COVID-19 sportlich nehmen: Wer sich fit hält, beugt schweren Verläufen vor und erholt sich nach Erkrankung schneller

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

29. Juli 2020

Wer sich vor COVID-19 schützen will, kann einiges dafür tun, etwa Abstand halten, eine Maske tragen und die Corona-Warn-App nutzen. Wer noch mehr tun will, sollte Sport treiben: Dadurch kann man sich zwar nicht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen, aber das Risiko eines schweren und potenziell tödlichen Verlaufes reduzieren. Und nach einer überstandenen Erkrankung kann Sport mit dazu beitragen, wieder halbwegs fit zu werden.

Prävention schwerer COVID-19-Verläufe

Sport beugt schweren Verläufen vor, indem er den Risikofaktoren dafür entgegenwirkt. Dazu zählen, wie unter anderen eine aktuelle Studie in Nature zeigt, außer Armut, männlichem Geschlecht und höherem Alter insbesondere starkes Übergewicht, Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Erkrankungen. Zudem stärkt körperliches Training die körpereigenen Abwehrkräfte.

 
Das ist ein Weckruf an die Welt, dass wir uns darum kümmern, schlanker und fitter zu werden. Prof. Dr. David Nieman
 

„Die schwersten Verläufe von COVID-19 sehen wir bei untrainierten, fettleibigen Menschen, die hohen Blutdruck und Diabetes mellitus Typ 2 haben. Das ist ein Weckruf an die Welt, dass wir uns darum kümmern, schlanker und fitter zu werden“, ermahnt daher auch Prof. Dr. David Nieman, North Carolina Research Campus, USA, der seit Jahren zu den gesundheitlichen Effekten der körperlichen Bewegung forscht.

Stärkung des Immunsystems

Mit der Bedeutung körperlichen Training im konkreten Zusammenhang mit der COVID-19-Infektion haben sich auch die deutschen Sportmediziner und Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Sporthochschule Köln, Prof. Dr. Martin Halle, TU-München, und Prof. Dr. Jürgen M. Steinacker, Universitätsklinikum Ulm, in einem Editorial in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin befasst, die mehrere Beiträge mit vielen Informationen zu körperlichem Training und COVID-19 enthält.

Durch körperliches Training könne, so die Sportmediziner, zwar das Infektionsrisiko nicht gemildert werden. Aber der Körper könne sich besser auf die Verarbeitung der Infektion einstellen. Dabei komme dem stabilisierenden Effekt körperlicher Aktivität auf das Immunsystem eine wesentliche Rolle zu. Mittlerweile sei es sehr gut belegt, dass körperliche Aktivität zu Veränderungen des Immunsystems führe, die sich nicht nur klinisch, sondern auch grundlagenwissenschaftlich nachweisen lasse.

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Infektion könnte hier außer anderen Mechanismen vor allem auch die Stärkung der Eigenregulation des Immunsystems eine Rolle spielen. Diese Eigenregulation sei wichtig, um die Immunreaktion auf einen neuen Erreger so einzustellen, dass einerseits der Erreger (in diesem Fall die SARS-CoV-2-Viren bzw. die von ihnen befallenen Zellen) eliminiert werde und andererseits die Reaktion nicht überschieße. 

Gerade die überschießende Antwort des Immunsystems sei es, die den Organismus überlaste. Es sei in den letzten Jahren gezeigt worden, dass insbesondere die inhibitorischen Zellen des Immunsystems, hier vor allem die sogenannten T-regulatorischen Zellen, in Abhängigkeit von körperlicher Leistungsfähigkeit und Training in Zahl und Funktion gesteigert würden. Daher sei es umso wichtiger, das Immunsystem zu aktivieren, zu „trainieren“ und es damit „fit“ zu halten.

Dazu seien besonders Ausdaueraktivitäten mit moderater Intensität von zentraler Bedeutung. Aktivitäten mit höheren Intensitäten hätten den Nachteil, dass dadurch die Immunkompetenz unterdrückt werden könne und dann eine erhöhte Infektionsgefahr bestehe.

