Studien, die zur Zulassung von 75 neuen Krebsmedikamenten in den USA geführt haben, entsprechen oft nicht den wissenschaftlichen Erwartungen. Ein Drittel aller Arbeiten zeigte keinen Überlebensvorteil, und bei einem Viertel waren die Kontrollen suboptimal. Zu dem Ergebnis kommen Forscher um Dr. Talal Hilal vom University of Mississippi Medical Center, Jackson, in JAMA Internal Medicine [1].
Analyse zulassungsrelevanter Studien
Zum Hintergrund: Für klinische Studien, die in Amerika zu einer Zulassung onkologischer Medikamente durch die Food and Drug Administration (FDA) geführt haben, liegen mittlerweile mehrere Bewertungen vor. Der kumulative Prozentsatz aller Zulassungen auf der Basis von Studien mit methodischen Einschränkungen sei aber unbekannt, schreiben die Autoren.
Ziel ihrer Beobachtungsstudie war, herauszufinden, wie viele Arbeiten Probleme in den Bereichen „fehlende Randomisierung“, „fehlender Nachweis eines Vorteils beim Gesamtüberleben“, „unangemessene Verwendung eines Cross-Over Designs“ und „suboptimale Kontrollarme“ aufwiesen.
Hilals Team untersuchte zulassungsrelevante Studien zwischen dem 30. Juni 2014 und dem 31. Juli 2019. Sie bewerteten die Daten selbst und orientierte sich an der Standardtherapie gemäß aktueller Literatur und Leitlinien.
67 Prozent aller Studien hatten mindestens eine Schwachstelle
Erfasst wurden 187 Studien, die zu 176 Zulassungen für 75 unterschiedliche neue Krebsmedikamente führten. 34% hatten nur einen Studienarm, und 63 % waren randomisiert.
2 Drittel (67%) aller Studien hatten nach Einschätzung der Forscher mindestens einen Mangel („Limitation“), darunter waren knapp die Hälfte (48%) randomisierte Studien.
Unter sämtlichen 123 randomisierten Studien zeigten 30% keinen Überlebensvorteil, 25% hatten „suboptimale“ Kontrollen, und bei 14% gab es Mängel beim Cross-Over-Design.
Spagat zwischen guten Daten und rascher Verfügbarkeit
Bleibt als Fazit: In den USA werden 2 Drittel aller neuen Krebsmedikamente zugelassen, obwohl die Studien dazu in mindestens einer von 4 Domänen „Einschränkungen“ haben, urteilen die Forscher. Die Situation in Europa dürfte ähnlich sein.
Hilal und Kollegen empfehlen Ansätze zur Minimierung der Limitierungen bereits beim Design von Studien, um sicherzustellen, dass die neuen Arzneien tatsächlich eine Verbesserung gegenüber Standardtherapien bringen. Dies klingt plausibel, ist aber keine Garantie. Denn Zulassungsbehörden werden auch in Zukunft auf Basis unvollständiger und niemals perfekter Daten zwischen gegensätzlichen Ansprüchen an die Sicherheit und die schnelle Verfügbarkeit neuer pharmazeutischer Hoffnungsträger abwägen müssen.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 2 von 3 onkologische Zulassungsstudien haben Schwächen – doch die FDA und die EMA stecken in der Klemme - Medscape - 15. Jul 2020.
Kommentar