Weniger Alkohol und Tabak, dafür mehr Cannabis bei jungen Leuten: Das sind die Trends aus der Studie „Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019“. Sie wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vorgelegt [1]. Über mögliche Gründe gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Die BZgA führt die Drogenaffinitätsstudie seit 1973 in regelmäßigen Abständen durch. Dafür wurden im vergangenen Jahr rund 7.000 junge Leute im Alter von 12 bis 25 Jahren im Zeitraum von April bis Juni 2019 befragt.
Weniger Alkoholkonsum, aber Rauschtrinken bleibt ein Problem
Deutlich mehr als ein Drittel (36,9%) der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren haben noch nie im Leben Alkohol getrunken. Hingegen konsumieren 9,5% der Befragten dieser Altersgruppe mindestens einmal in der Woche Alkohol, so die BZgA, und 32,9% der 18- bis 25-Jährigen.
Damit zeigt sich ein deutlicher Rückgang: „Im Jahr 2004 lagen die Zahlen bei den 12- bis 17-Jährigen noch bei 21,2 Prozent und bei den 18- bis 25-Jährigen bei 43,6 Prozent“, so die BZgA.
Allerdings sei das „Rauschtrinken“ bei Jugendlichen immer noch weit verbreitet. Jungen und junge Männer trinken sich häufiger in den Rausch als Mädchen und junge Frauen. „16,4 Prozent der männlichen und 10,7 Prozent der weiblichen 12- bis 17-Jährigen geben an, dass sie sich in den letzten 30 Tagen mindestens einmal in einen Rausch getrunken haben“, erklärt die BZgA. Bei den jungen Erwachsenen von 18 bis 25 Jahren geben dies 43,9% der Männer an und 24,5% der Frauen an.
Über 80% der Befragten haben noch nie geraucht
Auch beim Tabakkonsum zeigt sich ein erfreulicher Trend: Noch nie seit Beginn der Studien in der 1970er Jahren haben weniger junge Leute zwischen 12 und 25 geraucht. Der Nie-Raucher-Anteil in dieser Gruppe liegt bei 85,1%. 1979 dagegen stuften sich noch 3 von 10 befragten Jugendlichen (30,2%) zwischen 12 und 17 Jahren als Raucher ein.
Seinerzeit qualmten deutlich mehr Jungen als Mädchen. Derzeit seien keine Geschlechtsunterschiede mehr gegeben, heißt es in der Studie. Betrachtet man heute ausschließlich die 18 bis 35-Jährigen so zeigt sich auch hier: Die Nie-Raucherquote ist hoch. Sie lag 2019 bei 45,9% und ist damit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Studien im Jahr 1973.
Harte Drogen spielen kaum eine Rolle – aber Cannabis ist beliebt
Anders als beim Alkohol und Tabak verhält es sich beim Konsum von Cannabis und anderer illegaler Drogen. Ungefähr jeder 10. der 12- bis 17-Jährigen hat schon einmal illegale Drogen konsumiert. Die Lebenszeit-Prävalenz bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren liegt mit 47,2% dagegen fast bei der Hälfte. Vor allem konsumieren die jungen Leute Cannabis.
Die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums ist in den letzten Jahren jedoch gestiegen: 10,4% der 12- bis 17-Jährigen und 46,4% der 18- bis 25-Jährigen haben schon einmal Cannabis ausprobiert. Von den 12- bis 17jährigen Jugendlichen haben 10,4% und von den 18 bis 25jährigen jungen Erwachsenen 46,4% und damit die Hälfte der Befragten schon einmal Cannabis ausprobiert.
„Die Verbreitung des Cannabiskonsums nimmt von der späten Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter stetig zu und ist unter männlichen Jugendlichen und jungen Männern weiter verbreitet als unter weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen“, so der Bericht.
Anders bei den harten Drogen. Sie spielen bei Jugendlichen kaum eine Rolle. Die Lebenszeitprävalenzen des betragen für Jugendliche jeweils weniger als ein Prozent: Ecstasy (0,6%, Amphetamine 0,5%, Crystal Meth (0,2%) oder Crack und Heroin (jeweils 0%) Bei jungen Erwachsenen reichen sie von 0,2% für Crack bis 7,8% für Ecstasy.
Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, führt den Rückgang beim Tabak und Alkoholkonsum auf „jahrzehntelange, gut gemachter Präventionsarbeit“ zurück. „Genau diesen Effekt müssen wir auch beim Cannabis erreichen“, fordert Ludwig.
„Die Zahlen beweisen, wie wichtig es ist, die Jugendlichen über die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums aufzuklären und ihnen klipp und klar zu machen, dass Kiffen nicht cool ist, sondern gesundheitsschädlich sein kann“, so Prof. Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA. Sie fordert verstärktes gemeinsames Präventionsengagement gegen den Konsum von Cannabis.
Aufklärungsangebote nicht mehr zeitgemäß?
Kritik kommt von Prof. Dr. Heino Stöver, Experte für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University Of Applied Sience. Er hält die Aufklärungsarbeit der BZgA für nicht mehr zeitgemäß.
Das Rauchfrei-Kit der BZgA für Jugendliche bestehe unter anderem aus Pfefferminz-Bonbons und einem 100-Tage Kalender, sagt Stöver. „Das hat mit dem Lebensumfeld der jungen Leute wenig zu tun.“
Die starke Internetaffinität der Jugendlichen, die Nähe zur Gender-Diskussion werde von der BZgA nicht aufgegriffen. „Die Aufklärungs-Flyer der BZgA fassen die jungen Leute nicht einmal mit spitzen Fingern an“, so Stöver zu Medscape.
Der Grund für den Rückgang bei Tabak und Alkohol sieht Stöver eher beim „gesellschaftlichen Diskurs über Gesundheit und Fitness. Die Jugendlich wollen fit und gesund rüberkommen. Das ist ein Trend, der sich schon seit 20 Jahren abzeichnet.“
Im Hinblick auf den steigenden Cannabis-Konsum sieht der Frankfurter Professor im Verbot der Droge das wesentliche Hindernis, den Konsum zu minimieren. „Die Illegalität verhindert zum Beispiel das ehrliche Gespräch über den Konsum“, sagt Stöver. Zugleich werde der Konsum verharmlost und die Gefährlichkeit der Droge unterschätzt.
Schließlich sei der steigende Cannabis-Konsum auch eine Reaktion auf den gesellschaftlichen Trend hin zu „immer mehr und immer schneller“. Stöver: „Die jungen Leute wollen verlangsamen und runterkommen. Der Cannabiskonsum ist da eine Art Kompensation.“
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Diesen Artikel so zitieren: Konsum von Jugendlichen: Weniger Tabak, weniger Alkohol, mehr Cannabis – setzt die BzGA aufs falsche Pferd? - Medscape - 29. Jul 2020.
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