Transkript des Videos von Prof. Dr. Martin Reck, Großhansdorf:
Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,
mein Name ist Martin Reck. Ich freue mich, dass ich Ihnen aktuelle Ergebnisse zur Thorax-Onkologie vom ESMO-Kongress 2020 berichten kann.
Wir haben eine Reihe von wichtigen Studien mit wichtigen Ergebnissen gesehen. Ich muss mich tatsächlich auf die allerwichtigsten beschränken, weil sonst die Zeit nicht reichen würde.
In der thorakalen Onkologie gibt es 2 Strategien, die unsere Effektivität relevant verbessert haben, und zwar die zielgerichteten Therapien und die Immuntherapien.
Die zielgerichteten Therapien werden bei Patienten mit bestimmten onkogenen Alterationen eingesetzt. Hierzu gab es auf dem ESMO-Kongress 2 wichtige Studien, und zwar die CROWN-Studie und die ADAURA-Studie.
1: CROWN-Studie mit Lorlatinib
In der CROWN-Studie wurde der ALK-Inhibitor Lorlatinib gegen den „alten“ ALK-Inhibitor Crizotinib bei Patienten mit einer so genannten ALK-Translokation getestet [1].
Diese neuen ALK-Inhibitoren wirken alle besser als Crizotinib. Aber die Wirksamkeit von Lorlatinib war schon sehr eindrucksvoll, wenn man das progressionsfreie Überleben anguckt. Das waren wirklich die besten Daten, die wir seit langem gesehen haben.
Zudem wirkt diese Substanz sehr gut im Gehirn bei Patienten mit ZNS-Metastasen. Das sehen wir in dieser Patientengruppe relativ häufig.
Man muss allerdings auf die Nebenwirkungen achten. Die Substanz hat ein eigenes, neues Nebenwirkungsprofil, was man bei ihrer Anwendung berücksichtigen muss.
2: ADAURA-Studie mit Osimertinib
Die 2. Studie aus dem Bereich der zielgerichteten Therapien ist eine Ergänzung zu einer Präsentation vom ASCO-Kongress, die ADAURA-Studie. Sie hat Osimertinib, einen EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor, bei operierten Patienten mit einem frühen NSCLC gegen Placebo untersucht.
Schon beim ASCO-Kongress 2020 wurde gezeigt, dass diese Therapie zu einer hochsignifikanten Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) geführt hat, und zwar über alle Patientencharakteristika hinweg.
Beim ESMO-Kongress haben wir jetzt eine Ergänzung dazu gesehen. Es ging speziell um die ZNS-Metastasen [2]. Wir sehen tatsächlich einen sehr eindrucksvollen Effekt für die postoperative Therapie mit Osimertinib in Bezug auf die Neuentstehung von ZNS-Metastasen bei Patienten mit einem operierten, EGFR-mutierten NSCLC.
3: 5-Jahres-Daten der KEYNOTE-24-Studie
Die 2. Strategie, die ebenfalls bahnbrechende Erfolge gezeigt hat, ist die Immuntherapie bei Patienten ohne onkogene Alteration.
Die KEYNOTE-24-Studie durfte ich vor 4 Jahren, also 2016, das erste Mal beim ESMO-Kongress vorstellen. Sie untersuchte eine Monotherapie mit Pembrolizumab gegen eine platinbasierte Chemotherapie bei Patienten mit einer hohen PD-L1-Expression. Schon damals haben wir ein signifikantes Signal im progressionsfreien Überleben und im Überleben gesehen.
Dieses Jahr auf dem ESMO-Kongress konnten wir dann die 5-Jahres-Überlebensdaten vorstellen [3]. Wir sehen einen konsistenten Effekt im 5-Jahres-Überleben. Wir sehen nahezu eine Verdoppelung der 5-Jahres-Überlebensraten.
Das ist natürlich eine großartige Botschaft für Patienten mit einem metastasierten Lungenkarzinom, dass wir durch eine Monotherapie, die auch gut verträglich ist, einen derartigen Effekt im 5-Jahres-Überleben sehen durften.
Das andere Ergebnis aus dieser Studie war auch interessant. Es gab die Möglichkeit einer 2. Reexposition, wenn die Patienten nach 2 Jahren Pembrolizumab-Behandlung wieder progredient wurden. Auch hier zeigen die ersten Ergebnisse, dass zumindest bei einem Teil der Patienten die Reexposition nochmals zu einer Tumorkontrolle führt.
4: EMPOWER-Lung1-Studie mit Cemiplimab
In der EMPOWER-Lung-1-Studie wurde ein neuer Anti-PD1-Antikörper, Cemiplimab, ganz ähnlich wie in der KEYNOTE-24-Studie als Monotherapie gegenüber einer platinbasierten Chemotherapie getestet [4]. Wir sehen sehr ähnliche Ergebnisse. Wir sehen eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens.
5: Postoperative Bestrahlung nicht wirksam
Abschließend eine Studie, die vielleicht nicht ganz so sensationell ist, die uns aber in unserer täglichen Routine sehr beeinflussen wird. Es handelt sich um die LUNG-ART-Studie, eine große randomisierte Studie, die eine postoperative Radiotherapie bei Patienten mit einem operierten NSCLC und einem bestätigten mediastinalen Lymphknotenbefall geprüft hat [5].
Hier sind wir lange Zeit im therapeutischen Nebel umher gestolpert. Das ist die erste prospektive Studie, die glasklar belegt hat, dass es im Grunde keinen Nutzen für eine postoperative Strahlentherapie bei diesen Patienten gibt, zumindest nicht unselektioniert.
Wir sehen keine signifikante Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) – das war der primäre Endpunkt. Wir sehen keine Verlängerung des Gesamtüberlebens, aber eine vermehrte Toxizität, so dass wir die Frage der adjuvanten Radiotherapie bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen NSCLC doch noch einmal neu aufblättern müssen.
Damit möchte ich mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
Medscape © 2020
Diesen Artikel so zitieren: „Großartige Botschaft“ für Patienten mit Lungenkrebs: Prof. M. Reck erklärt die 5 spannendsten Studien vom ESMO-Kongress - Medscape - 28. Sep 2020.
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