Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) ist die Revaskularisation – neben der initialen medikamentösen Behandlung – eine häufige Therapieoption. Die perkutane Koronarintervention (PCI) bzw. der Bypass (CABG) bessern die Symptomatik und senken die Rate spontaner Myokardinfarkte. Beide Interventionen verringern aber nicht das erhöhte Sterberisiko, ergab jetzt eine in Circulation veröffentlichte Metaanalyse [1].
Dr. Sripal Bangalore von der New York University School of Medicine und Kollegen hatten 14 Studien ausgewertet, darunter auch neueste Arbeiten wie die ISCHEMIA-Studie. Schon ISCHEMIA hatte einen prognostischen Nutzen der invasiven Revaskularisation durch PCI bei stabiler KHK nicht nachweisen können. Sie zeigte aber, dass die PCI die Symptomatik und Lebensqualität stärker verbessern konnte als eine optimale medikamentöse Therapie alleine.
Metaanalyse mit knapp 15.000 Patienten
14.877 Patienten wurden in die Metaanalyse eingeschlossen. Zumeist handelte es sich um KHK-Patienten mit noch gut erhaltener linksventrikulärer Funktion, relativ geringer Symptombelastung und ohne Hauptstammstenose. Im Mittel wurden sie 4,5 Jahre nachverfolgt; das gesamte Follow-up lag bei 64.678 Personenjahren.
Die Revaskularisation war im Vergleich zur medikamentösen Therapie nicht mit einem verringerten Sterberisiko verbunden (relatives Risiko: 0,99, 95%-Konfidenzintervall 0,90-1,09). Sie reduzierte eine instabile Angina pectoris allerdings signifikant um 36% (RR: 0,64, 95%-KI: 0,45-0,92). Durch eine Revaskularisation wurden auch mehr Patienten frei von Angina-Symptomen (RR: 1,10, 95%-KI: 1,05-1,15). Bei den Endpunkten Herzinsuffizienz und Schlaganfall zeigten sich keine therapiebedingten Unterschiede.
Interventionelle Eingriffe nehmen die Beschwerden
„Die Studie von Bangalore bestätigt eindrucksvoll, dass interventionelle Eingriffe unseren Patienten die Beschwerden nehmen“, kommentiert Prof. Dr. Helge Möllmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I/Kardiologie im St.-Johannes-Hospital Dortmund und Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK), die Ergebnisse. „Das zeigt, dass unser Tun sinnvoll ist“.
Dass die Revaskularisation die Prognose nicht verbessere, weil die Mortalität nicht verringert werde, sei nicht neu, erinnert Möllmann: „Das wissen wir seit Jahren“. Er hält es für wahrscheinlich, dass eine noch längere Nachbeobachtungszeit sich zugunsten der Revaskularisation auswirken könnte. Ausschlaggebend ist das aber nicht: „Wenn wir die Symptome unserer Patienten und damit ihre Lebensqualität erheblich verbessern können, dann ist schon sehr viel erreicht“, sagt er.
Durch Revaskularisation konnte auch das Risiko für spontane Infarkte ohne Bezug zur PCI um 24% gesenkt werden (RR: 0,76, 95% KI: 0,67-0,85). Prozedurale Infarkte traten hingegen häufiger auf (RR: 2,48, 95% KI: 1,86-3,31). Wurden alle Herzinfarkte berücksichtigt, zeigte sich kein Unterschied zur medikamentös behandelten Gruppe (RR: 0,93, 95%-KI: 0,83-1,03).
Periprozedurale Infarkte – ungefährlicher und besser behandelbar
Dass periprozedurale Infarkte häufiger aufträten, müsse bis zu einem gewissen Grad auch in Kauf genommen werden, erklärt Möllmann: „Wird ein Stent implantiert, führt das häufig zu einer leichten Erhöhung der Laborwerte. Das zeigt sich dann als periprozeduraler Infarkt, als kleinerer myokardialer Schaden“.
Anders sieht es beim spontanen Myokardinfarkt aus, der sich durch entsprechende Symptome bemerkbar macht, und eine Diagnostik folgt. Mit spontanen Myokardinfarkten geht auch die Gefahr bösartiger Herzrhythmusstörungen einher. Im Unterschied dazu sind periprozudurale Myokardinfarkte in der Regel kleiner, ungefährlicher und besser behandelbar, weil sich die Patienten zur Zeit des Auftretens unter ärztlicher Kontrolle bzw. in der Klinik befinden.
„Die Daten von Bangalore zeigen, dass bei Patienten mit entsprechenden Symptomen die Indikation für eine PCI großzügig gestellt werden sollte”, bilanziert Möllmann. Die Metaanalyse ergab auch, dass bei jedem dritten Patienten (32%) mit initialer medikamentöser Therapie im Lauf der Zeit eine invasive Revaskularisation notwendig war – am häufigsten bei schwerster Angina pectoris. „Auch das spricht dafür, die Indikation sorgfältig zu stellen und bei Vorliegen von Symptomen am besten invasiv zu therapieren“, so der Experte weiter.
Aus Sicht von Sripal und Kollegen sei nun eine „längerfristige Nachbeobachtung der Studien erforderlich, um beurteilen zu können, ob die gezeigte Reduktion spontaner Herzinfarkte langfristig womöglich doch das Langzeitüberleben verbessert“.
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Diesen Artikel so zitieren: Meta-Analyse schafft Klarheit: Revaskularisation bei stabiler KHK bessert die Symptomatik aber nicht die Prognose - Medscape - 13. Jul 2020.
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