„Ein Feuerwerk an Daten“: Prof. S. Kümmel über Immuntherapie-Erfolge beim frühen Brustkrebs und wer auf Chemo verzichten könnte

Prof. Dr. Sherko Kümmel

Interessenkonflikte

22. September 2020

„Die Immuntherapie ist beim triple-negativen Mammakarzinom angekommen“, sagt Prof. Dr. Sherko Kümmel und erklärt, welchen Patientinnen nach den Daten vom ESMO-Kongress eine Chemo erspart werden könnte.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Sherko Kümmel, Essen

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist mir eine Freude, vom virtuellen ESMO-Kongress 2020 die Sitzung zum frühen Mammakarzinom für Sie zusammen zu fassen.

Wir haben am Sonntag, den 20. September 2020, die neuen Daten in dieser Session gehört. Es war auch eine Ehre, in dieser Session zusammen mit Javier Cortés aus Barcelona (Spanien) den Vorsitz zu haben und die einzelnen Abstracts und Präsentationen zu diskutieren.

Mein Name ist Sherko Kümmel. Ich bin Direktor des Interdisziplinären Brustkrebszentrums an den Kliniken Essen-Mitte.

  1. IMPassion031 – neoadjuvante Therapie mit Atezolizumab plus Chemotherapie

Nadia Harbeck, München, stellte die IMpassion031-Studie zum triple-negativen Mammakarzinom vor. Zu dieser Fragestellung wurde beim ESMO 2019 von Peter Schmid, London, schon die KEYNOTE-522-Studie mit Pembrolizumab präsentiert. Untersucht wurde, ob es mit Chemotherapie plus Immunonkologie beim triple-negativen Mammakarzinom noch eine Verbesserung der pathologischen Komplettremissionen (pCR) gibt. Sie sind auch später für das Überleben ein Gradmesser.

Die KEYNOTE-522-Studie hat bei der FDA schon zu einer „positiven Opinion“ geführt für die Anwendung von Pembrolizumab zusätzlich zu einer Chemotherapie in der neoadjuvanten Therapie.

Daher wurde nun die Präsentation von Nadia Harbeck zu den Daten der IMpassion-031-beim ESMO 2020 mit Spannung erwartet.

Untersucht wurde eine Anthracyclin- und Taxan-haltige dosisdichte Chemotherapie mit nab-Paclitaxel – aber im Unterschied zur KEYNOTE-522-Studie ohne Carboplatin, ohne oder mit Atezolizumab.

Die Verbesserung der pathologischen Komplettremssion (ΔpCR) lag mit 16,5% zwischen Verum- und Standardtherapie in beiden Studien ähnlich.

Was unterscheidet die beiden Studien?

Bei der KEYNOTE-522 wurde für den PD-L1-Status der CPS-Score angewendet. In der IMpassion031 wurde, wie wir das aus den metastasierten Studien wie der IMpassion130 kennen gelernt haben, der VENTANTA-SP142-Assay verwendet, bei dem die Immunzellen auf PD-L1-Expression untersucht werden.

In der KEYNOTE-522-Studie wiesen deutlich mehr Patienten einen PD-L1-positiven Status auf.

Die zusätzliche Gabe von Atezolizumab zur Chemotherapie hat sowohl bei den PD-L1-negativen als auch bei den PD-L1-positiven Tumoren einen Effekt gezeigt. Die PD-L1-Positivität scheint also keine so gravierende Auswirkung zu haben, wie in der metastasierten Situation.

Interessant ist, dass bei Lymphknoten-positiven Tumoren der Effekt der Immunonkologie zusätzlich zur Chemotherapie noch deutlicher war als bei Lymphknoten-negativer Situation.

Ob man vereinfacht sagen kann, dass ein höheres Risiko einen höheren Effekt nach sich zieht, bin ich nicht so sicher. Es könnte auch sein, dass die Immunogenität beim positiven Lymphknotenstatus einen extra Backbone für die Immunonkologie bietet. Das werden wir in der Zukunft erfahren.

Fazit

Zusammenfassend gilt, dass die Immunonkologie beim frühen triple-negativen Mammakarzinom angekommen ist. Wir haben nach der KEYNOTE-522-Studie nun die nächste positive Studie mit Atezolizumab zur pathologischen Komplettremission. Dies wird sicherlich in naher Zukunft nach entsprechender Wertung durch die FDA und EMA in den Therapiealltag aufgenommen werden.

2: PARADIGM-Studie – prognostischer Wert tumorinfiltrierender Lymphozyten

Unklar ist bislang, ob alle triple-negativen Mammakarzinome eine Eskalation mit Anthracyclinen, Taxanen, Carboplatin plus Immunonkologika benötigen.

