Alexandria – „Pembrolizumab führt im Vergleich zu Chemotherapie zu einer klinisch bedeutsamen und statistisch signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit Kolorektalkarzinom und hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-HI)“, so die Zwischenergebnisse der KEYNOTE-177-Studie. Prof.Dr. Thierry André, Sorbonne Université et Hôpital Saint Antoine, Paris, hat die Ergebnisse in der Plenarsitzung beim virtuellen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt [1].
Pembrolizumab verdoppelte als Erstlinientherapie die Zeit ohne Progression von 8,2 Monaten unter Chemotherapie auf 16,5 Monate und senkte damit das Risiko für Progression oder Tod um 40% (p<0,0002). Auch die Verträglichkeit des Checkpoint-Inhibitors war mit 22% Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 und mehr besser als die der Chemotherapie mit 66%.
Das Fazit von André lautete: „Pembrolizumab sollte ein neuer Therapiestandard in der Erstlinientherapie bei Patienten mit MSI-H-Kolorektalkarzinom werden.“
Biomarker nötig
Diesem Fazit schloss sich Diskutant Prof. Dr. Michael J. Overman, Department of Gastrointestinal Medical Oncology, The University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas (USA), in der Plenarsitzung beim ASCO-Kongress zwar an. Er hatte jedoch auch einige Kritikpunkte an der Studie, die als offene Studie gut geplant gewesen sei. Das progressionsfreie Überleben sei verblindet und unabhängig bewertet worden.
Allerdings hätten mit 22% mehr Patienten der Chemotherapie-Gruppe die Therapie nicht durchlaufen als in der Pembrolizumab-Gruppe mit 6%, und die Studie sei Intention-to-treat ausgewertet worden.
Im primären Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) hatten sich die Kurven für die Chemotherapie und Pembrolizumab nach 6 Monaten gekreuzt. Dies bedeutet, dass die Chemotherapie in den ersten 6 Monaten besser war als Pembrolizumab, das erst nach 6 Monaten besser wurde als Chemotherapie. „Welche Therapie besser ist, hängt also vom Zeitpunkt ab, in dem man den Effekt betrachtet“, so der Onkologe aus Texas. Aber für den Patienten seien spätere Zeitpunkte wichtiger. Und nach 24 Monaten war die PFS-Rate mit Pembrolizumab 2,5-fach höher als mit Chemotherapie.
Allerdings sprachen fast 1/3 der Patienten nicht auf Pembrolizumab an, daher sei es wichtig, einen Biomarker zu haben, mit dem ein Ansprechen besser vorausgesagt werden könne.
Aufgrund der sehr breiten Konfidenzintervalls von Pembrolizumab beim PFS (5,4 bis 32,4 Monate) ist es nach Meinung von Overman noch keineswegs sicher, dass Pembrolizumab einen signifikanten Effekt auf das Gesamtüberleben haben wird.
Kolorektalkarzinom mit Mikrosatelliten-Instabilität
Das Kolorektalkarzinom ist eine heterogene Erkrankung; es existieren mindestens 2 unterschiedliche Formen. Mit einem Anteil von 85% ist das Kolorektalkarzinom mit chromosomaler Instabilität (CIN+) sehr viel häufiger als das MSI-H-Kolorektalkarzinom mit einem Anteil von 15%, das durch genetische bzw. Mikrosatelliten-Instabilität gekennzeichnet ist.
Bei Mikrosatelliten-Instabilität (MSI, MSI-H) kommt es zu Abweichungen in der Anzahl kurzer, sich wiederholender Erbgutabschnitte, den Mikrosatelliten, die durch einen DNA-Reparaturdefekt entstehen: In diesen Fällen ist das Mismatch-Repair-System gestört, welches für die Korrektur von kleinen Fehlern in der Basenabfolge zuständig ist.
Ein MSI-H-Kolorektalkarzinom liegt häufiger bei proximaler Lokalisierung vor und ist oft mit einer BRAF-V600E-Mutation assoziiert. Die Tumormutationslast ist hoch.
Pembrolizumab bei MSI-H-Tumoren wirksam
Immuncheckpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab haben sich in Phase-1- und -2-Studien bei MSI-H-Tumoren als wirksam erwiesen. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat Pembrolizumab bereits im Mai 2017 für vorbehandelte metastasierte MSI-H-Tumoren unabhängig von Tumortyp und Tumorlokalisation zugelassen.
