Verzögerung in den Funktionsprozessen zwischen Thalamus und Hirnrinde, stärkere funktionale Netzwerke und ein verbessertes Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen, unter anderem in den für die Motorik und Sprache relevanten Bereichen, fest“, fasst Haslbeck die Ergebnisse zusammen.

 
Bei den Kindern mit Musiktherapie stellten wir … ein verbessertes Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen, unter anderem in den für die Motorik und Sprache relevanten Bereichen, fest. Friederike Haslbeck
 

Damit konnten die Schweizer Wissenschaftler erstmals mittels Bildgebung einen positiven und damit schützenden Effekt der Musiktherapie auf die Hirnentwicklung nachweisen, betont das Universitätsspital Zürich. In einer groß angelegten Folgestudie in mehreren Neonatologien der Schweiz will Haslbeck nun untersuchen, ob sich die Musiktherapie auch längerfristig positiv auf die Entwicklung der frühgeborenen Kinder auswirkt.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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