Hierzu war die PARADIGM-Studie besonders interessant, die von der holländischen Arbeitsgruppe um Vincent de Jong vorgestellt worden ist.

Sie haben bei lymphknoten-negativem, triple-negativem Mammakarzinom und Patientinnen, die keine Chemotherapie erhalten hatten, retrospektiv stromale TILs (tumorinfiltrierende Lymphozyten) ausgewertet, also immunkompetente Zellen, die man im Tumor oder im umgebenden Gewebe findet.

Bis zum Jahr 2000 war in den Leitlinien und Therapie-Empfehlungen der holländischen Kollegen eine Chemotherapie bei triple-negativen lymphknoten-negativen Patientinnen nicht vorgesehen. Daher konnten sie nun über 400 Patientinnen nachverfolgen.

Ein interessantes Ergebnis

Patientinnen mit sehr hohen TILs – der Schwellenwert lag bei 75% bei Patienten ohne Chemotherapie – hatten nur mit Operation und Bestrahlung ein 15-Jahres-Überleben von 93%.

Auffallend war allerdings die erhöhte Rate der Zweitmalignome, also kontralaterale Brust oder Ovar. Am Ende schließt sich hier biologisch der Kreis.

Welche Patienten haben besonders hohe Stroma-TILs? Das sind BRCA-positive Patientinnen, Patientinnen unter 40 Jahren. Sie haben vermutlich nicht nur – wie wir es kennen – 20% BRCA oder High-risk-Gene, sondern vielleicht sogar 30 oder 40%. Diese Patientinnen haben dann auch eine bessere Prognose.

Fazit: Weniger Chemo?

Wir werden künftig also Deeskalationskonzepte brauchen. Lymphknoten-negative Patientinnen mit hohen TILs oder einer BRCA, also nach Hochrisiko-Situation, benötigen vielleicht in Zukunft weniger Chemotherapie. Ich würde derzeit aber noch nicht so weit gehen, dass ich ein 18-mm-Karzinom, N0, mit hohen TILs nicht chemotherapieren würde.

Wichtiger Fingerzeit in meinen Augen ist aber, dass dies Patientinnen sind, bei denen wir deeskalieren müssen, um sie genauso gut zu behandeln, aber vielleicht mit weniger Chemotherapie und damit auch weniger Nebenwirkungen.

3: GeparOcto-Studie – Vergleich von 2 Chemotherapie-Schemata

Wir kommen zum triple-negativen, hormon-abhängigen HER2-negativen Mammakarzinom. In der GeparOcto-Studie wurden 2 dosisdichte neoadjuvante Chemotherapien verglichen, und zwar sequenziell Epirubicin, Paclitaxel und Cyclophosphamid (ETC) versus wöchentlich Paclitaxel und liposomales Doxorubicin (Myocet).

Die Studie umfasste fast 1.000 Patientinnen mit triple-negative oder hormonabhängigen Tumoren. Die Überlebensanalyse wurde hier noch einmal vorgestellt. Die ersten Daten wurden schon vor einigen Jahren präsentiert. Bei der pCR ergab sich mit den beiden Schemata kein Unterschied. Jetzt war es spannend zu sehen, wie sich das auf das Überleben auswirkt.

Ergebnisse

Aber bei der spannenden Fragestellung triple-negativ plus/minus Platin zeigte sich kein Effekt auf das Überleben.

Bei der Subgruppe mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren zeigte sich jedoch ein starkes Signal für ein besseres Überleben bei der sequenziellen Verwendung von Anthracyclin, Taxan und Cyclophosphamid.

Fazit

Pferdefuß ist, dass die Gruppe nur wenige Patienten umfasste und dass nach der CPS-EG-Score Auswertung vor allem Frauen mit einer hohen Tumorlast einen Effekt zeigten. Das ist daher eher hypothesen-generierend.

Außerdem wussten wir schon seit der NSABP-30-Studie, die 2010 veröffentlich worden ist, dass bei hormonabhängigen Patientinnen die 3er Kombination mit Anthracyclin, Taxan und Cyclophosphamid besser wirkt als die 2er Kombination nur mit Anthracyclin und Taxan.

4: PALLAS-Studie mit Palbociclib und monarchE-Studie mit Abemaciclib

Bleiben wir bei hormonabhängigen Tumoren. Nach der Pressemitteilung mit negativen Ergebnissen wurden nun die mit Spannung erwarteten Daten zur PALLAS-Studie von Erica Mayer aus Boston vorgestellt.

