Triple-negativer Brustkrebs: Omeprazol als Add-On zur adjuvanten Chemotherapie erhöhte Rate an Komplettremissionen

Nick Mulcahy

Interessenkonflikte

12. Juni 2020

Alexandria - Der Protonenpumpenhemmer (PPI) Omeprazol könnte eine nützliche Therapieergänzung beim dreifach negativen Mammakarzinom sein. Anscheinend erhöht er als Add-on zur normalen Therapie bei Frauen mit triple-negativem Brustkrebs (TNBC) die Remissionsrate von Brusttumoren im Frühstadium, so die Ergebnisse einer Phase-2-Studie. Die Resultate dieser Untersuchung wurden auf dem virtuellen ASCO-Jahreskongress 2020 präsentiert [1].

PPI als Inhibitoren der Fettsäuresynthase

Der Grund, warum dieser Ansatz untersucht wurde, liegt darin, dass PPI auch die Fettsäuresynthase (FASN) hemmen. Dieses Enzym wird bei 70% der neu diagnostizierten dreifach-negativen Mammakarzinome (TNBC) überexprimiert und bedeutet eine schlechte Prognose.

In der 1-armigen Studie wurde Omeprazol einer Standard-Chemotherapie hinzugefügt. An 5 US-Zentren erhielten 42 Frauen beides in den Wochen vor der Brustoperation als neoadjuvante Therapie.

Die pathologische Komplettremission (pathologic complete response, pCR) lag in der Studienpopulation bei 71%. Dies sei höher als 40% bei Patientinnen, die mit einem AC-T-Standardregime (Adriamycin und Cyclophosphamid plus ein Taxan) behandelt worden seien, so der Erstautor der Studie Dr. Sagar Sardesai, Onkologe am Ohio State Comprehensive Cancer Center in Columbus.

„Eine aufregende Sache ist das“, sagte Sardesai im Interview mit Medscape, „insgesamt haben triple-negative Patientinnen, die eine pCR erreichen, ein sehr gutes Outcome.“ Dieses vollständige Verschwinden des Tumors stehe stellvertretend für das Gesamtüberleben bei triple-negativem Brustkrebs, und Patientinnen, die das erreichten, hätten ein deutlich geringeres Rezidiv- oder Sterberisiko, erklärte er.

Dr. Natalie Berger, Onkologin an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai Hospital in New York, sagte, die pCR-Raten der Studie seien viel höher als erwartet; dies sei faszinierend. Zudem animiere die Studie zu allerlei Hypothesen, doch würde sie gerne mehr Daten sehen.

„Einen nicht chemotherapeutischen Wirkstoff zu haben, der unseren TNBC-Patientinnen eine Verbesserung der pCR-Raten ohne zusätzliche Toxizität bietet, wäre großartig, aber wir benötigen zunächst eine größere randomisierte Studie“, schrieb sie in einer E-Mail.

Die Forscher, zu denen auch die Brustkrebsspezialistin Dr. Kathy Miller von der Universität Indiana gehört, bemühen sich um Finanzmittel des National Cancer Institute oder des Verteidigungsministeriums, um eine randomisierte Studie mit über 100 Patienten auf den Weg zu bringen. Das US-Verteidigungsministerium vergibt seit 1992 ein jährliches Stipendium zur Finanzierung von Mammakarzinom-Projekten.

Die Fettsäuresynthase – schon seit einigen Jahren ein potenzielles Target

Sardesai erklärte, dass das an der Fettsäuresynthese beteiligte Enzym FASN (fatty acid synthase) ein Schlüssel zum Überleben von Krebszellen sei. Es kommt vor allem in hormonell gesteuerten Geweben des Endometriums, der Prostata und der Brust vor.

PPI „hemmen selektiv die FASN-Aktivität und induzieren die Apoptose in den Brustkrebszelllinien bei minimaler Wirkung auf nicht maligne Zellen“, schreiben die Studienautoren in ihrem Abstract.

Der einzige andere bekannte Wirkstoff, der ebenfalls FASN hemme, sei das zur Gewichtsreduktion eingesetzte Orlistat, das die Fettverdauung bremse, vom Körper aber schlecht resorbiert werde, sodass es sich wahrscheinlich nicht auf Krebszellen auswirken könne, sagte Sardesai.

