Frauen mit ankylosierender Spondylitis (AS; Morbus Bechterew) müssen wegen ihrer Erkrankung nicht auf Kinder verzichten. Eine Studie von Dr. Sun Hae Chang vom Soonchunhyang University College of Medicine in Cheonan, Südkorea, und Kollegen zeigt nun, dass die Nachkommen von Bechterew-Patientinnen sich in Wachstum und Entwicklung nicht vom Nachwuchs anderer Mütter unterscheiden [1]. Die Ergebnisse wurden auf dem Jahreskongress der Europäischen Rheumaliga EULAR vorgestellt [2].
„Die Studie ändert zwar an unserer Beratungspraxis nichts, aber sie ist ein zusätzlicher Baustein des Wissens und eine sehr wertvolle Analyse“, kommentiert Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Rheumaeinheit an der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Studienergebnisse.
Wie bekannt, ist die AS eine komplexe chronisch-entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule mit Beteiligung des Iliosakralgelenks. Im Krankheitsverlauf verknöchern die Gelenke, infolge versteift die Wirbelsäule. Die Erkrankung beginnt meist im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt.
„Unsere Patientinnen und Patienten sind noch junge Menschen. Im Hinblick auf ihre Lebensplanung haben sie zwei Sorgen: Kann ich mit dieser Erkrankung überhaupt Kinder haben und beeinträchtigt die medikamentöse Therapie womöglich die Gesundheit meiner Nachkommen. Bislang hatten wir keine Daten dazu, wie gesund die geborenen Nachkommen sind, die Studie von Chang und Kollegen liefert nun diese Daten und wir können unseren Patienten damit Ängste nehmen und sie beruhigen“, sagt Schulze-Koops.
Nachverfolgung bis zu 6 Jahre
Die Daten der bevölkerungsbasierten Fallstudie stammen aus 2 südkoreanischen Datenbanken des National Health Insurance Service (NHIS): dem nationalen Gesundheitsscreening-Programm für Kinder und der NHIS-Datenbank, in der gesundheitsbezogene Daten der Gesamtpopulation dokumentiert sind.
„Insgesamt haben wir die Daten von 794.544 Kindern analysiert“, schreibt Chang. Darunter befanden sich 369 Kinder mit an AS erkrankten Müttern. Davon hatten 124 Frauen bereits vor der Geburt die AS-Diagnose erhalten, bei 245 wiederum wurde die Erkrankung erst nach der Geburt festgestellt.
Die zwischen 2008 und 2013 geborenen Kinder wurden jeweils 3-mal untersucht: im Alter von 4 bis 6 Monaten, im Alter zwischen 9 und 12 Monaten und entweder zwischen 54 bis 65 oder zwischen 66 bis 71 Monaten.
Kinder von erkrankten Müttern entwickelten sich normal
Dabei zeigte sich: Das Wachstum und die Entwicklung der Kinder von an AS erkrankten Müttern war vergleichbar mit dem vom Nachwuchs von Frauen, die nicht an AS erkrankt waren. Und obwohl Mütter mit diagnostizierter AS eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit (Odds Ratio: 2,8) für ein bei der Geburt untergewichtiges Baby hatten als jene Frauen, bei denen erst nach der Geburt ihres Kindes ein Morbus Bechterew festgestellt wurde, entwickelten sich ihre Nachkommen im Beobachtungszeitraum von bis zu 71 Monaten nach Geburt insgesamt vergleichbar.
Die Wahrscheinlichkeit, Wachstumsverzögerungen zu entwickeln war im Alter von 4 bis 6 Monaten zwischen den Gruppen (Mütter mit AS und Mütter ohne AS) vergleichbar (OR: 1,18; 95%-Konfidenzintervall: 0,72-1,92) und stieg dann im Alter von 9 bis 12 Monaten (OR: 1,62; 95%-KI: 1,14-2,31) bei Säuglingen von AS-Müttern an. Der Unterschied verschwand aber mit 54 bis 71 Monaten wieder (OR: 0,24; 95%-KI: 0,87-1,74). Vergleichbar war auch die Odds Ratio für Enwicklungsanomalien; Sie lag über alle Altersgruppen bei 0,94 (95%-KI: 0,71-1,25).
„Eine chronische Erkrankung wie AS muss somit kein Hindernis für betroffene Frauen darstellen, gesunde Kinder zu bekommen“, betont Prof. Dr. John Isaacs, The University of Newcastle, Großbritannien, Vorsitzender des wissenschaftlichen Programm-Komitees beim EULAR: „Wir raten an AS erkrankten Frauen mit Kinderwunsch jedoch zu einer geplanten Schwangerschaft und einer vorherigen Beratung bei ihrem behandelnden Rheumatologen.“
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Entwarnung für Morbus Bechterew-Patientinnen mit Kinderwunsch: Kein Risiko für den Nachwuchs - Medscape - 7. Aug 2020.
Kommentar