In die Studie waren 5.760 Hochrisiko-Patientinnen eingeschlossen worden. 30% der Patienten hatten mehr als 3 positive Lymphknoten, 80% waren mit einer Chemotherapie behandelt worden.

Die Frage war, ob nach Abschluss der üblichen Standardtherapie durch die Hinzunahme eines CDK4/6-Inhibitors – hier Palbociclib – zur endokrinen Therapie über weitere 2 Jahre ein zusätzlicher Effekt zu sehen ist.

Ergebnisse

Die Studie ist negativ. Es zeigte sich auch kein Trend. Die Kurven lagen komplett aufeinander. Palbociclib hat in dieser Studie also keinen zusätzlichen Effekt zur endokrinen Therapie gezeigt.

Einige Stunden später gab es auf dem virtuellen ESMO dann die Präsidentensitzung, in der die monarchE-Studie mit einem anderen CDK4/6-Inhibitor vorgestellt wurde, mit Abemaciclib. Hier waren nur Lymphknoten-positive Patientinnen eingeschlossen. Waren nur 1 bis 3 Lymphknoten befallen, mussten sie noch zusätzliche Risikofaktoren aufweisen.

Beim ersten kurzen Follow-Up zeigte sich ein signifikanter Vorteil beim Fernmetastasen-freien Überleben durch die Hinzunahme von Abemaciclib.

Fazit

Wir haben also einerseits die PALLAS-Studie mit über 5.000 Patientinnen, die mit Palbociclib negativ war, und die monarch-E-Studie ebenfalls mit über 5.000 Patientinnen, in der die 1. statistische Analyse nach einem knappen Follow-Up – die meisten Patientinnen sind noch unter der Abemaciclib-Therapie – einen signifikanten Vorteil für die Hinzunahme von Abemaciclib zur endokrinen Therapie ergab.

Wir müssen hier abwarten, was weitere Analysen ergeben. Es gibt noch die Biomarker-Analyse und die Frage der späten Rezidive muss geklärt werden.

Möglicherweise war die stärkere Selektion noch risikoreicherer Patientinnen ausschlaggebend für den Effekt von Abemaciclib. Vielleicht spielt auch eine höhere Effektivität aufgrund der kontinuierlichen Dosierung von Abemaciclib eine Rolle.

Mit diesen positiven Daten aus der monarchE-Studie werden wir aber unsere erweiterte endokrine Therapie haben. Es wird sicherlich eine Zulassung beantragt und auch erfolgen.

Dies ist ein wichtiger Meilenstein in dieser Therapie-Situation.

5: Ki67 – ein wichtiger dynamischer Biomarker

Bei der frühen Erkrankungssituation gab es noch die von Monika Arnedos, Paris, vorgestellte WOO-Studie. Die sehr stark auf Biomarker fokussierte Studie befasste sich mit Palbociclib und Abemaciclib in der neoadjuvanten Therapie.

Dort sehen wir, so wie wir gehofft haben, ein starkes Signal bei Abemaciclib auf die Senkung des Ki67.

Wir wissen mittlerweile, dass Ki67 als dynamischer Biomarker angekommen ist. Wenn wir innerhalb der ersten Wochen eine deutliche Abnahme des Ki67 sehen, dann hat die Patientin von der Therapie einen hohen Benefit. Vielleicht kann man in diesen Fällen auch auf eine Chemotherapie verzichten.

Hier warten wir noch auf die ADAPT-Ergebnisse, die hoffentlich bis Ende des Jahres vorliegen werden. Untersucht werden Genexpressionsprofile (z. B. Oncotype DX) sowie der Abfall des Ki67 unter einer endokrinen Therapie.

Dann können wir sehen, bei wie vielen Patientinnen mit hormonabhängigen Tumoren wir die Chemotherapie mit einer richtigen Vorhersage einsparen können und der Patientin nicht nur die Zeit, sondern auch die Toxizität ersparen können.

Immuntherapie beim triple-negativen Mammakarzinom angekommen

Der virtuelle ESMO 2020-Kongress war ein Feuerwerk an neuen Daten. Die Immunonkologie ist beim triple-negativen Tumor endgültig angekommen. Wir müssen uns um Deeskalation kümmern. Eine Gruppe von Patientinnen wird vermutlich nicht die ganze Bandbreite der Therapie benötigen.

Bei hormonrezeptor-positiven Tumoren haben wir mit Abemaciclib eine positive Studie. Wir sehen, dass die Kombination CDK4/6-Inhibitor plus endokrine Therapie in der Behandlung des frühen Mammakarzinoms hoch effektiv ist.

Vielen Dank, wir sind auf kommende Daten, z. B. aus San Antonio, schon sehr gespannt.
 

Kommentar

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