MEINUNG

Was rät der Kardiologe bei Muskelschmerzen unter Statin-Therapie? Argumente aus einer Analyse mit fast 60.000 Patienten

PD Dr. Nikolaus Sarafoff

Interessenkonflikte

24. August 2020

Sind wirklich die Statine die Ursache? Dr. Nikolaus Sarafoff erklärt, was er seinen Patienten empfiehlt und untermauert seine Argumente durch eine neue Analyse mit fast 60.000 Simvastatin-Patienten.

Transkript des Videos:

Mein Name ist Nikolaus Sarafoff und ich bin Kardiologe in München.

Ich möchte heute eine Arbeit zu Muskelschmerzen bei der Statin-Therapie vorstellen, die gerade im European Heart Journal erschienen ist.

Große Meta-Analysen von randomisierten Studien zeigen, dass eine Statintherapie das Risiko für Herzinfarkte, koronare Revaskularisierung oder ischämischen Schlaganfall in Abhängigkeit von der erreichten LDL-Reduktion reduziert.

Dies ist der Grund, warum Millionen Menschen weltweit mit Statinen behandelt werden. Simvastatin gehört dabei zu den am häufigsten verschriebenen Statinen.

Die Statintherapie ist sicher und effektiv. Eine Statin-induzierte Myopathie mit einem Anstieg der Kreatinkinase (CK) über das 10-fache des Normalwertes ist sehr selten.

 
Die Myopathie traf im Mittel nach 18 Monaten Simvastatin-Therapie auf. PD Dr. Nikolaus Sarafoff
 

Gleichzeitig beobachtet man, dass Muskelschmerzen oder Muskelschwächen ohne CK-Erhöhung genauso häufig von Patienten berichtet werden, die Statine oder das Vergleichsplacebo erhalten haben.

Es ist deswegen naheliegend, dass diese Beschwerden keine pharmakologische Grundlage haben, sondern einen Nocebo-Effekt darstellen.

Da eine echte Statin induzierte Myopathie selten auftritt, ist nicht genau bekannt, welche Faktoren das Risiko für diese Myopathie erhöhen.

Studiendesign

In diese Arbeit wurden 58.390 Patienten aus 3 großen Studien mit Simvastatin eingeschlossen. Das Follow-up betrug 4 bis 7 Jahre. Patienten wurden mindestens halbjährlich oder bei auftretenden Muskelbeschwerden befragt und entsprechend untersucht. Je nach Studie wurde entweder immer die CK gemessen oder beim Auftreten von Muskelbeschwerden oder bei erhöhten Leberwerten.

Eine Statin-induzierte Myopathie wurde definiert als eine CK-Erhöhung über das 10-fache des Normalwertes innerhalb von 28 Tagen.

Ergebnisse

 
Die Schlussfolgerung ist, dass Patienten ohne relevante CK-Veränderungen weiterhin ihr Statin nehmen sollten und andere Ursachen für die Muskelbeschwerden gefunden werden sollten. PD Dr. Nikolaus Sarafoff
 

Es zeigten sich in einem Untersuchungszeitraum von 196.000 Patientenjahren insgesamt 171 diagnostizierte Fälle einer Myopathie. Das entspricht nur 0,3% aller Patienten.

Die Myopathie traf im Mittel nach 18 Monaten Simvastatin-Therapie auf. Ein Drittel der Fälle hatte schon in den ersten 6 Monaten Probleme. Es traten deutlich häufiger Myopathien bei Chinesen als bei Europäern auf. Ebenso häufiger dokumentierte man eine Myopathie bei einer Dosis von 80 mg im Vergleich zu 20 mg.

Im Gegensatz dazu hatten 26% aller Patienten im Laufe des Followup von Muskelbeschwerden berichtet, ohne dass eine Myopathie diagnostiziert wurde.

Risiko-Score

Weitere Risikofaktoren für das Auftreten einer Myopathie waren neben höherer Simvastatin-Dosis oder chinesischer Herkunft auch:

  • Ein höheres Alter,

  • weibliches Geschlecht,

  • niedriger Body-Mass-Index,

  • ein Diabetes mit zuckersenkender Medikation oder

  • die Einnahme von Verapamil, Niacin-Laropiprant, Diltiazem, von Betablockern oder Diuretika.

Es wurde dann aus diesen Faktoren ein Risiko-Score gebildet, der bei den Myopathie-Patienten deutlich erhöht war. Wohingegen bei jenen 26% der Patienten, die unspezifische Muskelbeschwerden angegeben hatten, der Score nicht erhöht war.

Woher dann die Muskelschmerzen?

Es gibt viel Hypothesen, warum Statine eine Myopathie hervorrufen können. Aber schlussendlich bleibt der Mechanismus unklar.

Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass eine Statin-induzierte Myopathie mit deutlicher CK-Erhöhung sehr selten ist. Ein Risiko-Score wurde entwickelt, der Patienten identifizieren kann, die ein erhöhtes Risiko dafür haben.

Insgesamt unterstützt diese Studie das bisherige Wissen aus Placebo-kontrollierten Studien, dass unspezifische Muskelbeschwerden häufig sind und nichts mit der Statin-Therapie zu tun haben.

Fazit

Die Schlussfolgerung ist, dass Patienten ohne relevante CK-Veränderungen weiterhin ihr Statin nehmen sollten und andere Ursachen für die Muskelbeschwerden gefunden werden sollten.

Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass im Großteil der Fälle die Muskelbeschwerden nicht Folge der Statin-Therapie sind und dass die Fortführung der Statin-Therapie das Risiko für das Auftreten von schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall reduzieren kann.

Wenn meine Patienten Muskelbeschwerden unter Statin-Therapie haben, dann messe ich die CK-Werte und empfehle den Patienten, ihr Statin zu pausieren. Bei normaler CK empfehle ich den Patienten, ihr Statin für 4 Wochen zu pausieren und dann wieder zu beginnen. Um zu prüfen, ob die Beschwerden wirklich mit der Statin-Einnahme korrelieren. Falls dies der Fall ist, wechsle ich das Statin, ergänze die Therapie ggfs. mit Ezetimib oder wechsle auf einen PCSK9 Hemmer.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....