Nach der Genesung

Sport ist nicht für die Prävention schwerer Verläufe von COVID-19 nützlich. Auch nach überstandener Erkrankung kann körperliches Training wertvolle „Dienste“ leisten. Denn auch nach der Genesung und der Entlassung aus einem Krankenhaus haben viele Patienten noch Beschwerden und können eigentlich noch nicht als gesund bezeichnet werden. Zu den Symptomen zählten etwa Fatigue, Belastungsintoleranz und neurologische und psychische Störungen wie Albträume und Vergesslichkeit, berichtete kürzlich Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, bei einer Online-Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.  

Genesen bedeute nicht gesund, betont die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie . Denn auch nach Abklingen der Infektion könnten Lungenfunktion und körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein, so die Fachgesellschaft, deren Experten kürzlich Empfehlungen zur Rehabilitation von COVID-19-Patienten erstellt haben.

Die längerfristigen Folgen und Einschränkungen der neuen Infektionskrankheit seien bisher jedoch noch weitestgehend unbekannt. Doch schon die SARS-1-Pandemie von 2002/2003 kann einige Sorgenfalten hervorrufen. So wurden bei Infizierten nachhaltige Beeinträchtigungen von Lungenfunktion, Muskelkraft sowie Schmerzen, Erschöpfungssyndrom, Depressionen, Angstzustände, berufliche Probleme und verminderte Lebensqualität nachgewiesen.

Während der SARS-1-Epidemie durchgeführte CT-Untersuchungen des Thorax hätten bei etwa 2 Drittel der Patienten retikuläre fibrotische Veränderungen nachgewiesen und Lungenfunktionsuntersuchungen bei 20% ein „restriktives Muster“. Darüber hinaus sei beschrieben worden, „dass ein hoher Anteil der Patienten in der Rehabilitationsphase eine deutliche Leistungseinschränkung aufwies. So hatten 41% eine verminderte maximale Sauerstoffaufnahme. Auch im 6-Minuten-Gehtest zeigten 3 Viertel der untersuchten Patienten eine Verminderung der Gehstrecke um 2 Standardabweichungen.

Ausdauersport und Krafttraining

Auch „CT-Bilder der Lungen von genesenen COVID-19- Patienten legen nahe, dass viele von ihnen nicht wirklich gesund sind, sondern als Folge der Infektion mehr oder weniger starke Lungenschäden aufweisen“, sagt Prof. Dr. Andreas Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachbereichs Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land und Mitautor der DGP-Empfehlungen. So sei davon auszugehen, dass auch nach Überwinden der Akutphase der Gasaustausch der Lunge langfristig beeinträchtigt sein könne. Auch Patienten, die nicht hätten beatmet werden müssen, könnten Probleme damit haben.

Körperliches Training ist daher eine wichtige Säule der Rehabilitation. Je nach Schwere der körperlichen Einschränkungen könnten „verschiedene Ausdauertrainingsformen wie Fahrradergometer, ein Gehtraining oder langsames Jogging zum Einsatz kommen“, heißt es in den DGP-Empfehlungen. Eine wertvolle Maßnahme scheine außerdem lokales Krafttraining der wichtigsten Hauptmuskelgruppen zu sein, vor allem bei immobilitätsbedingter Muskelatrophie und -dysfunktion.

Myokarditis als potenzielles Problem

Zu bedenken ist im Zusammenhang mit Sport bei COVID-19-Patienten, dass diese Virus-Erkrankung – wie andere virale Infektionen – den Herzmuskel schädigen und auch eine fulminante Myokarditis verursachen kann, die nicht allein für ältere Menschen lebensbedrohlich ist. 

Die Myokarditis zählt zu den führenden Ursachen des plötzlichen Herztods im Sport bei Athleten unter 35 Jahre. Ein Problem dabei sind die oft unspezifischen Symptome, etwa Müdigkeit, Unwohlsein, Leistungsminderung, Muskelkater oder erhöhter Ruheherzfrequenz. Wie hoch das Myokarditis-Risiko bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 ist, kann nach Angaben von Sportmedizinern und Kardiologen derzeit allerdings nicht genau gesagt werden.

Bereits bei symptomfreien SARS-CoV-2–positiven Sportlern sei daher ein Ruhe-EKG ratsam. Bei symptomatischen Sportlern mit und ohne Pneumonie sollte zusätzlich eine Echokardiographie und ein Belastungs-EKG durchgeführt werden. Bei Hinweisen auf eine myokardiale Beteiligung (etwa erhöhte Troponin-Werte) sollte die Indikation für ein Kardio-MRT großzügig gestellt werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
 

Kommentar

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