Rauchen, Paffen oder Dampfen – eine aktuelle Übersichtsarbeit im European Heart Journal vergleicht die gesundheitlichen Folgen von Zigaretten, Wasserpfeifen (Shisha) und E-Zigaretten [1].
Die Arbeit sei der „weltweit erste Vergleich der Auswirkungen der drei Formen des Rauchens und Dampfens auf die menschliche Gesundheit und die Funktion der blutgefäßauskleidenden Zellen (Endothel)“, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung der European Society of Cardiology.
Sie gibt außerdem einen Überblick über die derzeit verfügbaren Erkenntnisse zu den jeweils produzierten schädlichen Chemikalien und die auf den Körper einwirkenden Mechanismen. Die Forscher um Erstautor Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, untersuchten zudem die Auswirkungen der Substanzen auf das Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenkrebs.
Fehlende Transparenz und selektive Quellenwahl
„Die Autoren haben zweifellos eine große Menge an Literatur ausgewertet“, sagt Dr. Ute Mons, Wissenschaftlerin am Deutschen Krebsforschungszentrum und am Uniklinikum Köln, im Gespräch mit Medscape. Kritisch äußert sie sich jedoch hinsichtlich des Auswahlprozesses der angeführten Quellen: „Es gibt keinen einzigen Satz in der Publikation, aus dem hervorginge, nach welchen Kriterien die Literatur ausgewählt wurde.“
Die fehlende Transparenz sei dabei das Eine, so Mons. An verschiedenen Stellen würde jedoch eine vollkommen selektive Quellenwahl offenbar. Beispielhaft führt Mons eine Grafik in der Publikation (Figure 1) an. Darin wird das Erkrankungsrisiko (Odd Ratio von Rauchern von Zigaretten und Wasserpfeifen bzw. Dampfern – E-Zigaretten) für verschiedene chronische Krankheiten gegenübergestellt. Zusätzlich geben die Autoren in der Grafik den Evidenzgrad (stark, gut, mittel) ihrer Aussagen an.

Dr. Ute Mons
Laut dieser Grafik steht etwa die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit „guter Evidenz“ in einem Zusammenhang mit dem Rauchen von Tabakzigaretten (OR: 8,04). „Die Aussage beruht auf den Ergebnissen einer einzelnen Kohortenstudie“, erklärt Mons. „Zweifellos hätten sich genügend gute Metaanalysen gefunden, die den Zusammenhang auch mit ‚starker‘ Evidenz belegt hätten.“
COPD-Ergebnisse: Umgekehrte Kausalität?
Mit gleicher Evidenzstärke („gut“) wurde der Zusammenhang von E-Zigaretten mit der chronischen Lungenerkrankung bewertet (OR: 2,94). Mons kritisiert auch diese Darstellung, hier sei der Evidenzgrad aber womöglich als zu hoch eingeschätzt worden. „Die Aussage basiert ebenfalls auf einer einzelnen querschnittlich ausgewerteten Kohortenstudie. Die Teilnehmer dieser Studie berichteten zudem selbst von ihrer Erkrankung, wodurch die Aussagekraft zusätzlich begrenzt wird“, kritisiert die Epidemiologin.
Hinzu komme, dass sich eine COPD langsam über viele Jahre entwickelt. E-Zigaretten seien aber erst seit etwas über einem Jahrzehnt auf dem internationalen Markt, in Deutschland sogar noch etwas kürzer. Um valide Aussagen zu den Langzeitfolgen der E-Zigaretten zu treffen, gebe es deshalb noch gar nicht genügend Daten, sagt sie.
Außerdem würden vielen Zigarettenrauchern, die bereits die chronische Lungenerkrankung entwickelt hätten und trotz vieler Versuche nicht vom Rauchen loskämen, vielfach von ärztlicher Seite E-Zigaretten empfohlen, so Mons. Zumindest kurzfristige positive Effekte hätten sich durch die Wechsel gezeigt. Hier gibt es deshalb möglicherweise das Problem der umgekehrten Kausalität: Die Studienteilnehmer rauchen E-Zigaretten wegen ihrer Lungenkrankheit, sie ist aber nicht die Folge des Rauchens.
WHO-Report besser
Mons bezeichnet denn auch die Auswahl besagter Studien als „unwissenschaftlich“. Wie man es hätte besser machen können, zeigt ihrer Meinung nach ein kürzlich veröffentlichter Bericht der World Health Organisation (WHO).
Der Report sei zwar viel allgemeiner, aber er stelle dennoch in aller Kürze die gesamte Kontroverse zu E-Zigaretten und die Public-Health-Implikationen recht differenziert da. Demnach bringen E-Zigaretten zweifellos gesundheitliche Risiken mit sich (für Nichtraucher und insbesondere für Jugendliche), aber in bestimmten Gruppen bieten sie auch Chancen (Raucher, die nicht von der Zigarette loskommen).
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Gesundheitliche Folgen von Zigaretten, Shishas und E-Zigaretten: Harsche Experten-Kritik an einer Vergleichsstudie - Medscape - 23. Jul 2020.
Kommentar