Empfehlung bei COVID-19: Remdesivir auf der Überholspur, Hilfe für Transplantationspatienten – und weitere Empfehlungen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

26. Juni 2020

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seinem Meeting Ende Juni positive Stellungnahmen zu 8 Arzneimitteln gegeben, darunter zu Remdesivir bei COVID-19 [1]. Grünes Licht gab es für 2 Orphan Drugs, 3 Biosimilars und 2 Generika.

Veklury® (Remdesivir): 1. COVID-19-Therapie in der EU zum Greifen nah

Veklury® (Remdesivir) erhielt eine bedingte Genehmigung für das Inverkehrbringen zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen.

Daten wurden im Zuge einer fortlaufenden Überprüfung bewertet, und zwar ab dem 30. April – weit bevor der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen am 5. Juni eingereicht worden ist.

Basis der Entscheidung ist vor allem die Studie NIAID-ACTT-1 des US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID). Daten aus anderen Studien kamen mit hinzu.

In NIAID-ACTT-1 wurde die Wirksamkeit einer 10-tägigen Remdesivir-Gabe versus Placebo bei über 1.000 stationären Patienten mit COVID-19 bewertet. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Genesung, also der Entlassung aus dem Krankenhaus, der stationären Behandlung ohne Sauerstoff beziehungsweise der fehlenden Notwendigkeit weiterer Therapien. 

Insgesamt zeigte die Studie, dass sich mit Remdesivir behandelte Patienten nach etwa 11 Tagen erholten, verglichen mit 15 Tagen bei Patienten, denen Placebo verabreicht wurde. Dieser Effekt wurde bei leichter bis mittelschwerer COVID-19 nicht beobachtet: Die Zeit bis zur Genesung betrug sowohl für die Remdesivir-Gruppe als auch für die Placebo-Gruppe 5 Tage. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung, die ungefähr 90% der Studienpopulation ausmachten, waren es 12 Tage versus 18 Tage. Es wurde jedoch kein Unterschied bei Erkrankten festgestellt, die mit Remdesivir oder Placebo begannen, aber bereits eine mechanische Beatmung oder extrakorporale Membranoxygenierung erhielten. Daten zur 28-Tage-Mortalität werden für die abschließende Analyse noch erhoben.

Der CHMP jedenfalls spricht von einem „positiven Verhältnis zwischen Nutzen und Risiken bei Patienten mit einer Pneumonie, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen“. Die Leber- und Nierenfunktion sollte gegebenenfalls vor und während der Behandlung überwacht werden. Vorgesehen ist eine 200-mg-Infusion am 1. Tag, gefolgt von einer 100-mg-Infusion pro Tag für mindestens 4, aber maximal 9 Tage.

Jetzt muss der Hersteller bis Dezember 2020 Abschlussberichte seiner Remdesivir-Studien, weitere Daten zur Qualität des Arzneimittels sowie endgültige Daten zur Mortalität vorlegen. Weitere Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit werden nach dem Inverkehrbringen von der EMA gesammelt und regelmäßig überprüft.

Die Europäische Kommission kündigte an, in der kommenden Woche eine Entscheidung über die bedingte Genehmigung für das Inverkehrbringen von Remdesivir zu treffen.

Idefirix® (Imlifidase) bei Nierentransplantationen

Außerdem empfahl der CHMP die Erteilung einer bedingten Genehmigung für Idefirix® (Imlifidase). Hier handelt es sich um die 1. Behandlung für erwachsene Patienten, die auf eine Nierentransplantation warten, die gegen Gewebe des Spenders hochsensibilisiert sind und einen positiven Crossmatch-Test gegen eine verfügbare Niere eines verstorbenen Spenders haben.

Idefirix® sollte ergänzend zu bestehenden Zuweisungsprogrammen für Transplantationen Patienten verordnet werden, für die Ärzte mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eine passende Niere finden.

Falls Nieren eines verstorbenen Spenders für Transplantationen zur Verfügung stehen, werden Crossmatch-Tests durchgeführt. Der Test prüft, ob ein Patient spezifische Antikörper gegen den potenziellen Spender hat.

Hochsensibilisierte Patienten haben außergewöhnlich hohe Antikörperspiegel, die auf Gewebe eines Spenders reagieren. Dies zeigt sich als positiver Crossmatch-Test, wodurch es wahrscheinlicher wird, dass der Körper das Spenderorgan abstößt. Patienten mit diesem Ergebnis können daher nicht transplantiert werden, und die verfügbare Niere wird normalerweise anderen Patienten auf der Warteliste gegeben.

Idefirix® enthält ein Enzym, das vom Bakterium Streptococcus pyogenes stammt und Immunglobuline G (IgG) abbaut. Diese richten sich ansonsten gegen das Spenderorgan, was zur Abstoßung führen kann.

Kaftrio® (Elexacaftor, Tezacaftor, Ivacaftor) bei Mukoviszidose

Der Ausschuss gab auch grünes Licht für die Kaftrio®, eine Dreifachkombination aus Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor. Die Therapie richtet sich an Mukoviszidose-Patiienten ab 12 Jahren, die homozygot oder heterozygot für die Mutation F508del im CFTR-Gen mit einer Minimalfunktionsmutation (MF-Mutation) sind.

