Erwachsene mit einem hohen Risiko für Typ-2-Diabetes, die entweder eine Lebensstil-Intervention oder Metformin erhalten hatten, entwickelten seltener einen Diabetes als Patienten in einer Placebo-Gruppe. Die Interventionen erfolgten im Rahmen eines 3-jährigen Diabetes-Präventionsprogramms (DPP) zwischen 1996 und 2001. In der DPPOS-Studie (Diabetes Prevention Program Outcomes Study) wurde die Nachbeobachtung durchschnittlich 22 Jahre weitergeführt.
Der DPPOS-Vorsitzende Dr. David M. Nathan und andere Untersucher präsentierten ihre Ergebnisse anlässlich des online abgehaltenen 80. Jahreskongresses der American Diabetes Association (ADA) [1].
Am Ende des Diabetes-Präventionsprogramms 2001 hatten Patienten in der Lebensstil-Interventions- oder Metformin-Gruppe eine um 58% bzw. 31% geringere Wahrscheinlichkeit, neu an Diabetes zu erkranken, als die Patienten aus der Placebo-Gruppe.
Jetzt, 22 Jahre nach der Teilnahme an dem DPP, waren die Patienten durchschnittlich 72 Jahre alt, und die Patienten in der ursprünglichen Lebensstil-Interventions- oder Metformin-Gruppe hatten eine um 25% bzw. 18% geringere Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken.
Teilnehmer, die keinen Diabetes entwickelt hatten, wiesen mit 57%, 37% bzw. 39% signifikant niedrigere Quoten für Augen-, Nieren- und schwere kardiovaskuläre Erkrankungen auf, so die ADA in einer Pressemitteilung.
„Wir konnten zeigen, dass eine Diabetesprävention möglich ist“, sagte Nathan, der am Massachusetts General Hospital und an der Harvard Medical School in Boston tätig ist, im Gespräch mit Medscape.
Einzigartige Langzeitstudie
Die DPP-Teilnehmer hatten ein sehr hohes Diabetesrisiko, betonte Nathan. „Ihre Glukosewerte stiegen an, und sie waren übergewichtig, wenn nicht sogar adipös. Wir haben auch in ethnischen Gruppen, die ein besonders hohes Risiko haben, wie Afro-, Hispano- und asiatischen Amerikanern sowie unter Indianern, überrekrutiert.“
Diese einzigartige Langzeitstudie zeigte „einen ziemlich bemerkenswerten – manch einer würde sagen: nicht unerwarteten – Rückgang bei den Augen-, Nieren- und schweren kardiovaskulären Erkrankungen von Menschen, die nicht an Diabetes erkrankten“, so Nathan.
e, es ist für Ärzte und Prädiabetes-Patienten wichtig zu wissen, dass Erwachsene mit einem hohen Diabetes-Risiko auch nach 22 Jahren weiterhin von Metformin oder einer vorherigen intensiven Lebensstiländerung zur Prävention oder mit Blick auf ein Hinauszögern der Diabetes-Entwicklung profitieren“, sagte Dr. Christine Lee in einer E-Mail an Medscape.
Lee ist Programmleiterin der Abteilung für Diabetes, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten am US-amerikanischen National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK).
Bei Patienten über 60 Jahre sind Lebensstilanpassungen die bessere Prävention
Im Rahmen der DPP wurden 3.234 Patienten mit hohem Diabetesrisiko zufällig einer Placebo-Gruppe, einer Metformin-Behandlung mit 850 mg 2-mal täglich oder einem intensiven Programm zur Lebensstilanpassung zugeteilt. Es sollte eine 7%ige Gewichtsreduktion erreicht und zugleich versucht werden, die Teilnehmer zu wöchentlich 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität zu bewegen.
Am Ende des Präventionsprogramms ließen sich 88% der Teilnehmer (einschließlich derer, die an Diabetes erkrankt waren) im Rahmen des DPPOS weiterbegleiten. Diejenigen, die Metformin einnahmen, nahmen es weiterhin ein, und in allen 3 Gruppen wurden weniger intensive Lebensstilberatungen durchgeführt.
So hatten 15 Jahre nach der Einschreibung beim DPP 55% der Teilnehmer in der Lifestyle-Gruppe und 56% der Teilnehmer in der Metformin-Gruppe einen Diabetes entwickelt, verglichen mit 62% in der Placebo-Gruppe.
Nach 22 Jahren wurden immer noch 75% der noch lebenden Patienten aus der DPP in der DPPOS begleitet.
