Rheumatoide Erkrankungen: So unterstützen genomische Daten den Arzt bei der Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Michael Simm

Interessenkonflikte

12. Juni 2020

Bei ambulanten Patienten mit Verdacht auf eine inflammatorische Arthritis kann die Differentialdiagnose mit einem Algorithmus verbessert werden. Er berechnet anhand genetischer Daten die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Entitäten. Das berichtet Dr. Rachel Knevel vom Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School, Boston, zusammen mit Kollegen in Science Translational Medicine [1].

Schwierigkeiten bei der Diagnostik rheumatischer Erkrankungen

Zum Hintergrund: Mehrere rheumatische Erkrankungen sind schwer voneinander abzugrenzen, weil sie langsam fortschreiten und zu Beginn ähnliche Symptome aufweisen. Gelänge es, früher als bisher die korrekte Diagnose zu stellen, könnten Ärzte zielgerichtete Therapien schneller verabreichen und die Wahrscheinlichkeit für Behinderungen sowie langfristige Schäden verringern.

Deshalb versuchte das Team um Knevel, ein mathematisches Werkzeug zu entwickeln, um anhand genetischer Risikowerte die individuelle Wahrscheinlichkeit für 5 inflammatorische Erkrankungen zu prognostizieren: für rheumatoide Arthritis, systemischen Lupus erythematodes, für eine Spondyloarthropathie, für eine Psoriasis-Arthritis, und für Gicht.

Tests des mathematischen Tools mit Patientendaten

Nach der Validierung ihres neu entwickelten G-PROB-Systems anhand simulierter Daten wurde es in 3 Kohorten getestet: 1.211 Patienten mit entsprechenden ICD-Codes aus der eMERGE-Datenbank, 245 Patienten mit entsprechenden ICD-Codes und medizinischen Daten aus der Partners Biobank sowie 243 Patienten, die zunächst mit ungeklärter inflammatorischer Arthritis vorstellig wurden, schließlich laut Partners Biobank aber eine endgültige Diagnose bekommen hatten.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Zum Zeitpunkt des ersten Patientenkontakts war die Genauigkeit des Algorithmus besser als die Diagnose behandelnder Rheumatologen. Letztere hatten hier bei 35 % der Patienten eine falsche Diagnose gestellt.

  • Die G-PROB-Plattform konnte bei allen Patienten mindestens eine der 5 möglichen Diagnosen sicher ausschließen.

  • Bei 45% der Patienten konnte eine wahrscheinliche Diagnose erstellt werden, bei weiteren 35% konnte eine falsche Diagnose erkannt werden.

Die Genauigkeit der Diagnose anhand klinischer Daten alleine lag bei 39%. Durch die Hinzunahme der genetischen Risiko-Scores war die Genauigkeit auf 51 % gestiegen.

Die ambulante Versorgung verbessern

Bleibt als Fazit: Zahlreiche Genvarianten beeinflussen die Entstehung und den Verlauf rheumatischer Erkrankungen. Allerdings ist der Beitrag einzelner Gene und die Häufigkeit dieser Krankheiten meist zu gering, um anhand der Gendaten auf Populationsebene zuverlässige Vorhersagen zu treffen. Doch das könnte sich nun ändern.

Knevel und Kollegen zeigen nun, dass die Genetik dennoch einen substanziellen Beitrag leisten kann, wenn sie in einer ambulanten Umgebung eingesetzt wird, wo bereits eine Vorselektion der Patienten anhand der Symptome erfolgt ist. Mit zunehmender Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit kompletter Gensequenzen könnte die hier vorgestellte Strategie auch bei anderen Krankheitsbildern für die Differentialdiagnose nützlich sein.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
 

Kommentar

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