Physician Assistants in der Praxis – ein interessanter Ansatz für Hausärzte? Doch vor allem: Wer zahlt dafür?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

22. Juli 2020

Viele angehende Physician Assistants (PAs) würden gerne im ambulanten Bereich arbeiten. Aber nach wie vor ist ihre Finanzierung im ambulanten Sektor ungeklärt. Nun könnte sich aber etwas bewegen. Denn im September geht in Niedersachsen erstmals ein Studiengang für PAs an den Start – Bachelorstudium „Physician Assistance für Gesundheitsberufe“ –, und die Absolventen sollen auch in Hausarztpraxen arbeiten können [1].

So will es einer der Initiatoren, Dr. Volker Eissing, Hausarzt in Papenburg. Ein Campus der künftigen Ausbildung wird am Ludmillenstift in Meppen liegen, der andere an seiner Praxis. Das Curriculum kommt von der Hamburger Carl Remigius Medical School.

Eissing drängt darauf, die Finanzierung zu klären. Daneben ist auch unklar, ob der Eifer der PA-Absolventen auf Gegenliebe stößt. Der Niedersächsische Hausärzteverband ist jedenfalls zurückhaltend.

„Das Interesse ist riesig“, sagt dagegen Eissing. Auf die 35 Plätze des ersten Jahrgangs zählt er bereits 70 Interessierte. Dabei habe es nur einen einzigen Artikel in der örtlichen Presse über das neue Studienangebot gegeben. „Wenn die KV das Angebot an ihre Mitglieder rausschickt, wird es noch viel mehr Interessierte aus den Praxen geben“, glaubt Eissing.

Berufsbegleitendes Studium

Anders als bei bisherigen Studienangeboten zum PA an den Ausbildungsstätten in Deutschland wird es im Papenburger und Meppener Projekt keinen Blockunterricht geben, sondern nur einen berufsbegleitenden Studientag. Den Rest der Woche können die Studierenden in ihren Einrichtungen arbeiten, also zum Beispiel den Praxen. Die Abwesenheitszeiten der Studierenden werden so für den Praxischef berechenbar, meint Eissing. Dafür entfallen die Semesterferien.

 
Mit dem neuen Studiengang können wir dem akuten Fachkräftemangel entgegenwirken, der schon jetzt zu Versorgungsengpässen in ländlichen Regionen führt. Wilhelm Wolken
 

Der Studiengang ist Kandidatinnen und Kandidaten aus Gesundheitsfachberufen vorbehalten. Das berufsbegleitende Studium dauert 3 Jahre und endet mit dem Abschluss „Bachelor of Science“.

„Mit dem neuen Studiengang können wir dem akuten Fachkräftemangel entgegenwirken, der schon jetzt zu Versorgungsengpässen in ländlichen Regionen führt“, sagt Wilhelm Wolken, Geschäftsführender Verwaltungsdirektor des Krankenhauses Ludmillenstift. Zugleich könnten sich so Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsfachberufen weiterentwickeln.

 
Wir als Ärzte können Aufgaben an die PAs delegieren und haben selbst die Hände frei für Diagnose und Therapie. Dr. Volker Eissing
 

Auch Landarztpraxen dürften vielerorts wegen der angespannten Versorgungslage PAs einstellen wollen, ist Eissing sich sicher. „Wir als Ärzte können Aufgaben an die PAs delegieren und haben selbst die Hände frei für Diagnose und Therapie.“ In Eissings Praxis arbeiten denn auch 6 PAs. Sie betreuen unter anderem die 147 MS-Patienten der Praxis, viele Rheuma-Patienten und kennen sich auch mit der bildgebenden Diagnostik aus, berichtet Eissing: „Wenn wir die PAs haben, können wir mit der Realität leben, dass wir vor allem auf dem Land immer weniger Ärzte und immer mehr und ältere Patienten haben.“

Rund 1.000 PA-Studierende in Deutschland

Derzeit studieren 1.022 Studierende an 10 Schulen in Deutschland, um den Bachelor PA zu erwerben. Tatsächlich interessieren sich rund ein Drittel der Erstsemester des PA-Studiums an seiner Studienstätte für eine Arbeit im niedergelassenen Bereich, schätzt Prof. Dr. Peter Heistermann, Vorsitzender des Deutschen Hochschulverbandes Physician Assistants e.V. und stellvertretender Studiengangleiter an der Düsseldorfer Fliedner Fachhochschule.

