25 Jahre Forschung in Heidelberg: Bulevirtid – erster Wirkstoff gegen Hepatitis D und B/D-Ko-Infektion zugelassen

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

11. August 2020

Ein neuer Virusblocker mit dem Wirkstoff Bulevirtid hindert Hepatitis-D-, aber auch Hepatitis-B-Viren daran, in Leberzellen einzudringen. Unter Bulevirtid kommt es zu Besserungen der Leber-Laborwerte, Verringerung der Virus-RNA im Serum und des zirrhotisches Zustandes, die möglicherweise eine komplette Viruselimination erwarten lassen.

 
Bei einer chronischen Infektion muss HDV ständig gesunde Leberzellen befallen, da die erkrankten entweder sterben oder durch das Immunsystem eliminiert werden. Prof. Dr. Stephan Urban
 

Bisher gab es keine zugelassene Medikation gegen Infektionen mit Hepatitis-D-Viren (HDV), die nur gemeinsam mit Infektionen mit Hepatitis-B-Viren (HBV) auftreten. In Deutschland sind nach Schätzungen etwa 6.000 Menschen mit HDV infiziert, weltweit allerdings rund 25 Millionen.

Prof. Dr. Stephan Urban

Bulevirtid (Hepcludex®) blockiert den Gallensalz-Transporter NTCP, der ausschließlich in Leberzellen exprimiert und sowohl von HDV als auch HBV als Zugang (Rezeptor) genutzt wird. „Bei einer chronischen Infektion muss HDV ständig gesunde Leberzellen befallen, da die erkrankten entweder sterben oder durch das Immunsystem eliminiert werden“, berichtet Prof. Dr. Stephan Urban vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Universität Heidelberg. Er hat in 25 Jahren Forschungsarbeit mit seiner Arbeitsgruppe den Wirkstoff entwickelt. „Dadurch verringert sich mit der Zeit die Anzahl infizierter Zellen in der Leber, weil das Virus keine neu gebildeten Zellen mehr befallen kann.“

 
Durch Bulevirtid verringert sich mit der Zeit die Anzahl infizierter Zellen in der Leber, weil das Virus keine neu gebildeten Zellen mehr befallen kann. Prof. Dr. Stephan Urban
 

In mehreren Phase-1- und -2-Studien wurde die gute Verträglichkeit von Bulevirtid auf HDV überprüft und seine Wirksamkeit bestätigt. Vor kurzem hat eine umfangreiche multizentrische Phase-3-Studie begonnen, die die Langzeitwirkung von Hepcludex® und eine mögliche Heilungsrate untersucht.

„PRIME“-Siegel der EMA

Die Zulassung von Hepcludex® zum jetzigen Zeitpunkt war möglich durch ein „PRIME“-Siegel der Europäischen Zulassungsbehörde EMA. Dieses erhielt der Wirkstoff, weil es gegenwärtig keine zugelassene Therapie gegen Hepatitis D gibt und die Phase-2-Studien sehr vielversprechende Ergebnisse gezeigt haben.

Aus diesem Grund wurde es zunächst nur zur Therapie der Hepatitis D bzw. der HBV/HDV-Ko-Infektion, aber noch nicht zur HBV-Therapie zugelassen, wie in der Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg berichtet wird [1].

„Klinisch hat das Medikament aber durchaus gezeigt, dass es über den gleichen Wirkmechanismus auch das Eindringen des Hepatitis B-Virus in die Leberzelle verhindern kann“, berichtet Urban. „Sowohl Hepatitis D-, als auch Hepatitis B-Viren nutzen das gleiche Eingangstor in die Hepatozyten, den Gallensalztransportkanal NTCP. Insofern ist die positive Wirkung von Bulevirtid auf beide Hepatitis-Typen zu erwarten. Da HDV aber keine eigene Hülle kodiert, sondern die von HBV benutzen, ist eine HDV-Infektion immer nur als Ko-Infektion mit B-Viren möglich.“

Bisherige Studienergebnisse erfolgversprechend

In der maßgeblichen Phase-2-Studie wurden 120 Patienten ein halbes Jahr lang behandelt. 90 von ihnen erhielten Bulevirtid in verschiedenen Dosen zusammen mit dem Nukleosid-Analogon Tenofovir, das gegen HBV wirksam ist. 30 Patienten erhielten nur Tenofovir.

In allen 3 Bulevirtid-Armen sank die RNA-Konzentration im Serum, unter Tenofovir allein nicht. Gleichzeitig normalisierten sich unter Bulevirtid die Alanin-Aminotransferase (ALT)-Werte und die Entzündung des Lebergewebes, außerdem ging die Zahl der mit HDV infizierten Hepatozyten stark zurück. Allerdings stiegen diese Werte nach Absetzen der Therapie erneut an, was darauf hinweist, dass die Therapiedauer verlängert werden muss.

Mathematische Berechnungen aufgrund der gemessenen Eliminationskinetik ergaben aber, dass bei der Mehrheit der Patienten nach 2 bis 3 Jahren Bulevirtid-Therapie keine solchen Rückfälle mehr zu erwarten sind.

 
Wir hoffen, dass bei vielen der Studienteilnehmern durch die Therapie über bis zu 3 Jahren die Hepatitis D geheilt werden kann. Prof. Dr. Stephan Urban
 

Eine weitere Phase-2-Studie zeigte dann, dass bei Patienten mit HBV/HDV-Ko-Infektion unter einer Therapiekombination mit Bulevirtid und Interferon-alpha die Viruslast der B- und D-Viren stark und steiler, also schneller, zurückging. Beide Wirkstoffe wirken synergistisch, die Ko-Therapie hat aber durch Interferon bedingte Nebenwirkungen.

Die jetzt begonnene Phase-3-Studie wird auch von der EMA mit Spannung beobachtet. Die darin aufgenommenen Patienten leiden ebenso wie in den bisherigen Studien an manifesten, über Jahre bestehenden HDV/HBV-Ko-Infektionen und teilweise bereits fortgeschrittenen Leberzirrhosen.

„Wir hoffen, dass bei vielen der Studienteilnehmern durch die Therapie über bis zu 3 Jahren die Hepatitis D geheilt werden kann“, erklärt Urban.

Großer Bedarf in Osteuropa und der Dritten Welt

Hepcludex® muss einmal täglich subkutan injiziert werden. Die Nebenwirkungen sind gering und weitaus besser tolerierbar als diejenigen von Interferon, welches zur Therapie von Hepatitis B eingesetzt wird, aber nur sehr geringe Heilungsraten aufweist. Dazu kommt, dass es nur relativ gering dosiert werden muss, da das Virus an mehrere NTCP-Moleküle gleichzeitig binden muss. Dadurch braucht nicht jedes Rezeptormolekül blockiert werden.

„In Deutschland gibt es mit geschätzten 6.000 Fällen verhältnismäßig wenige HDV-Infektionen. Das entspricht etwa 2,5% der mit HBV Infizierten“, berichtet Urban. „Das sieht in anderen Ländern völlig anders aus, besonders in Osteuropa und der Dritten Welt. Dort sterben viele Menschen sehr früh an Leberkrebs, der oft aus einer jahrzehntelang persistierenden HDV-Infektion entsteht.“

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....