Welche Sportler haben eigentlich einen erhöhten Proteinbedarf, und wie lässt sich der am besten decken? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Positionspapier einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung um den Freiburger Sport- und Ernährungsmediziner Prof. Dr. Daniel König [1].
Die Expertengruppe kommt nach Sichtung der vorhandenen Literatur zu dem Schluss, dass die empfohlene Proteinzufuhr für Erwachsene von 0,8 g/kg Körpergewicht erst dann nicht mehr ausreicht, wenn mehr als 5 Stunden Sport pro Woche betrieben werden. Alles darunter sei lediglich ein Ausgleich für hauptsächlich sitzende Tätigkeit schreiben die Experten in der Ernährungsumschau.
Shakes und Eiweißriegel selten nötig
Bei höheren Trainingsumfängen kann eine erhöhte Proteinzufuhr sinnvoll sein, um z.B. den gewünschten Muskelaufbau zu unterstützen. Das werde in Studien zwar häufig über Proteinsupplemente gewährleistet. Die Wissenschaftler weisen aber darauf hin, „dass eine veränderte Proteinzufuhr primär über eine Optimierung der Ernährung erreicht werden sollte“. Denn bisher ist es nach Einschätzung der Expertengruppe nicht möglich zu sagen, ob ein bestimmtes Eiweiß, etwa aus Molke, Ei oder Soja, für den Muskelaufbau besonders günstig ist. Eine Variation der Eiweißquellen sei daher sinnvoll, und abwechslungsreiche Ernährung dafür die beste Garantie.
In dem Positionspapier werden auch gleich Beispiele mitgeliefert, mit welchen Lebensmitteln – von Käsebrot über Sojajoghurt bis hin zu Bratkartoffeln mit Spiegelei – man seinen Eiweißbedarf decken kann.
Allerdings sei in bestimmten Situationen auch der Einsatz von Protein Shakes gerechtfertigt, schreiben die Wissenschaftler. „Bei Lebensmittelunverträglichkeiten, Notwendigkeit zur Energierestriktion oder besonders intensiven oder neuen Trainingsinhalten kann eine Supplementation sinnvoll sein.“
Wie hoch ist der Bedarf?
Internationale Empfehlungen setzen den Proteinbedarf im Sport zwischen 1,2 und 2 g pro kg Körpergewicht an. Das sei nicht als fixe Größe zu verstehen, schreiben die Autoren, sondern müsse an das Training angepasst werden. Wenn ein neues Training begonnen, Muskeln aufgebaut oder gezielt Fett abgebaut werden solle, könne der Proteinbedarf höher sein als in anderen Trainingsphasen. Bei einer geplanten Gewichtsreduktion z.B. könne eine erhöhte Proteinzufuhr dabei helfen, die Muskelmasse zu erhalten und primär Fett abzubauen.
Es gebe allerdings Hinweise darauf, dass Dosierungen von über 1,6 g Protein/kg Körpergewicht kaum noch Auswirkungen haben. „Nach aktuellem Wissenstand ist daher davon auszugehen, dass höhere Dosierungen nur in besonderen Trainingssituationen für ein begrenztes Zeitintervall sinnvoll bzw. zu empfehlen sind“, ist die Schlussfolgerung der Autoren. Denn Nebenwirkungen einer dauerhaft zu hohen Proteinzufuhr von mehr als 2 g/kg Körpergewicht lassen sich nach Ansicht der Expertengruppe nicht ausschließen.
Überflüssige Aminosäuren, die Bestandteile der Proteine, werden u.a. zu Harnstoff abgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Für gesunde Nieren seien bisher zwar keine Schädigungen durch eine hohe Proteinzufuhr nachgewiesen, bei Erkrankungen wie z.B. Diabetes könne die Zusatzbelastung der Nieren aber zu Problemen führen, so das Positionspapier.
Zeitfenster für Proteine
Ein optimales Zeitfenster für die Proteinzufuhr wird häufig in den 2 Stunden direkt nach dem Training gesehen. Die Ergebnisse dazu in Studien seien allerdings kontrovers, urteilt die Expertengruppe. „Es ist bisher noch nicht abschließend geklärt, ob die muskuläre Proteinbiosynthese oder weitere Anpassungseffekte tatsächlich stärker beschleunigt werden, wenn die Proteinzufuhr in der unmittelbaren Nachbelastungsphase oder erst 3 oder 4 Stunden nach Belastung erfolgt.“ Die Proteinbiosynthese sei hingegen nach einer Belastung bis zu 24 Stunden lang erhöht, was darauf hinweisen könne, dass das Zeitfenster nicht allzu eng begrenzt sei.
Auch zur Frage, ob eine gezielte Proteinaufnahme vor dem Training sinnvoll sei, gebe es noch zu wenige Studien. Konsens bestehe darin, dass die Proteinaufnahme insgesamt über den Tag verteilt werden solle und dass nach dem Training leicht verdauliche Proteine sinnvoll seien, schwerer verdauliche wie z.B. Casein eher zu anderen Zeitpunkten.
Ob eine Proteindosis nach einer Belastung die Regeneration verbessert, und z.B. Muskelschmerzen verringert, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Die Expertengruppe sieht Hinweise, dass das bei Ausdauersport wie Radfahren der Fall sein könnte, im Kraftsport hingegen eher nicht.
Proteinquellen
Nachweise dafür, dass irgendeine Eiweißquelle gegenüber einer anderen zu bevorzugen sei, gibt es nach Einschätzung der Expertengruppe nicht – weder sei tierisches Eiweiß grundsätzlich besser als pflanzliches, noch könne man die gezielte Zufuhr einzelner Aminosäuren empfehlen. Deshalb plädieren sie für eine abwechslungsreiche Ernährung mit verschiedenen Proteinquellen.
Damit der Körper das Eiweiß nutzen kann, braucht er allerdings nach Möglichkeit alle essentiellen Aminosäuren. Das heißt, bei manchen Eiweißquellen können Kombinationen sinnvoll sein, deren Aminosäuren-Spektrum sich ergänzt. Getreide und Hülsenfrüchte sind etwa eine solche Kombination. Brot und Linsen müssen dabei aber nicht unbedingt auf demselben Teller landen: „Dabei ist die Zufuhr der zu kombinierenden Lebensmittel über den Tag verteilt ausreichend, es muss nicht in einer Mahlzeit erfolgen“, schreiben die Autoren.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: DGE-Positionspapier zu Eiweiß-Zufuhr im Sport: Ab wieviel Stunden Training der Protein Shake tatsächlich was bringt - Medscape - 18. Aug 2020.
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