SGLT2-Hemmer schützen das Herz und GLP-1-Repezptor-Agonisten die Gefäße. Prof. Dr. Ulf Landmesser diskutiert, wie die beiden Diabetes-Medikamente in der Kardiologie eingesetzt werden können.
Transkript des Videos von Univ.-Prof. Dr. Ulf Landmesser, Berlin
Ich darf Sie herzlich begrüßen zu einer Zusammenfassung von Beiträgen beim ESC-Kongress 2020, die sich mit der Behandlung von Patienten mit Diabetes mit entsprechenden kardioprotektiven Substanzen beschäftigt hat, insbesondere auch den GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
Mein Name ist Ulf Landmesser, ich leite die Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin der Charité Universitätsmedizin, Berlin, und bin der Ärztliche Zentrumsleiter für die Herz-Kreislauf-Medizin an der Charité.
Diabetiker mit kardiovaskulären Erkrankungen
Das Thema Patienten mit Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen ist für uns Kardiologen sehr wichtig, weil fast jeder 3. Patient, den wir in Klinik und Praxis sehen, neben seiner kardiovaskulären Erkrankung einen Diabetes hat. Aus kardiologischer Sicht sehen wir vor allem das dadurch erhöhte Herz-Kreislauf-Risiko.
Bei Diabetikern ist das Risiko für ischämische Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall doppelt so hoch. Die Mortalität ist ebenfalls etwa doppelt so hoch wie bei Patienten ohne Diabetes. Bei Patienten mit Diabetes mellitus zusätzlich zu einer beispielsweise koronaren Herzerkrankung oder anderen kardiovaskulären Erkrankungen ist zudem das Risiko für eine Herzinsuffizienz mindestens verdoppelt.
Deshalb ist es besonders interessant, wenn antidiabetische Therapien zusätzlich günstige kardiovaskuläre Effekte haben.
Neue Daten zu SGLT2-Inhibitoren
Auf dem ESC-Kongress haben wir neue Daten zu den SGLT2-Hemmern gesehen. Sie haben jetzt einen sehr überzeugenden Effekt auf die Reduktion der Herzinsuffizienz gezeigt, auch bei Patienten ohne Diabetes mellitus Typ 2. Die SGLT2-Hemmer entwickeln sich damit zu einer neuen Therapie für die Herzinsuffizienz.
Zudem hat diese Therapie nephroprotektive Effekte.
Deutliche Gewichtsabnahme durch GLP-1-Rezeptor-Agonisten
Die andere Substanzgruppe, die neben der antidiabetischen Wirkung auch einen Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko und in einigen Studien auch auf die Mortalität insgesamt hat, sind die GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten können das kardiovaskuläre Risiko durch Verringerung atherosklerotischer Ereignisse reduzieren und führen zu einer deutlichen Gewichtsreduktion. Deshalb sind diese Substanzen interessant für Patienten, die zusätzlich eine Gewichtsreduktion benötigen.
Derzeit werden GLP-1-Rezeptor-Agonisten in Studienprogrammen als eine Therapie des Übergewichts untersucht, und zwar auch unabhängig vom Diabetes. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob man gleichzeitig das damit verbundene kardiovaskuläre Risiko senken kann.
Den Kardiologen sind die SGLT2-Hemmer schon besser bekannt als die GLP-1-Rezeptor-Agonisten, was sicher auch mit der oralen Applikation der SGLT2-Hemmer zu tun hat.
Mittlerweile gibt es aber auch von den GLP-1-Rezeptor-Agonisten verschiedene Darreichungsformen, z. B. zur einmal wöchentlichen Injektion sowie oral applizierbare Zubereitungen.
Wichtig ist, dass man die GLP-1-Rezeptor-Agonisten langsam hochdosiert, dies ist für die Verträglichkeit entscheidend. Ansonsten können Unverträglichkeiten wie Übelkeit auftreten.
Management des Diabetes bei Patienten mit kardiovaskulären Grunderkrankungen
Intensiv diskutiert wurden die Leitlinien der ESC/EASD vom letzten Jahr zum Management des Diabetes bei Patienten mit kardiovaskulären Grunderkrankungen. Die kardiologische Gesellschaft empfiehlt, dass bei diesen Patienten primär ein SGLT2-Hemmer oder ein GLP-1-Rezeptor-Agonist eingesetzt wird, weil GLP-1-Rezeptor-Agonisten ischämische Ereignisse oder SGLT2-Hemmer das Risiko einer Herzinsuffizienz reduzieren können.
Insofern erscheint es sinnvoll, diabetische Patienten primär mit solchen Substanzen zu behandeln, wenn sie zusätzlich ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko bei bekannten kardiovaskulären Grunderkrankungen haben.
Wir verstehen auch die zugrunde liegenden Mechanismen immer besser. Bei den SGLT2-Hemmern war es zunächst ein Zufallsbefund, dass die Herzinsuffizienz entsprechend reduziert wird. Wir haben jetzt intensiv über Mechanismen diskutiert, die das erklären können.
Bei den GLP-1-Rezeptor-Agonisten haben wir sehr viel dazu gelernt. Sie haben auch eine antiinflammatorische Wirkung und es gibt mehrere Mechanismen, über die vor allem das atherosklerotische Risiko reduziert wird. Interessant ist bei diesen Substanzen eben auch die Gewichtsreduktion.
Insofern kommt dieses Thema auf die Kardiologen zu. Wenn wir Patienten sehen, die Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen haben, dann sollten wir überlegen, welche der Substanzklassen, die auch prognostisch Vorteile haben, für die Patienten besonders gut geeignet sind.
Ein Patient mit einer progredienten atherosklerotischen Grunderkrankung wird vor allem von einem GLP-1-Rezeptor-Agonisten profitieren. Ein Patient mit hohem Herzinsuffizienz-Risiko wird besonders von einem SGLT2-Hemmer profitieren.
Wir sehen zunehmend Patienten, bei denen man auch beide Behandlungsansätze verfolgt, was bei Patienten mit sehr hohem Risiko sicherlich eine sinnvolle Strategie darstellt.
Damit bedanke ich mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Medscape © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Herz und Gefäße schützen plus Abnehmen: Machen nach dem SGLT2-Hemmer-Hype nun die GLP-1-Agonisten eine kardiologische Karriere? - Medscape - 10. Sep 2020.
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