„Die neuen Ergebnisse zeigten nicht, dass Metformin die Entstehung von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder diabetesbedingten Augen- und Nierenerkrankungen verhindern kann“, betonte Lee. Doch „deuten die Daten darauf hin, dass es einige präventive Effekte von Metformin bei diesen Outcomes für Personen unter 45 Jahren geben könnte, wie z.B. einen Trend zu weniger Schlaganfällen. Aber diese Ereignisse waren in der jüngeren Altersgruppe seltener.“ Es seien weitere Studien erforderlich, bevor sich Schlussfolgerungen für diese Altersgruppe ziehen lassen.
„Umgekehrt schien es bei älteren Erwachsenen unter Metformin ein höheres Risiko für Nierenerkrankungen zu geben“, fuhr sie fort.
Wenn man also dieses Risiko bei Metformin mit früheren und neueren Ergebnissen vergleiche, nach denen eine Lebensstil-Anpassung in der Diabetesprävention besser funktioniere als Metformin und auch das Risiko für Gebrechlichkeit in dieser Gruppe senken könne, „sollte man bei Patienten ab 60 Jahren mit hohem Diabetesrisiko zur Prävention eher auf eine tiefgreifende Veränderung des Lebensstils hinwirken“, so Lee.
Metformin ist in den USA nicht zur Diabetesprävention zugelassen, und es sei unwahrscheinlich, dass einer der verschiedenen Generika-Produzenten bei der FDA einen Antrag auf ein neues Medikament für diese Indikation stelle, so Nathan.
Verbreiteter Prädiabetes, aber wenig DPP-Überweisungen im ambulanten Sektor
In den USA haben schätzungsweise 30 Millionen Menschen einen Diabetes (zumeist Typ 2). Davon sind etwa 7 Millionen noch nicht diagnostiziert, sagte Nathan. Weitere 90 Millionen Menschen haben einen Prädiabetes.
Es seien intensivere Untersuchungen erforderlich, um zu ermitteln, welche prädiabetischen Patienten am anfälligsten für die Entwicklung eines Diabetes seien und am meisten von Präventionsmaßnahmen profitieren würden, sagte er.
Lee äußerte sich ganz ähnlich. Die aktuellen Ergebnisse unterstrichen, „wie wichtig es ist, die Unterschiede in der Wirkungsweise von Metformin bzw. einer Lebensstilanpassung bei einem hohen Diabetesrisiko besser zu verstehen“.
„Wenn die Forschung ein besseres Verständnis dafür schaffen würde, welche Gruppen am stärksten von Metformin oder von einer Anpassung des Lebensstils profitieren könnten, würde dies den Ärzten dabei helfen, mehr Patienten-zentrierte Ansätze in der Diabetesprävention anzubieten“, sagte Lee.
Bis dahin empfehlen die US Preventive Services Task Force und die ADA, Screenings und Lebensstilberatungen, um eine Gewichtsreduktion zu erwirken und darüber die Diabetesgefahr bei Hochrisikopatienten zu senken. Die Präventionsprogramme in den USA werden von Medicare, zahlreichen kommerziellen Gesundheitsprogrammen der Arbeitgeber sowie einigen Programmen von Medicaid und Programmen für Beamte abgedeckt.
Vor etwa 2 Jahren begann das Center for Medicare and Medicaid Services mit der Finanzierung des Lifestyle-Programms zur Diabetesprävention, um Medicare-Leistungen auf Hochrisikopatienten zu konzentrieren, sagte Nathan. Das Programm sei in vielen US-Gemeinden verfügbar.
Die Centers for Disease Control (CDC) haben das komplette Präventionsprogramm zur Lebensstilanpassung aus der DPP-Intervention wieder neu aufgelegt und lassen es an über 1100 Standorten anbieten.
Die Patienten werden von geschultem Personal angeleitet. Dabei geht es darum, zu einer langfristigen Ernährungsumstellung zu kommen und die körperlichen Aktivitäten zu steigern. Letztlich werden sie auch auf die Herausforderungen vorbereitet, einen einmal erreichten Gewichtsrückgang und einen gesunden Lebensstil aufrechtzuerhalten. Die Beratung erstreckt sich über 22 Sitzungen innerhalb eines Jahres.
Allerdings überweisen nur wenige Ärzte prädiabetische Patienten an das Programm. Einer CDC-Studie aus dem Jahr 2019 zufolge haben die Ärzte nur 5% der Personen mit Prädiabetes und 0,4% der Personen mit einem erhöhten Diabetesrisiko zur Teilnahme an einem Diabetes-Präventionsprogramm bewogen.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Diabetes-Prävention ist möglich! Metformin oder Lebensstil-Intervention verringert das Diabetes-Risiko – auch nach 22 Jahren - Medscape - 13. Jul 2020.
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