Phase-2-Ergebnisse zum wöchentlichen Basalinsulin: Kommt es zu einem Wandel in der Diabetestherapie?

Miriam E. Tucker

Interessenkonflikte

30. Juni 2020

Nach einer neuen Studie ist das Basalinsulin-Analogon Icodec (Novo Nordisk), das nur einmal wöchentlich verabreicht wird, in puncto Wirksamkeit und Sicherheit mit dem einmal täglich zu verabreichenden Insulin Glargin U100 (Lantus®) vergleichbar.

Dr. Julio Rosenstock vom University of Texas Southwestern Medical Center in Medical City, Dallas, präsentierte am 14. Juni im Rahmen des virtuell abgehaltenen 80. Jahreskongresses der American Diabetes Association (ADA) die Daten aus der Phase-2-Zulassungsstudie von Icodec [1].

 
Viele Typ-2-Diabetiker schrecken vor einer Insulintherapie zurück, da sie die täglichen Injektionen scheuen. Dr. Julio Rosenstock
 

Insulin Icodec bindet an Albumin und bildet ein im Blut zirkulierendes Depot mit einer Halbwertszeit von 196 Stunden. Eine einmal wöchentliche Injektion vermag bei gleichmäßiger Insulinfreisetzung den Bedarf einer Person an Basalinsulin für eine ganze Woche zu decken. Das Injektionsvolumen von Insulin Icodec entspricht dabei aufgrund seiner konzentrierten Formulierung dem des täglich zu verabreichenden Insulin Glargin U100.

„Viele Typ-2-Diabetiker schrecken vor einer Insulintherapie zurück, da sie die täglichen Injektionen scheuen. … Ich bin wirklich begeistert von dem Potenzial einer solchen Innovation, weil sich dadurch die Zahl der Basalinsulininjektionen bei meinen Diabetes-Patienten deutlich reduzieren könnte“, wird Rosenstock in einer Erklärung von Novo Nordisk zitiert.

Und er fügte hinzu, dass das Produkt „das Potenzial hat, ein Hauptakteur in der Behandlung des Typ-2-Diabetes zu werden, wenn es einmal zugelassen ist“.

Auch Kombination mit GLP-1-Rezeptorantagonisten

Dr. Charles M. Alexander, Endokrinologe und Geschäftsführer von Alexander Associates in Gwynedd Valley, Pennsylvania, kommentierte gegenüber Medscape: „Es handelt sich um eine Phase-2-Studie, und natürlich müssen wir noch die Daten der Phase 3 abwarten, aber es sieht sehr gut aus“, sagte er.

Alexander war von 2008 bis2015 bei Merck als weltweiter medizinischer Leiter bei Diabetesfragen tätig: „Nach der Theorie lässt sich eine wöchentliche Injektion besser einhalten als eine tägliche. Doch wenn die Studien tatsächlich durchgeführt werden, fällt die Beweisführung schwer.“

Alexander weiter: „Meiner Meinung nach besteht der große Vorteil darin, dass das Unternehmen eine Co-Formulierung des GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid und von Insulin Icodec im selben Pen oder Durchstechfläschchen entwickeln kann. … Einmal wöchentlich ist einfach bequemer als täglich.“

Novo Nordisk befinde sich mit einem solchen kombinierten Produkt unter dem Namen Ikosema bereits in Phase-1-Studien.

„Potenzial zur Transformation“

In die nun aktuell vorgestellte randomisierte, doppelblinde, Double-Dummy-Parallelgruppenstudie der Phase 2 wurden 247 insulinpflichtige Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem HbA1c-Spiegel trotz Metformin-Einnahme zwischen 7,0% und 9,5% aufgenommen, wobei etwa die Hälfte der Patienten auch einen DPP-4-Inhibitor (Di-Peptidyl-Peptidase 4) erhielt.