Die FASN sei beim TNBC bereits seit 10 bis 15 Jahren ein potenzieller medikamentöser Angriffspunkt, aber die erste klinische Evidenz für die Wirksamkeit dieses Konzeptes bei soliden Tumoren habe man erst in den vergangenen 5 Jahren gesehen, ergänzt Sardesai.

Im Jahr 2015 berichteten chinesische Forscher, dass der PPI Esomeprazol in Kombination mit einer Chemotherapie bei einer Untergruppe von 15 TNBC-Patientinnen in einer randomisierten Studie mit 97 Patientinnen mit verschiedenen Brustkrebsarten eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von 5 Monaten bewirkt habe, verglichen mit der Chemotherapie allein.

Keine zusätzliche Toxizität, aber einige unerwartete Ergebnisse

Die Studie war über 12 Monate an Patientinnen mit resezierbarem TNBC im Frühstadium mit und ohne FASN-Expression und ohne vorherige PPI-Anwendung durchgeführt worden.

Alle Patientinnen begannen 4 bis 7 Tage vor Beginn der neoadjuvanten AC-T-Chemotherapie mit der täglichen Einnahme von hochdosiertem Omeprazol bis zur Operation. Die Gabe von Carboplatin war nach Ermessen des Arztes erlaubt.

Der primäre Endpunkt bei Patientinnen mit FASN-Expression (FASN+) war die pCR, die als das Fehlen invasiver Residuen in Mamma oder Axilla definiert wurde.

Die pCR-Rate betrug 71,4% bei den 28 FASN+-Patientinnen und 71,8% bei allen 42 Teilnehmerinnen. Angestrebt hatten die Untersucher eine pCR-Rate von 60% bei den FASN+-Patientinnen. Auch in der Subpopulation von Patientinnen, die neben AC-T auch Carboplatin erhalten hatten (n = 15), lag die pCR-Rate bei 73%.

Doch für beide Ergebnisse gebe es Kritikpunkte, so Berger. So wies sie darauf hin, dass es „unerklärlich“ sei, warum die pCR-Raten bei den FASN(+)-Patienten und der gesamten Studienpopulation (einschließlich 14 FASN-Patienten) so ähnlich seien. Man würde erwarten, dass die pCR-Rate in der gesamten Studienpopulation niedriger sei, meinte sie.

Zudem sei unklar, warum die pCR-Raten auch mit oder ohne Carboplatin-Gabe ähnlich seien. Andere Studien hätten verbesserte pCR-Raten bei Patientinnen gezeigt, die zusätzlich Carboplatin erhielten, im Vergleich zu AC-T allein, allerdings um den Preis einer erhöhten Toxizität, so Berger weiter.

PPI: Gute Verträglichkeit, bekanntes Sicherheitsprofil

Sardesai berichtete, Omeprazol sei relativ gut verträglich. Toxizitäten 3. oder 4. Grades seien nicht bekannt. Die Toxizität der Chemotherapie sei ähnlich der aus früheren AC-T-Studien gewesen. PPI haben Nebenwirkungen, wenn sie länger als 1 Jahr eingenommen werden. Dazu gehörten ein erhöhtes Infektionsrisiko, Osteoporose und ein erniedrigter Magnesiumspiegel.

„Omeprazol kann sicher in Dosen verabreicht werden, welche die FASN hemmen. Die Gabe von hochdosiertem Omeprazol neben der neoadjuvanten AC-T-Chemotherapie führt zu einer vielversprechenden pCR-Rate ohne zusätzliche Toxizität“, so die Schlussfolgerung der Autoren in ihrem Abstract.

Sardesai betonte, dass die Verwendung eines PPI beim Mammakarzinom ein Beispiel für neue Indikationen von Medikamenten sei. Der Ansatz biete einen Weg zu einer rascheren Arzneimittelentwicklung, da für PPI bereits vollständige Daten über Sicherheit und Pharmakokinetik zur Verfügung stünden. „Wenn wir die Wirksamkeit nachweisen können, kann es mit der Behandlung schnell vorangehen und der Wirkstoff kann viel früher in der klinischen Praxis zur Verfügung stehen als bei der traditionellen Arzneimittelentwicklung“. 

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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