Es wird erwartet, dass diese Behandlung eine neue Therapieoption für viele Mukoviszidose-Patienten bietet, einschließlich Patienten mit MF-Mutationen, bei denen keine Behandlung existiert.

Die CFTR-Mutation lässt zu viel Salz und Wasser in die Zellen. Dies führt zu einer Ansammlung von dickem, klebrigem Schleim im Körper. Es kommt zu Schädigungen der Lunge, des Verdauungssystems und andere Organe.

Kaftrio® besteht aus drei Substanzen, Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor, die durch Erhöhung der Genexpression zu mehr CFTR-Protein führen und seine Funktionalität verbessern. Es handelt sich um die 1. Behandlung, die bei Mukoviszidose-Patienten mit der Mutation F508del auf einem Allel und einer MF-Mutation auf dem zweiten Allel wirksam ist. Auch Patienten, die homozygot für die F508del-Mutation sind, können damit therapiert werden. Diese beiden Gruppen stellen die Mehrheit aller Patienten mit Mukoviszidose dar.

Die Sicherheit und Wirksamkeit wurden in 2 klinischen Studien mit über 500 Patienten untersucht. Beide Untersuchungen zeigten klinisch signifikante Verbesserungen der Lungenfunktion des Patienten und eine Abnahme des Schweißchlorids. In der 1. Studie, an der Patienten teilnahmen, die heterozygot für F508del mit einer MF-Mutation waren, erhöhte sich die Lungenfunktion um 14,3 Prozentpunkte im Vergleich zu Patienten, die Placebo bekamen. In der zweiten Studie, an der Patienten teilnahmen, die homozygot für eine F508del-Mutation waren, stieg sie um 10 Prozentpunkte im Vergleich zu Patienten, die ein anderes Arzneimittel gegen Mukoviszidose (Symkevi®) einnahmen.

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Durchfall und Infektionen der oberen Atemwege.

3 Biosimilars auf dem Weg zur Zulassung

Außerdem empfahl der CHMP, die Genehmigung für 3 Biosimilars zu erteilen: Aybintio® (Bevacizumab) zur Behandlung verschiedener Krebsarten; Livogiva® (Teriparatid) und Qutavina® (Teriparatid) zur Behandlung von Osteoporose.

Grünes Licht für 2 Hybridarzneimittel

Ein positives Votum gab es für 2 Hybridarzneimittel: Gencebok® (Coffeincitrat) zur Behandlung der primären Apnoe bei Frühgeborenen und Methylthioniniumchlorid Cosmo® (Methylthioniniumchlorid), das als diagnostisches Mittel zur Verbesserung der Visualisierung kolorektaler Läsionen gedacht ist. Hybridanwendungen beruhen zum Teil auf Ergebnissen vorklinischer Tests und klinischer Studien eines bereits zugelassenen Referenzprodukts, zum Teil aber auch auf neuen Daten.

Negatives Votum zu Turalio® (Pexidartinib)

Der CHMP veröffentlichte eine negative Stellungnahme zu Turalio® (Pexidartinib) Das Arzneimittel sollte zur Behandlung von Tenosynovial-Riesenzelltumoren eingesetzt werden.

Obwohl die Hauptstudie ergab, dass Tumore unter der Pharmakotherapie schrumpften und sich Schmerzen verringerten, war nicht klar, wie lange dieser Effekt anhält. Es gab auch ernsthafte Bedenken hinsichtlich möglicherweise lebensbedrohlicher Auswirkungen von Turalio® auf die Leber.

Daher kam der CHMP zum Schluss, dass die Vorteile von Turalio® die Risiken nicht überwogen, und empfahl, die Genehmigung für das Inverkehrbringen zu verweigern.

5 Erweiterungen der therapeutischen Indikation

Der Ausschuss empfahl Erweiterungen der Indikation für Cosentyx® (Secukinumab) bei Plaque-Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, Epclusa® (Sofosbuvir / Velpatasvir) bei Hepatitis C, Remsima® (Infliximab) bei Autoimmunerkrankungen, Xolair® (Omalizumab) bei allergischem Asthma bzw. Urtikaria und Zavicefta® (Ceftazidim / Avibactam) bei verschiedenen bakteriellen Infektionen.

Beginn der erneuten Prüfung von Ranitidin

Nach der Empfehlung des CHMP vom April 2020, alle Ranitidin-Arzneimittel in der EU vom Markt zu nehmen, hat einer der betroffenen Zulassungsinhaber eine erneute Prüfung beantragt. Nach Eingang seiner Dokumente inklusive der Gründe wird der CHMP alle Fakten erneut abwägen und eine endgültige Empfehlung abgeben. Hintergrund ist, dass NDMA in mehreren Fertigarzneimitteln nachgewiesen worden ist. Es wird aufgrund von Tierversuchen als wahrscheinlich karzinogen für Menschen bewertet.

Rücknahme von Anträgen

Anträge auf die Erstzulassung von Sondelbay® (Teriparatid), Xiidra® (lifitegrast) und Zemdri® (Plazomicin) wurden von den jeweiligen Herstellern zurückgezogen.

Sondelbay® sollte zur Behandlung von Osteoporose eingesetzt werden. Xiidra® war für trockene Auges bestimmt. Und Zemdri® sollte bei komplizierten Harnwegsinfektionen verordnet werden.

 

Kommentar

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