Methotrexat (MTX) wird als Standardmedikament zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) eingesetzt. Weil Patienten mit RA häufig unter interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) leiden, stand der Immunmodulator jahrelang unter Verdacht, das Risiko für solche Lungenerkrankungen zu erhöhen.
2 Studien – eine Registerstudie aus Dänemark und eine Fallkontrollstudie aus Frankreich – die auf dem Onlinekongress der Europäischen Rheumaliga EULAR präsentiert wurden, zerstreuen diesen Verdacht nun.
Interstitielle Lungenerkrankungen sind eine häufige und schwere Folge der rheumatoiden Arthritis, zwischen 5 und 10% der RA-Patienten leiden daran. Eine ILD führt zu entzündlichen Veränderungen im Lungengewebe und in den Lungenbläschen und führt im schweren Verlauf zur Lungenfibrose. Das kann eine lebenslange Versorgung mit Sauerstoff oder sogar eine Lungentransplantation notwendig machen.
„Eine Lungenerkrankung ist bei rund 10 bis 20 Prozent aller RA-Patienten die Ursache für frühzeitigen Tod“, erklärt EULAR Präsident Prof. Dr. Iain B. McInnes aus Glasgow, Schottland, in einer Pressemitteilung der EULAR dazu [1]. Umso wichtiger sei es besonders jetzt in Pandemiezeiten, weitere Risikofaktoren für eine Anfälligkeit der Lunge bei diesen Patienten zu vermeiden, so McInnes.
Dänische Registerstudie
In der Studie aus Dänemark wurden 30.512 RA-Patienten, die zwischen 1997 und 2015 im Dänischen Nationalen Patientenregister und im DANBIO Register für rheumatische Erkrankungen registriert waren, auf ILD und Atemprobleme untersucht, unter Berücksichtigung der jeweiligen Medikation.
Von den 30.512 Patienten hatten 60% mindestens ein Rezept für MTX eingelöst, 35% ein Rezept für Sulfasalazin, 6% ein Rezept für Amiodaron oder Nitrofurantoin, und 27% hatten am Ende der 5-jährigen Nachbeobachtung von ILD und respiratorischer Insuffizienz keines dieser Medikamente erhalten.
Es zeigte sich, dass die MTX-Behandlung nicht mit einem erhöhten Lungenkrankheitsrisiko verbunden war (≥1 erlöste(s) Rezept(e) im Vergleich zu keiner Verschreibung): HR 1,00 (95% KI 0,78 bis 1,27) für ILD und HR 0,54 (95% KI 0,43 bis 0,67) für respiratorische Insuffizienz bei 5-Jahres-Follow-up.
„Das Risiko für eine interstitielle Lungenerkrankung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist zwar insgesamt höher als in der Allgemeinbevölkerung. Basierend auf den vorliegenden Daten gibt es aber keinen evidenten Zusammenhang zur Behandlung mit Methotrexat“, fasste Prof. Dr. Lene Dreyer von der Aalborg Universität in Dänemark die Ergebnisse ihrer aktuellen Kohortenstudie auf dem EULAR zusammen.
Französische Fallkontrollstudie
Zum gleichen Ergebnis kommt auch eine aktuelle Fallkontrollstudie aus Frankreich, die ebenfalls den Zusammenhang zwischen MTX-Gabe und Lungenerkrankungen bei 482 Patienten mit RA-ILD und 741 Patienten mit RA ohne ILD untersucht hatte.
Die Analyse ergab eine inverse Beziehung zwischen MTX-Exposition und RA-ILD (OR 0,48; 95% KI 0,25 bis 0,92; p=0,028). Patienten, die MTX anwendeten, waren in der Gruppe RA-ILD im Vergleich zu RA-Patienten ohne ILD seltener vertreten. Bei Patienten mit RA-ILD war der ILD-Beginn bei MTX-Anwendern im Vergleich zu Patienten, die nie MTX verwendet hatten, signifikant verzögert (11,5 ± 10,6 Jahre bzw. 3,7 ± 7,1 Jahre; p<0,001).
„Bei insgesamt 1.223 RA-Patienten konnten wir zeigen, dass MTX nicht nur keinen Einfluss auf die Entstehung einer interstitiellen Lungenerkrankung hat, sondern diese sogar noch verzögern könnte“, resümiert der Autor Dr. Pierre-Antoine Juge vom Bichat-Claude Bernard Hospital in Paris seine Untersuchungen. „RA-Patienten mit immunsuppressiver Therapie waren um mehr als die Hälfte weniger von ILD betroffen als RA-Patienten, die keine MTX-Therapie erhielten“, fügte Juge hinzu.
Prof. Dr. John Isaacs von der Newcastle University, Großbritannien, EULAR Scientific Committee Chair, betonte: „Es müssen natürlich noch weitere Untersuchungen folgen, um die Ergebnisse zu festigen und letztendlich Patienten und Ärzten die Sicherheit zu geben, dass eine Therapie mit MTX keinen negativen Einfluss auf die Lungengesundheit der Patienten mit rheumatoider Arthritis hat.“ Nicht vergessen werden sollte, so Isaacs, dass MTX eine akute Pneumonie auslösen könne.
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Diesen Artikel so zitieren: Entwarnung für Rheumapatienten unter Methotrexat: Risiko für interstitielle Lungenentzündung nicht erhöht - Medscape - 16. Jul 2020.
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