Neu entdeckter Nutzen durch Analyse der DAPA-HF-Studie: Dapagliflozin senkt die Typ-2-Diabetes-Inzidenz bei HFrEF-Patienten

Mitchel L. Zoler

Interessenkonflikte

15. Juli 2020

Eine Dapagliflozin-Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz, aber ohne Diabetes führte in der multizentrischen DAPA-HF-Studie (Dapagliflozin and Prevention of Adverse Outcomes in Heart Failure) zu einem relativen Rückgang der Diabetesinzidenz um ein Drittel. Das ist nach einem durchschnittlichen Follow-up-Zeitraum von 18 Monaten und vordefinierter Analyse das Resultat für 2.605 Herzinsuffizienz-Patienten ohne Diabetes.

Die Ergebnisse sind die erste Evidenz dafür, dass SGLT2-Hemmer wie etwa Dapagliflozin den Ausbruch eines Typ-2-Diabetes verhindern oder verlangsamen könnten. Dapagliflozin bietet damit Patienten mit Herzinsuffizienz und verminderter Ejektionsfraktion (HFrEF) wie in der DAPA-HF-Studie „einen zusätzlichen Nutzen“. So äußerte sich Dr. Silvio E. Inzucchi, Endokrinologe an der Yale University in New Haven, anlässlich des online abgehaltenen Jahreskongresses der American Diabetes Association (ADA) [1].

Die DAPA-HF-Studie hatte bereits früher zeigen können, dass die Behandlung mit diesem Medikament den kombinierten primären Endpunkt der Studie aus kardiovaskulärem Tod und deutlicher Verschlechterung einer Herzinsuffizienz signifikant reduziert.

Während der 18-monatigen Nachbeobachtungszeit entwickelten 7,1% der Patienten in der Placebo-Gruppe einen Typ-2-Diabetes. In der Dapagliflozin-Gruppe waren es 4,9%. Dieser absolute Unterschied von 2,2% bedeutet eine relative Risikominderung um 32%, die für diesen vordefinierten, aber „explorativen“ Endpunkt statistisch signifikant war, so Inzucchi.

Das Kriterium für die Diagnose Diabetes war in dieser Analyse erhöhter HbA1c-Spiegel von mindestens 6,5% in 2 aufeinanderfolgenden Messungen. Die 2.605 rekrutierten Patienten ohne Diabetes in der DAPA-HF-Studie machten 55% der gesamten Studienkohorte von 4.744 Patienten mit HFrEF aus.

Die 32%ige relative Risikoreduktion bei der Diabetesinzidenz war besonders für die zu Studienbeginn mit Prädiabetes rekrutierten Patienten relevant. Dafür folgte man der üblichen Definition des Prädiabetes, d.h. ein HbA1c-Wert von 5,7% bis 6,4% (67% der Studienkohorte).

Von den 157 DAPA-HF-Patienten (6%), die während der Studie einen Diabetes entwickelten, hatten 150 (96%) einen Prädiabetes nach der üblichen Definition gehabt; 136 (87%) hatten auch nach einem strengeren Diagnosekriterium mit einem HbA1c-Wert von 6,0% bis 6,4% noch einen Prädiabetes.

Um die präventive Wirkung von Dapagliflozin in einen größeren Kontext zu bringen, wies Inzucchi auf den 31%igen Rückgang der Inzidenz unter Metformin in einer Studie der Diabetes Prevention Program Research Group hin.

Nach den aktuellen Ergebnissen ist „Dapagliflozin das erste Medikament, das nachweislich in einer einzigen Studie sowohl die Inzidenz für einen Typ-2-Diabetes als auch die Mortalität senkt“. Es sei zudem das erste Mittel aus der Klasse der SGLT2-Hemmer, das eine Diabetes-präventive Wirkung habe, stellte Inzucchi fest.

 
Dapagliflozin ist das erste Medikament, das nachweislich in einer einzigen Studie sowohl die Inzidenz für einen Typ-2-Diabetes als auch die Mortalität senkt. Dr. Silvio E. Inzucchi
 

Es ist bekannt, dass Patienten mit sowohl Herzinsuffizienz als auch Diabetes im Vergleich zu Patienten mit nur einer dieser Erkrankungen eine deutlich erhöhte Mortalität haben, und das hohe Risiko infolge der Komorbidität spiegele sich in den Ergebnissen wider.