André stellte nun beim virtuellen ASCO-Kongress die Zwischenergebnisse der ersten Phase-3-Studie vor, in der Pembrolizumab als Erstlinientherapie beim metastasierten MSI-H-Kolorektalkarzinom im Vergleich zum derzeitigen Therapiestandard Chemotherapie ± Bevacizumab oder ± Cetuximab untersucht worden ist.
Offene randomisierte Phase-3-Studie
In die offene Phase-3-Studie waren 307 Patienten mit metastasiertem MSI-H-Kolorektalkarzinom aufgenommen worden. Randomisiert erhielten:
153 Patienten Pembrolizumab 200 mg alle 3 Wochen in bis zu 35 Zyklen,
154 Patienten eine Chemotherapie. Der behandelnde Arzt konnte wählen unter mFOLFOX (Fluorouracil, Leucovorin und Oxaliplatin), mFOLFOX + Bevacizumab, mFOLFOX + Cetuximab, FOLFIRI (Leucovorin, Fluorouracil und Irinotecan), FOLFIRI + Bevacizumab oder FOLFIRI + Cetuximab.
Bei einer Progression der Erkrankung konnten die Patienten der Chemotherapie-Gruppe in die Pembrolizumab-Gruppe wechseln.
Die Pembrolizumab-Behandlung dauert bis zur Progression der Erkrankung, bis zur inakzeptablen Toxizität oder bis zum Abbruch durch Patient oder Arzt.
Der kombinierte primäre Endpunkt umfasst das PFS und das Gesamtüberleben (OS). Die Studie gilt als erfolgreich, wenn einer der beiden Endpunkte erreicht werden kann.
Primärer Endpunkt PFS erreicht
Die Studie wurde nach der 2. Interimsanalyse nach median 32,4 Monaten Follow-up gestoppt. Im Median überlebten die Patienten mit Pembrolizumab 16,5 Monate (95%-Konfidenzintervall 5,4-32,4) ohne Progression, mit Chemotherapie 8,2 Monate (6,1-10,2) (Hazard-Ratio 0,60, p=0,0002). Die 12-Monats-PFS-Rate betrug 55% mit Pembrolizumab und 37% mit Chemotherapie, die 24-Monats-PFS-Rate lag bei 48% mit Pembrolizumab und 19% mit Chemotherapie.
Der Effekt war in nahezu allen Subgruppen nachzuweisen. Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif.
Mit Pembrolizumab ergab sich eine Ansprechrate von 43,8%, mit Chemotherapie von 33,1%. Bei 11,1% der Patienten unter Pembrolizumab wurde ein komplettes und bei 32,7% ein partielles Ansprechen erreicht. Mit Chemotherapie sprachen 3,9% der Patienten komplett und 29,2% partiell an. Eine stabile Erkrankung erreichten 20,9% mit Pembrolizumab und 42,2% mit Chemotherapie.
Die mediane Dauer des Ansprechens ist in der Pembrolizumab-Gruppe noch nicht erreicht, in der Chemotherapie-Gruppe lag sie bei 10,6 Monaten.
Allerdings, und hierauf wies Overman in der Diskussion deutlich hin, war die Erkrankung bei 29,4% unter Pembrolizumab progredient, während dies in der Chemotherapie-Gruppe nur bei 12,3% der Fall war. „Dies bedeutet, dass fast 1/3 der Patienten in der Pembrolizumab-Gruppe bei der ersten Bildgebung eine Progression zeigten, was nach Protokoll 9 Wochen nach Randomisierung war.“ Dies deute darauf hin, dass 1/3 der Patienten eine intrinsische Resistenz auf die PD1-Hemmung aufweisen und nicht von Pembrolizumab profitieren, so Overman.
Unerwünschte Wirkungen
Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher traten bei 22% unter Pembrolizumab und bei 66% unter Chemotherapie auf. Schwere Immunvermittelte Reaktionen und Infusionsreaktionen waren mit dem PD1-Hemmer häufiger (9% vs. 2%). Pembrolizumab erwies sich insgesamt als besser verträglich als die Chemotherapie.
Cross-over und Gesamtüberleben
Aus dem Chemotherapie-Arm wechselten 56/154 Patienten (36%) nach bestätigter Progression der Erkrankung in den Pembrolizumab-Arm.Die finale Analyse des Gesamtüberlebens wird nach Eintritt von 190 OS-Ereignissen oder 12 Monate nach der 2. Interimsanalyse durchgeführt.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Pembrolizumab verdoppelt die progressionsfreie Zeit beim metastasierten Kolorektalkarzinom mit MSI-H im Vergleich zu Chemo - Medscape - 9. Jun 2020.
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