Konjunkturpaket: 10 Milliarden Euro für Kliniken, ÖGD und die „nationale Reserve“. Das plant die Regierung

Christian Beneker

Interessenkonflikte

10. Juni 2020

57 Punkte umfasst das Papier „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ der großen Koalition in Berlin [1]. Die geplanten Maßnahmen kosten rund 130 Milliarden Euro. Etwa 10 Milliarden Euro davon sollen in den Gesundheitsbereich fließen – unter anderem in Krankenhäuser, in den öffentlichen Gesundheitsdienst, in die heimische Herstellung von Medizinprodukten, in eine „nationale Reserve“ mit Schutzausrüstungen und in die Impfstoff-Forschung.

Krankenhausgesellschaft und ÖGD, Arzneimittelhersteller und Bundesärztekammer begrüßen die finanzielle Förderung [2,3]. Kritik kommt aber von der Opposition im Bundestag.

Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes

Zu den Details. Im Zuge des „Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ (ÖGD) ist geplant, ein Mustergesundheitsamt zu definiert werden, an dem sich die Länder orientieren, wenn sie zum Beispiel das Personal in ihren Ämtern aufstocken.

Dazu soll zusätzliches Geld als Funktionszulage an die Ärzte im Gesundheitsamt fließen. Auch will man Ämter für junge Mediziner öffnen, die hier einen Teil ihres Praktischen Jahres oder ihrer Famulatur ableisten können. Insgesamt 4 Milliarden Euro hat die Bundesregierung für den ÖGD vorgesehen.

Das Geld soll zudem helfen, die Meldewege zu beschleunigen oder die IT-Ausstattung der Ämter zu modernisieren – auch hier soll eine Musterausstattung als Modell dienen.

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) begrüßte die „dauerhafte Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes“. Nach Jahrzehnten des Stillstandes seien die Verantwortlichen in der Politik endlich „wachgerüttelt“, sagte Dr. Ute Teichert, Vorsitzende des BVÖGD. Jetzt komme es darauf an, dass Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen und „die angekündigten Maßnahmen konsequent, zügig und bundesweit“ umsetzen.

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) lobte die milliardenschwere Unterstützung. Der Präsident der BÄK, Dr. Klaus Reinhardt, erklärte: „Die Bundesärztekammer bringt ihren Sachverstand gerne und selbstverständlich in den von der Regierung angekündigten Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit ein.“ 

Krankenhäuser: Viel Geld für Telemedizin und Co.

Den zweiten großen Posten an Finanzmitteln wollen Regierungsvertreter in Krankenhäuser stecken. Ihr Zukunftsprogramm wird 3 Milliarden Euro kosten. Es umfasst einen umfangreichen Katalog an Maßnahmen: „Moderne Notfallkapazitäten“, bessere digitale Infrastruktur inklusive Robotik, Hightech-Medizin und Telemedizin sowie IT- und Cybersicherheit.

In den Regionen sollen sich die Krankenhäuser bei der Nutzung ihrer Ressourcen besser abstimmen. Das Geld fließt über den Strukturfonds, Regeln zur Verteilung inklusive.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) freue sich darüber, dass die Koalition die herausragende Rolle der Kliniken in der Pandemie anerkenne, wie Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG, sagt. Die Finanzspritze sieht er indessen nur als einen „ersten Schritt, um die Investitionslage der Krankenhäuser zu verbessern“. Tatsächlich seien 3 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Dies sei der Betrag, den auch die Bundesregierung und die Krankenkassen als reale Investitionslücke beziffern.

„Wir werden darauf drängen, dass es noch vor der nächsten Bundestagswahl eine nachhaltige und dauerhafte Lösung der Investitionsmisere gibt“, so Gaß weiter. Die Pläne für die Digitalisierung lägen jedenfalls in der Schublade.

 
Wir werden darauf drängen, dass es noch vor der nächsten Bundestagswahl eine nachhaltige und dauerhafte Lösung der Investitionsmisere gibt. Dr. Gerald Gaß
 

Impfstoffentwicklung und Impfstoffherstellung in Deutschland

Die Koalition will Entwicklung und Produktion von Impfstoff gegen die Corona-Infektion in Deutschland unterstützen und für eine rasche Produktion der Impfstoffe sorgen. Rund 75 Millionen Euro hat die Koalition vorgesehen, um bestehende Programme aufzustocken und neue Initiativen zu fördern, um so bei zukünftig auftretenden Erregern schneller und effizienter einen Impfstoff zu entwickeln.

Die nationale Reserve ausbauen

Mit insgesamt 1 Milliarde Euro will die Bundesregierung die „inländische Produktion wichtiger Arzneimittel und Medizinprodukte“ unterstützen. „Die Koalition strebt an, dass Deutschland im Bereich von medizinischer Schutzausrüstung, der Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie in der Impfstoffproduktion über größere Kapazitäten und mehr Unabhängigkeit verfügt“, heißt es in dem Papier.

Ebenfalls 1 Milliarde Euro wird in die Vorratshaltung von Schutzausrüstungen fließen, um künftig Versorgungsengpässe hierzulande zu vermeiden. Die Koalition spricht hier von einer „nationalen Reserve“, die dezentral und beim Katastrophenschutz der Länder vorgehalten werden soll. Gaß kommentierte: „Sowohl die nationale Reserve als auch die Unabhängigkeit der Produktion von Arzneimitteln sind richtige Weichenstellungen. Diese müssen sich dann aber auch in den Preisbildungssystemen wiederfinden.“

 
Sowohl die nationale Reserve als auch die Unabhängigkeit der Produktion von Arzneimitteln sind richtige Weichenstellungen. Dr. Gerald Gaß
 

Kritik der Opposition

Kritik an dem Konjunkturpaket kommt von Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), Obfrau im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Mit dem Konjunkturpaket habe man versäumt, langfristige Zusagen zu machen und Reformen anzustoßen, so Kappert-Gonther. „Der ÖGD ist auf dauerhafte Mittel des Bundes angewiesen, um der chronischen Unterbesetzung, insbesondere bei den Amtsärztinnen und -ärzten, zu entkommen.“ Die Politikerin mahnte auch eine bessere Vergütung der Ärzte im ÖGD an.

Darüber hinaus müsse der Bund sich „endlich an der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser beteiligen“, so die Grünenpolitikerin auf Anfrage von Medscape. „Dafür sollte der Bund ein entsprechendes Mitsprache-Recht bei der Krankenhausplanung erhalten. Denn die Corona-Krise zeigt auch, dass koordinierte Planung und Steuerung im stationären Sektor essentiell sind."

 
Der ÖGD ist auf dauerhafte Mittel des Bundes angewiesen… Dr. Kirsten Kappert-Gonther
 

 

Kommentar

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