Tourismus zu Corona-Zeiten: Wer aus Risikogebieten einreist, muss sich bald verbindlich testen lassen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

28. Juli 2020

Bundesweit infizieren sich wieder mehr Menschen mit SARS-CoV-2. Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin berichtete am 24. Juli von 815 Neuinfektionen. Dies ist höher als der Schnitt in den Vorwochen, heißt es in einer Pressemeldung. Als Erklärung führt das RKI kleinere Ausbrüche durch Feiern und Freizeitaktivitäten an, nennt aber auch Reiserückkehrer.

 
Wir müssen verhindern, dass Reiserückkehrer unbemerkt andere anstecken und so neue Infektionsketten auslösen. Jens Spahn
 

Darauf hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun reagiert. Wer nach einem Urlaub in Risikogebieten wieder nach Deutschland kommt, muss sich bald auf SARS-CoV-Infektionen testen lassen. Die Alternative wäre, sich 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben. Wer sich nicht daran hält, hat je nach Bundesland mit Bußgeldern von 500 bis 10.000 Euro zu rechnen.

„Wir müssen verhindern, dass Reiserückkehrer unbemerkt andere anstecken und so neue Infektionsketten auslösen“, erklärte Spahn am 28. Juli. Das Infektionsschutzgesetz gebe dies ausdrücklich her. „Deswegen werde ich eine Testpflicht für Einreisende aus Risikogebieten anordnen. Das dient dem Schutz aller Bürgerinnen und Bürger.“ Gleichzeitig kündigte der Minister an, die Tests seien für Reisende kostenlos.

Verordnung für kommende Woche geplant

Die Verordnung soll voraussichtlich nächste Woche in Kraft treten. Grundlage ist §5 Abs. 2 Nr. 1e des Infektionsschutzgesetzes. Unter einem Risikogebiet versteht man laut Definition des Robert Koch-Instituts Regionen, es in den letzten 7 Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab oder in denen ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Die RKI-Liste der Risikogebiete umfasst derzeit unter anderem die USA, die Türkei, Südafrika, Serbien, die Russische Föderation, Luxemburg, Israel, Indien, Brasi

Auch Reisende aus Nicht-Risikoländern können sich freiwillig und kostenlos innerhalb von 72 Stunden testen lassen – aber nicht am Flughafen, sondern in Arztpraxen oder Gesundheitsämtern. Für den direkten Erregernachweis kommen dabei laut RKI nur PCR-Methoden infrage.

Testzentren an Flughäfen, Bahnhöfen und Grenzübergängen

Bereits zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, an großen Grenzübergängen zu Österreich sowie an den Hauptbahnhöfen München und Nürnberg SARS-CoV-2-Testzentren einzurichten. „Meine Sorge ist nicht, dass es ein großes Ischgl gibt, sondern viele Mini-Ischgls“, erklärte Söder. „Corona kommt schleichend zurück, aber mit aller Macht.“

Auf Flughäfen soll es in Bayern ähnliche Screenings geben, laut Söder „unbedingt und so schnell wie möglich“, wobei hier schon viele Vorbereitungen getroffen worden seien.

 
Meine Sorge ist nicht, dass es ein großes Ischgl gibt, sondern viele Mini-Ischgls. Corona kommt schleichend zurück, aber mit aller Macht. Markus Söder
 

Am 27. Juli veröffentlichte der ADAC eine Übersicht zu SARS-CoV-Tests an deutschen Flughäfen. Derzeit kostet der Test laut Verband nur am Flughafen Frankfurt 59 Euro bei Ergebnissen innerhalb von 6 bis 8 Stunden und 139 Euro bei Resultaten innerhalb von 3 Stunden. Die Kapazität lag ursprünglich bei 300 Tests pro Stunde – mit Möglichkeiten zur Steigerung. Patienten erhalten ihre Ergebnisse digital auf das Smartphone.

Ursprünglich handelte es sich um ein Pilotprojekt (wie Medcape berichtete). Am Münchener Flughafen müssen sich Passagiere 4 Stunden gedulden, um ihre Ergebnisse zu erfahren, und am Flughafen Köln/Bonn dauert es 24 Stunden.

Um Reisende zu untersuchen, werden anfangs mobile Labors zum Einsatz kommen. Ein Modellprojekt der Stiftung Baden-Württemberg hat gezeigt, dass sich alle Geräte unter höchsten Sicherheitsstandards in Trucks einbauen lassen. Die Kapazität liegt bei etwa 500 Untersuchungen pro Stunde (wie Medscape berichtete).Die Flughäfen Hamburg und Berlin haben aktuell noch keine Testmöglichkeit vor Ort.

Streit um die Kostenübernahme

Spahn selbst machte klar, es sollte keine Frage des Geldbeutels sein, sich testen lassen zu können. Er setzt auf kostenlose Untersuchungen – und erhält Unterstützung aus der Wissenschaft. „Hier mit dieser Stigmatisierung zu arbeiten, ist kontraproduktiv in einer Pandemie“, sagte Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg. „Es geht um die Sicherheit aller.“

 
Wer sich in ein Risiko freiwillig begibt, als Tourist, der wird dann in Kauf nehmen müssen, dass er für diesen Test auch bezahlt. Christian Lindner
 

FDP-Chef Christian Lindner ist damit nicht einverstanden: „Wer sich in ein Risiko freiwillig begibt, als Tourist, der wird dann in Kauf nehmen müssen, dass er für diesen Test auch bezahlt.“ Auch mehrere Landesminister hatten ihren Unmut geäußert. Details zur Finanzierung nennt Spahn aktuell nicht.
 

Kommentar

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