Schulterschmerz nach Grippe-Impfung? Wie sich die subdeltoidale Bursitis als seltene Impfkomplikation vermeiden lässt

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

30. Juni 2020

Grippeschutz-Impfungen waren in einer retrospektiven Kohortenstudie mit geringfügig höheren Risiken für eine subdeltoidale Bursitis, also eine Schleimbeutelentzündung im Schulterbereich, assoziiert. Pro einer Million Impfungen fand man 7,78 zusätzliche Fälle. Das berichten Forscher um Dr. Elisabeth M. Hesse von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, in Annals of Internal Medicine [1].

 
Durch Aufklärung und Schulung über die richtige Injektionstechnik könnte dieses unerwünschte Ereignis verhindert werden. Dr. Elisabeth M. Hesse und Kollegen
 

Zuvor habe es nur einzelne klinische Fallberichte gegeben, konstatieren die Autoren. Ihr Rat: „Durch Aufklärung und Schulung über die richtige Injektionstechnik könnte dieses unerwünschte Ereignis verhindert werden.“

Hinweise nur aus Fallberichten

Daten aus den USA zeigen, dass etwa 1% aller Menschen an einer subdeltoidalen Bursitis mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung der Schulter leiden. Die Erkrankung entwickelt sich häufig als Folge einer Verletzung oder Überbeanspruchung. Bei vielen Patienten bessern sich die Beschwerden durch Schonung und entzündungshemmende Medikamente innerhalb weniger Wochen.

Ab 2012 tauchten in der wissenschaftlichen Literatur vermehrt Fallberichte auf, die eine Bursitis mit intramuskulären Impfungen in Verbindung brachten. Oft handelte es sich um Influenza-Vakzine. Epidemiologische Daten gab es aber nicht.

Laut Daten des National Vaccine Injury Compensation Program, einem Programm zur Kompensation von Impfschäden, hat sich die Zahl der Anträge aufgrund von Schulterbeschwerden zwischen 2012 und 2016 um das 20-Fache erhöht. Doch gibt es wirklich Assoziationen? Dieser Frage gingen Hesse und ihre Kollegen nach.

Kohortenstudie mit 1,2 Millionen Geimpften

Informationen dazu kamen aus dem Vaccine Safety Datalink, einer Datenbank mit Aufzeichnungen über 10,2 Millionen Personen. Anhand diagnostischer Codes suchte Hesses Team nach Bursitis-Fällen, die innerhalb von 180 Tagen nach der Grippeimpfung neu aufgetreten waren.

Dabei arbeiteten die Forscher mit einem Trick. Sie verglichen Inzidenzraten im Risikointervall von 0 bis 2 Tagen nach der Impfung mit dem Kontrollintervall von 30 bis 60 Tagen.

Die Kohorte umfasste knapp 3 Millionen (2.943.493) Personen mit Grippeschutz-Impfung. 16 Fälle mit Symptombeginn im Risikointervall und 51 Fälle mit Symptombeginn im Kontrollintervall wurden identifiziert. Das mediane Alter der Personen im Risikointervall betrug 57,5 Jahre (Bereich, 24 bis 98 Jahre), und 69% waren Frauen. Als Inzidenzratenverhältnis errechneten die Forscher 3,24 (95% KI, 1,85 bis 5,68). Dies entspricht damit 7,78 zusätzlichen Fällen von Bursitis pro einer Million geimpfte Personen.

„Die Ergebnisse lassen sich möglicherweise nicht auf Impfungen verallgemeinern, die in anderen Arten von Gesundheitseinrichtungen durchgeführt werden“, schränken die Autoren ein.

Die Technik macht´s

In einem begleitenden Editorial bewertet Dr. Sandra Adamson Fryhofer von der Emory University School of Medicine, Atlanta, zusammen mit einem Kollegen die Ergebnisse [2]. Wie sie schreiben, sind Diskussionen über eine subdeltoidale Bursitis nach Impfungen nicht neu.

 
Zu den möglichen Verletzungsmechanismen gehören die Injektion zu nahe am Schulterdachfortsatz (Nadelplatzierung) oder die Injektion durch den Deltamuskel (Nadellänge). Dr. Sandra Adamson Fryhofer und Kollege
 

„Zu den möglichen Verletzungsmechanismen gehören die Injektion zu nahe am Schulterdachfortsatz (Nadelplatzierung) oder die Injektion durch den Deltamuskel (Nadellänge)“, so ihre Erklärung. Deshalb raten sie mit Hinweis auf Infomaterialien des CDC:

  • Anatomie: „Zielen Sie auf den Mittelpunkt des Deltamuskels, 2 bis 3 Finger breit unterhalb des Schulterdachfortsatzes (und oberhalb der Achselhöhle). Injizieren Sie in einem Winkel von 90°.“

  • Injektion: „Die korrekte Nadellänge hängt von Gewicht und Geschlecht ab. Achten Sie also darauf, die richtige Länge für Ihren Patienten zu wählen. Das Ziel besteht darin, in den Muskel zu injizieren, nicht durch ihn hindurch, was den Schleimbeutel gefährden kann.“

  • Das CDC empfiehlt Nadellängen von 25 mm für Frauen oder Männer mit einem Gewicht von bis zu 70 kg, 25 bis 38 mm für Frauen bis 90 kg bzw. Männer bis 118 kg und darüber hinaus Nadeln mit 38 mm Länge.

 
Unterm Strich heißt das: Auf jeden Fall weiter impfen! Dr. Sandra Adamson Fryhofer und Kollege
 

Die Studie sei aber kein Argument, auf den erforderlichen Schutz durch die Vakzine zu verzichten, betonen die Editorialisten. „Während der Grippesaison 2016/2017, die in dieser Studie über impfstoffbedingte Bursitis untersucht wurde, hat die Impfung mehr als 5,2 Millionen Erkrankungen, 2,6 Millionen Arztkontakte, 72.000 Krankenhaus-Aufenthalte und 5.000 Todesfälle verhindert“, lautet ihr Fazit. „Unterm Strich heißt das: Auf jeden Fall weiter impfen!“

 

Kommentar

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