Gute Nachricht für Schulöffnungen: In der Eltern-Kind-Studie zeigt sich kein hohes Infektionsrisiko für/durch Kinder

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

17. Juni 2020

Kinder infizieren sich offenbar nicht so häufig mit SARS-CoV-2 wie Erwachsene – das ist das vorläufige Ergebnis der multizentrischen Eltern-Kind COVID-19-Studie aus Baden-Württemberg. In einer Kohorte von 2.466 untersuchten Kindern und 2.466 untersuchten Elternteilen stellten Kinder weniger als ein Drittel der Infizierten. Es wurden keine Hinweise darauf gefunden, dass Kinder – anders als bei Influenza – als Treiber des Infektionsgeschehens einzustufen sind.

„Insgesamt scheinen Kinder nicht nur seltener an COVID-19 zu erkranken, was schon länger bekannt ist, sondern auch seltener durch das SARS-CoV-2-Virus infiziert zu werden“, kommentierte Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm, auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse [1].

 
Insgesamt scheinen Kinder nicht nur seltener an COVID-19 zu erkranken, … sondern auch seltener durch das SARS-CoV-2-Virus infiziert zu werden. Klaus-Michael Debatin
 

Wie Medscape berichtet hatte, sind die bislang international veröffentlichten Studienergebnisse zu SARS-CoV-2-Infektionen teilweise widersprüchlich. Während eine bevölkerungsbasierte isländische Studie bei keinem Kind unter 10 Jahren eine Coronavirus-Infektion fand, zeigte eine Studie aus China, dass sich Kinder vergleichbar häufig als Erwachsene infizieren, aber seltener Symptome entwickeln. Das hatte zu Befürchtungen geführt, dass unerkannte Infektionen von Kindern Treiber der Ausbreitung sein könnten.

Kinder seltener infiziert als Eltern

In die am 22. April in 4 Universitätskliniken – Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm – gestartete und vom Land Baden-Württemberg finanzierte Studie waren 2.466 Kinder zwischen einem und 10 Jahren und dazu jeweils ein Elternteil eingeschlossen. Die Probanden wurden zwischen dem 22. April und dem 15. Mai 2020 auf aktuelle oder bereits überstandene SARS-CoV-2-Infektionen untersucht.

Von Kindern und Elternteilen wurden je ein Nasen-/Rachen-Abstrich und eine Blutprobe entnommen. Ein Eltern-Kind-Paar war in diesem Zeitraum infiziert, 64 Personen hatten weitgehend unbemerkt bereits zuvor eine SARS-CoV-2-Infektion durchlaufen: Bei 45 Erwachsenen und 19 Kindern fanden sich Antikörper gegen SARS-CoV-2. Die getesteten Kinder waren also seltener infiziert als Erwachsene. Weniger als ein Drittel der auf Antikörper positiv getesteten Personen waren damit Kinder.

Nur bei 13 Eltern-Kind-Paaren waren beide infiziert, d. h. die Erkrankung eines Elternteils führt offenbar nicht zwingend zur Erkrankung des Kindes und umgekehrt.

„Zwar gab es Unterschiede zwischen den vier Standorten, aber die Zahl der Personen mit durchgemachter Infektion war an allen vier Standorten niedrig und überall wurden weniger Kinder als Erwachsene positiv getestet“, erläutert Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich, Sprecher des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg.

Grundlage für weitere Öffnungsschritte

Allerdings ließen sich die Ergebnisse nicht unmittelbar auf die Gesamtbevölkerung übertragen, denn die Teilnehmer hätten sich auf einen Aufruf gemeldet und seien nicht zufällig ausgewählt worden.

Kräusslich stellte auch klar, dass man mit der Studie nicht gezielt untersucht habe, wie infektiös Kinder sind. Man könne bei den positiv getesteten Eltern-Kind-Paaren keine grundsätzliche Aussage darüber treffen, wer wen angesteckt habe. Auch inwieweit Wohnsituation und Beruf der Eltern dabei eine Rolle spielten, ob Infektionen bei Kindern, die in Notbetreuungen waren, häufiger auftraten als bei denjenigen, die ausschließlich in der Kernfamilie gelebt hatten, lässt sich aufgrund der insgesamt geringen Anzahl von Kindern mit überstandener Infektion kaum beantworten, denn es fanden sich keine signifikanten Unterschiede. Dies muss in einer Folgestudie untersucht werden.

„Die Daten tragen gemeinsam mit den Ergebnissen anderer Studien aus dem In- und Ausland zur Einschätzung bei, welche Rolle Kinder bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie spielen“, sagte Debatin.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hob hervor, dass die Studie belastbare Daten zum unerkannten Infektionsgeschehen liefere und fügte hinzu: „Auf dieser Grundlage können wir weitere Öffnungsschritte von Kindertagesstätten und Grundschulen verantworten.“

 
Auf dieser Grundlage können wir weitere Öffnungsschritte von Kindertagesstätten und Grundschulen verantworten. Winfried Kretschmann
 

Die Veröffentlichung der Studienergebnisse ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich im kommenden Monat eingereicht werden. Zusammenfassende Beschreibungen der Methoden und vorläufigen Ergebnisse wurden schon online gestellt. „Die Frage der Öffnung der Kitas, Kindergärten und Schulen ist von so hoher gesellschaftlicher Relevanz, dass wir es für angemessen halten, die vorläufigen Ergebnisse öffentlich vorzustellen, obwohl der übliche Prozess der wissenschaftlichen Prüfung bis zur Publikation noch nicht abgeschlossen ist“, betonte Kräusslich.

Kinder weniger infiziert? Schwedische Daten zeigen das Gegenteil

Im NDR-Podcast Corona update Folge 49 sprach sich auch Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Charité, dafür aus, Schulen und Kitas wieder zu öffnen – wichtig sei aber, dass dies mit großer Vorsicht geschehe. Neueste Daten aus Schweden weisen offenbar darauf hin, dass Kinder sich dort nicht unbedingt seltener infizieren als Erwachsene.

Die schwedischen Forscher kommen auf Grundlage repräsentativer Antikörpertests zu dem Ergebnis, dass 7,5% der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre bereits infiziert gewesen sind – während es bei den Erwachsenen 6,5% und bei den Über-65-Jährigen nur 2,9% waren. Ein wichtiger Aspekt dabei: In Schweden waren die Schulen nur teilweise für ältere Jahrgänge geschlossen gewesen.

Dass in Deutschland bislang im Vergleich nur wenige Kinder und Jugendliche positiv getestet worden sind, erklärt Drosten mit der frühzeitigen Schließung von Kitas und Schulen als Infektionsherde. Auch im Situationsbericht des RKI zeige sich, dass unter den Neu-Infizierten in Deutschland seit Wochen immer mehr Kinder und Jugendliche sind.

 

Kommentar

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