 
Für Hausärzte dagegen sind PAs schwer zu finanzieren. Prof. Dr. Peter Heistermann
 

Allerdings greife kaum eine Praxis auf die neuen Fachkräfte zu, gerade mal 10% der Absolventen landeten in einer Praxis, berichtet Heistermann: „Denn die Finanzierung ist ungeklärt. Die Praxen müssten ihre PAs aus dem Budget bezahlen.“ Deshalb seien ambulant arbeitende PAs meistens in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder größeren Facharztpraxen zu finden. „Für Hausärzte dagegen sind sie schwer zu finanzieren“, sagt Heistermann.

Eine neue EBM-Ziffer für die PAs? Die KBV schweigt sich aus

Wie die Arbeit der PAs honoriert werden soll, ist in der Tat ungeklärt. In Eissings Praxis erhalten die PAs doppelt so viel Geld wie die Medizinischen Fachangestellten (MFA), so der Hausarzt. Darum ist er an die KV Niedersachsen (KVN) herangetreten und hat sich vor dem Hauptausschuss dafür stark gemacht, 500 Fälle mehr zu erhalten, bevor abgestaffelt wird; das bedeutet in Niedersachsen eine Obergrenze von 1.850 Fällen statt von 1.350 Fällen. „Unsere Fallzahlen auf dem Land liegen ja deutlich höher als die 913 Fälle, die die KVN landesweit vorsieht“, sagt Eissing, „eher bei 2.000 Fällen.“

Die KVN ist skeptisch. Sie kann sich eher eine neue EBM-Ziffer vorstellen als den Honorarverteilungsmaßstab (HVM) anzutasten, wie Detlef Haffke sagt, Sprecher der KVN. „Es gibt Gespräche dazu mit der KBV.“ Denn eine entsprechende EBM-Ziffer würde frisches Geld für die Praxen mit PAs bedeuten, während eine Änderung des HVM auch Verluste für die Praxen brächte, die mit PAs nichts zu tun haben, so Haffke.

Die KBV indessen hält sich mit Aussagen zur Honorierung von PAs zurück und will keine näheren Angaben machen. „Zurzeit sind andere Themen wichtig“, so eine KBV-Sprecherin.

Skepsis beim Niedersächsischen Hausärzteverband

Bleibt die Frage, ob sich etwa Hausärzte PAs in die Praxis holen würden. Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Niedersächsischen Hausärzteverbandes, bleibt skeptisch. Er sehe „aktuell wenig Bedarf zusätzlich zu VERAHs und NÄPAs, insbesondere, wenn diese noch Zusatzqualifikationen erworben haben“, so Berndt auf Nachfrage. So seien die meisten Hausärzte mit ihren NÄPAs (Nichtärztliche Praxisassistentinnen) und VERAHs (Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis) sehr zufrieden.

Außerdem verweist auch Berndt auf die ungeklärte Finanzierung. „Eine zusätzliche Leistung bedeutet zusätzliche Finanzierung durch die Krankenkassen; diese werden sich aber genau überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben“, so Berndt zu Medscape. „Das Gedankenspiel, den Honorarverteilungsmaßstab und Abstaffelungsregelungen zu ändern, bedeutet, dass alle anderen Ärzte in Niedersachsen denjenigen, der das fordert, quer finanzieren. Dies ist aufs Schärfste abzulehnen.“

 

Kommentar

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