Die Patienten wurden dann zufällig einer Gruppe mit wöchentlicher Insulin-Icodec-Gabe plus täglich Placebo (n = 125) oder einer Gruppe mit täglicher Gabe von Insulin Glargin U100 plus wöchentlicher Placebo-Injektion (n = 122) zugeteilt. Alle Teilnehmer erhielten 7 Injektionen pro Woche mit einem Durchstechfläschchen und einer Spritze sowie eine Injektion pro Woche mit einem Pen-Injektor. Die Dosierungen wurden auf- und abtitriert, um Blutzuckerspiegel zwischen 70 und 108 mg/dl zu erreichen. Dabei wurden die Glargin-Dosis um 2 oder 4 Einheiten und die Icodec-Einheiten um 14 oder 28 Einheiten angepasst.

Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 59,6 Jahre alt und hatten eine mittlere Diabeteskarriere von 9,7 Jahren hinter sich; 56,3% waren Männer. Der basale HbA1c-Wert lag bei 8,0% und der Nüchternblutzucker bei 181 mg/dl. Beide Werte waren in beiden Gruppen ähnlich.

Primärer Endpunkt war die Veränderung des HbA1c-Wertes zwischen dem Ausgangswert und der 26. Woche. Bei Icodec sank er um 1,33% und unter Glargin um 1,15%, was keinen signifikanten Unterschied bedeutet (p=0,08). Die durchschnittlichen HbA1c-Werte betrugen 6,7% für Icodec und 6,9% für Glargin.

Das abschließende HbA1c-Ergebnis für Insulin Icodec ist für Rosenstock „sehr beeindruckend“.

Der Anteil der Patienten, die bis zur 26. Woche einen HbA1c-Wert unter 7% erreichten, lag für Icodec bei 72% gegenüber 68% für Glargin; unter 6,5% kamen 49% bzw. 39%. Diese Unterschiede erreichten jedoch keine statistische Signifikanz, stellte Rosenstock fest.

Die Nüchternblutzuckerwerte waren nach 26 Wochen fast identisch. Unter Icodec waren sie auf 58 mg/dl abgesunken und unter Glargin auf 54 mg/dl (p = 0,34).

Bei der Selbstkontrolle des Blutzuckertagesprofils (mit 9 Messpunkten täglich) zeigte sich jedoch ein signifikanter Unterschied: Die durchschnittliche Veränderung des Tagesmittelwertes aus den 9 Messpunkten lag für Icodec nach 26 Wochen gegenüber dem Ausgangswert um 7,9 mg/dl niedriger als für Glargin (p = 0,01).

Niedrigere Glukosespitzen 90 Minuten nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen machten den größten Teil dieses Unterschieds aus, bemerkte Rosenstock.

Die Gesamtinsulindosen während der letzten 2 Behandlungswochen mit Icodec oder Glargin betrugen 229 bzw. 284 Einheiten/Woche (p = 0,01), was einer ungefähren Tagesdosis von 33 bzw. 41 Einheiten entspricht.

Beide Gruppen nahmen bis zur 26. Woche leicht an Gewicht zu, und zwar im Schnitt 1,5 kg unter Icodec und 1,6 kg unter Glargin (p=0,88).

Zu einer Hypoglykämie kam es häufiger unter Icodec als bei Glargin:

  • leichte Hypoglykämien: 53,6% für Icodec, 37,7% für Glargin,

  • mäßige oder klinisch signifikante Hypoglykämien: 16,0% bzw. 9,8%,

  • schwere Hypoglykämie: 0,8% (1 Teilnehmer) bzw. 0%.

Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war bei der mäßigen oder klinisch signifikanten Hypoglykämie statistisch nicht signifikant (p=0,85). Trotz der längeren Wirkungsdauer hielt die Hypoglykämie bei Icodec im Vergleich zu Glargin nicht länger an, betonte Rosenstock.

Die Zahlen für weitere unerwünschte Ereignisse waren bei beiden Gruppen ähnlich.

 
Einmal wöchentlich ist einfach bequemer als täglich. Dr. Charles M. Alexander
 

„Auf der Basis dieser robusten Daten werden wir nach weiteren Evidenzen für die Bedeutung einer wöchentlichen Injektion mit dem Basalinsulin Icodec in einer umfassenden klinischen Phase-3-Studie suchen“, verriet Rosenstock. Falls diese Daten die Ergebnisse der Phase 2 bestätigten, „glaube ich persönlich, dass ein wöchentliches Basalinsulin das Potenzial hat, sich in der Therapie insulinpflichtiger Typ-2-Diabetiker zu etablieren“.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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