MEINUNG

Therapie als Prävention plus eine Heilung: Studien auf dem Welt-Aids-Kongress zeigen, wie erfolgreich und simpel die PrEP ist

PD Dr. Martin Hartmann

Interessenkonflikte

31. August 2020

Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg:

hier ist Martin Hartmann aus dem Klinikum Heidelberg.

Ich möchte heute vom Welt-AIDS-Kongress berichten, der nicht in San Francisco stattgefunden hat, sondern im Juli virtuell abgehalten wurde. Man musste sich registrieren und eine Gebühr bezahlen und konnte dann die Vorträge live anschauen. Ein Teil der Vorträge ist inzwischen auch On Demand anzusehen, sie können frei abgerufen werden [1].

Schwerpunkt Prävention

Ein Schwerpunkt dieses Kongresses war die Prävention. Eine große Impfstoffstudie zeigte in der Auswertung von Daten aus Südafrika, Anfang des Jahres veröffentlicht, leider keine bessere Wirksamkeit gegenüber Placebo. Daher fokussieren sich jetzt die Bemühungen auf „Treatment as Prevention“. Man möchte also möglichst viele Patienten behandeln, damit diese die Infektion nicht weitergeben können.

Eine weitere Maßnahme ist die Präexpositionsprophylaxe, die PrEP. Hier wird kontinuierlich ein Backbone-F/TDF-Regime gegeben, um zu verhindern, dass sich die Patienten mit Risikokontakten anstecken.

Dass dies funktioniert, zeigt eine Feldstudie aus Kenia. Es kam zu einer Reduktion der HIV-Inzidenz, und zwar bei den Frauen um 80%, bei den Männern um 40% [2]. Insgesamt sind jedoch die Frauen bei den PrEP-Studien unterrepräsentiert.

Die WHO bemüht sich, 3 Mio. PrEP-Patienten weltweit zu rekrutieren. So zeigte Susan Buchbinder von der University of California in San Francisco beim Kongress in ihrer Übersicht zur Prävention allerdings, dass bislang nur ein Sechstel dieser Zahl erreicht worden sind [3].

Was gibt es Neues bei der PrEP?

Das F/TAF-Regime hat günstigere Parameter in Bezug auf Nierenerkrankungen und den Knochenstoffwechsel.

In der DISCOVER-Studie wird das herkömmliche F/TDF-Regime mit dem neueren Backbone verglichen. Dabei zeigten sich in einer 2-Jahresauswertung, die bei der CROI 2020 vorgestellt worden war, die gleiche Wirksamkeit und ein günstigeres Nebenwirkungsprofil, was sich vor allem bei älteren Menschen niederschlägt [4].

Allerdings gibt es das TAF-Regime nicht als Generikum, es ist deshalb deutlich teurer. Insoweit bleibt abzuwarten, inwieweit es sich durchsetzen wird.

Eine weitere Neuerung bei der PrEP ist Cabotegravir, das jetzt für die Therapie zugelassen werden wird. Es hat eine sehr lange Halbwertszeit und kann deswegen, vor allem wenn es i.m. appliziert wird, monatlich oder – das zeigte eine neue Studie – auch zweimonatlich gegeben werden.

In der HPTN-083-Studie wurden ein TDF-Regime versus Cabotegravir verglichen, hierbei zeigte sich eine Überlegenheit von Cabotegravir. Im Mai 2020 hat das Board beschlossen, die Studie abzubrechen, um allen Patienten die Anwendung von Cabotegravir zu ermöglichen [5].

Das Präparat muss tief intramuskulär injiziert werden, ungefähr vergleichbar wie die Benzathin-Penicillin-Injektion bei der Syphilis. Eine Kühlkette ist erforderlich. Aber es ist mit einer sechsmaligen Applikation pro Jahr ideal. Für die nächsten Jahre wird es allerdings ebenfalls nicht zum Preis der Generika zu bekommen sein.

Heilung erreicht?

Es wurde von einem 34jährigen Mann aus Brasilien berichtet, der nach längerer Therapie, u.a. mit Maraviroc, Dolutegravir und mit Nicotinamid seit über einem Jahr ohne Therapie keine Viruslast mehr hat. Es bleibt abzuwarten, ob das wirklich den Begriff Heilung rechtfertigt [6].

Dolutegravir bei Schwangeren

In der Tsepamo-Studie zeigten sich vor 2 Jahren gehäuft Neuralrohrdefekte bei Kindern von schwangeren Frauen, die Dolutegravir genommen hatten. Die Nachauswertung zeigte nun, dass die Risiko-Erhöhung minimal ist, das heißt, bei Schwangeren kann die Therapie gegeben werden [7].

Gewichtszunahme unter Therapie

HIV-Patienten nehmen unter der Therapie zu, vor allem Patienten, die mit einem TAF-haltigen Regime behandelt oder auf einen Integrase-Inhibitor umgestellt werden. Am ausgeprägtesten ist die Gewichtszunahme, wenn die Umstellung von einem NNRTI, wie Efavirenz, erfolgt. Hierbei kommt es zum Teil zu monströser Gewichtszunahme von 10 bis 20 kg. Es ist unklar, ob dies reversibel ist, wenn wieder auf das ursprüngliche Regime zurück gewechselt wird [8].

SARS-CoV2- und HIV-Infektion

Paul Sax zeigte in einer Übersicht Auswertungen, dass die COVID-19-Erkrankung bei HIV-Patienten, die behandelt sind und immunologisch ansprechen und damit über 200 Helferzellen haben, nicht schwerer verlaufen als bei HIV-negativen COVID-19-Patienten [9]. Dies lässt also hoffen, dass die SARS-CoV2-Infektion keine klassische opportunistische Infektion ist.

Es bleibt abzuwarten, ob die großen Kongresse nächstes Jahr in Chicago und in Berlin wieder virtuell abzuhalten sind.

Das war es von diesem Jahr. Danke fürs Zuhören.

 

Kommentar

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