Die 157 HFrEF-Patienten der Studie, die an Diabetes erkrankt waren, hatten im Nachbeobachtungszeitraum eine um statistisch signifikante 70% erhöhte Gesamtmortalität im Vergleich zu HFrEF-Patienten ohne Diabetes-Diagnose. Auch die Inzidenz kardiovaskulär bedingter Todesfälle war um signifikante 77% erhöht.

Ein signifikanter Einfluss der Diabetes-Neudiagnosen auf die Zahl der Klinikeinweisungen wegen einer Herzinsuffizienz in Verbindung mit kardiovaskulär bedingten Todesfällen als weiteren Endpunkt der Studie konnte in der Analyse nicht gezeigt werden.

 
Ein Medikament, das auf beide Krankheiten (Diabetes und Herzinsuffizienz) abzielt, kann von großem Nutzen sein. Dr. Muthiah Vaduganathan
 

„Dies ist eine ungeheuer wichtige Analyse. Wir wissen, dass ein Diabetes das Risiko für eine Herzinsuffizienz erhöht, was selbst bei einer relativ kurzen Nachbeobachtungszeit der Fall ist. Ein Medikament, das auf beide Krankheiten abzielt, kann von großem Nutzen sein“, sagte Dr. Muthiah Vaduganathan, Kardiologe am Brigham and Women's Hospital in Boston, dazu.

Wirkt sich Dapagliflozin positiv auf die Insulinsensivität aus?

Die Auswirkungen von Dapagliflozin auf die durchschnittlichen HbA1c-Werte während der DAPA-HF-Studie waren minimal. Die Werte gingen bei Patienten mit bekanntem Prädiabetes um durchschnittlich 0,04% und bei den übrigen Patienten um 0,05% zurück. Dies deutet darauf hin, dass die Mechanismen, über die Dapagliflozin den manifesten Diabetes verhindert, nicht einfach mit einer Verringerung der Hyperglykämie zu begründen sind, und der beobachtete Rückgang der Diabetesinzidenz wurde offenbar nicht durch eine „Maskierung“ der Hyperglykämie durch Dapagliflozin verursacht, so Inzucchi.

Eine mögliche Erklärung wäre, dass Dapagliflozin, das in der DAPA-HF-Studie auch die Lebensqualität verbesserte und die Krankenhausaufenthalte verringerte, zu verbesserten Funktionen bei den Patienten und einer höheren Mobilität führte, was sich positiv auf ihre Insulinsensitivität auswirke, spekulierte Vaduganathan in einem Interview.

Der neu entdeckte Nutzen von Dapagliflozin „ist eine großartige Nachricht“, äußerte Dr. Yehuda Handelsman, Endokrinologe und Diabetes-Spezialist am Metabolic Institute of America im kalifornischen Tarzana. „Es ist ein beeindruckendes und wichtiges Ergebnis und ein weiterer Grund, Dapagliflozin bei Patienten mit HFrEF einzusetzen, die man ja vor einer Verschlechterung ihres Zustandes zu bewahren versucht.“

Die DAPA-HF-Studie

Für die DAPA-HF-Studie wurden von Februar 2017 bis August 2018 an 410 Zentren in 20 Ländern HFrEF-Patienten rekrutiert. Der primäre Endpunkt der Studie war die kombinierte Inzidenz aus kardiovaskulär bedingtem Tod und Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Diese Verschlechterung wurde bei 16,3% der Patienten, die randomisiert Dapagliflozin erhielten, beobachtet sowie bei 21,2% der Kontrollpatienten, die zwar die Standardtherapie bekommen hatten, jedoch statt des Studienmedikaments ein Placebo. Diese Werte entsprachen einer statistisch signifikanten relativen Risikominderung um 26%.

In der Untergruppe von 2.605 Patienten, die zu Beginn der Studie keinen Typ-2-Diabetes hatten, gingen die Ereignisse des primären Endpunktes unter Dapagliflozin um statistisch signifikante 27% zurück. Damit konnte erstmals gezeigt werden, dass ein SGLT2-Hemmer diesen Endpunkt bei nicht diabetischen HFrEF-Patienten wirksam zu senken vermag. Typ-1-Diabetiker wurden nicht in die DAPA-HF aufgenommen.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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