Impfstoffe gegen das neue Coronavirus: Phase-3-Studien laufen, doch ein Problem ist bislang nicht gelöst

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

8. Juni 2020

„Ohne einen Corona-Impfstoff werden wir nie wieder normal leben können“, sagt Prof. Dr. Dr. Peter Piot. Der bekannte Virologe war selbst an COVID-19 erkrankt. Kaum ein Thema wird derzeit so oft in den Medien so heiß diskutiert wie die Frage, wann Vakzine der Pandemie ein Ende bereiten – und wo die Entwicklung gerade steht.

 
Ohne einen Corona-Impfstoff werden wir nie wieder normal leben können. Prof. Dr. Dr. Peter Piot
 

Jetzt hat Dr. Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in einem Videointerview mit JAMA Stellung dazu bezogen [1]. Er rechnet damit, dass in den nächsten Monaten 4 oder 5 Studien, an denen er direkt oder indirekt beteiligt ist, in die klinische Phase 3 eintreten. Ergebnisse soll es vielleicht schon 6 Monate nach Studienbeginn geben.

Moderna: Phase-3-Studien mit RNA-Vakzine ab Juli

Fauci erwähnt eine randomisierte, placebokontrollierte Phase-3-Studie mit 30.000 Probanden, die Moderna, ein Biotechnologieunternehmen aus Cambridge, Massachusetts, USA, auf den Weg gebracht hat. Grundlage waren Entwicklungen am National Institutes of Health (NIH), Bethesda, speziell am Vaccine Research Center des NIH.

Moderna arbeitet mit einer mRNA-Technologie. Diese genbasierten Impfstoffe führen nach der Injektion im Körper zur Biosynthese viraler Proteine, im Fall von SARS-CoV-2 speziell des Spike-Proteins oder seiner Fragmente.

Ergebnisse einer Interimsanalyse der Phase-1-Studie bescheinigten dem Impfstoff mRNA-1273 eine gute Sicherheit und Wirksamkeit in beiden untersuchten Dosen des Präparats, nämlich 25 µg oder 100 µg bei 2-maliger Gabe oder 250 µg bei einmaliger Gabe.

Am Tag 43, 2 Wochen nach der 2. Dosis, erreichten die neutralisierenden Antikörper bei einer Dosis von 25 µg (n = 15) Konzentrationen wie sie in Rekonvaleszenz-Seren beobachtet werden. Am Tag 43 überstiegen bei einer Dosis von 100 µg (n = 10) die Mengen bindender Antikörper signifikant die Werte aus Blutproben von COVID-19-Patienten.

„Seit wenigen Tagen läuft eine Phase-2-Studie“, berichtet Fauci. „Derzeit bereiten wir alles für die Phase-3-Studie vor.“ Diese geschehe national (bezogen auf die USA) und international. „Es handelt sich um eine große Studie; wir wollen so viele Daten wie möglich generieren.“ Anfang Mai hatte die US Food and Drug Administration Moderna einen „Fast Track“-Status zugebilligt.

Ein Blick auf das Studiendesign

Fauci rechnet angesichts der aktuellen pandemischen Situation bei einer Kohorte mit 30.000 Probanden mit schnellen Antworten. Ansonsten könne es Monate dauern, bis es nennenswerte Infektionen in der Kontrollgruppe gebe, um mögliche Unterschiede zwischen Verum und Placebo zu sehen.

 
Sorgen bereitet mir eher, wie lange eine Immunreaktion anhalten wird. Dr. Anthony S. Fauci
 

Rekrutiert würden Personen zwischen 18 und 55 Jahren, aber auch ältere Personen und Patienten mit Komorbiditäten. Zur Frage, ob er innerhalb von 6 Monaten mit Ergebnissen rechne, äußerte sich Fauci „vorsichtig optimistisch“. Er führt aus: „Sorgen bereitet mir eher, wie lange eine Immunreaktion anhalten wird.“ Als Grund seiner Skepsis führt der Immunologe bestimmte Coronaviren an, die zu saisonalen Erkältungen führen können. „Hier liegt der Schutz bei einem Jahr oder weniger“, sagt der Experte.

AstraZeneca: Phase-2/3-Studie mit Vektorviren

Nahezu zeitgleich hat AstraZeneca einen in Großbritannien entwickelten Impfstoffkandidaten auf den Weg gebracht – und ist mittlerweile in der Phase 2/3 angekommen. Mehr als 10.000 Probanden sollen eingeschlossen werden. Sie erhalten randomisiert 1 oder 2 Dosen AZD1222 oder in der Kontrollgruppe einen Impfstoff gegen Meningokokken.

Basis ist ein von der Oxford University, von Pall Life Science und Cobra Biologics entwickelter Vektorviren-Impfstoff, ChAdOx1 nCoV-19 genannt. Lebendimpfstoffe mit Vektorviren replizieren sich nach der Injektion im Körper. Das harmlose Virus trägt Sequenzen für SARS-CoV-2-Oberflächenproteine.

Weitere Studien

Neben den von Fauci genannten Studien laufen weltweit noch etliche Projekte, die laut Medienberichten weit fortgeschritten sind.

Der Vektorvirus-Impfstoff Ad5-nCoV von CanSino Biologics (China) und dem National Research Council of Canada befindet sich zumindest in der Phase 2. Seit Ende April läuft auch eine Phase-2-Studie mit einem inaktivierten Virus. Hier arbeiten das Wuhan Institute of Biological Products, das Wuhan Institute of Virology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Sinopharm zusammen.

Die Produktion hochskalieren

Wie erwähnt, ist Fauci zuversichtlich, dass es in 6 Monaten Resultate aus Phase-3-Stuiden geben wird. Dann lautet die Herausforderung, auseichend große Mengen zu produzieren. Der US-Experte beobachtet hier ein besonders Phänomen: Hersteller würden keine wissenschaftlichen oder medizinischen, aber wirtschaftliche Risiken in Kauf nehmen. Obwohl es noch keine Zulassung gibt, haben manche Firmen schon jetzt mit der Produktion begonnen. Dazu zählen u.a. Janssen (Johnson & Johnson)Kentucky BioProcessingModerna/LonzaBioNTech/Pfizer, die Oxford University, das Serum Institute of IndiaAstraZeneca und ReiThera/Leukocare/Univercells.

Verteilungskampf um den neuen Impfstoff

Nach der Wissenschaft kommt wie so oft die Politik. Amerikas Präsident Donald Trump macht keinen Hehl daraus, dass er – ganz „America first“ – sich den Zugriff auf große Mengen sichern will. Dagegen formiert sich zunehmender Widerstand. Laut Medienberichten haben sich Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande zusammengeschlossen. Der Zugriff auf Impfstoffe gegen das Coronavirus sei „eine der drängendsten Fragen, die die Europäische Union gegenwärtig anzugehen hat“, schreiben die Gesundheitsminister an die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

 

Kommentar

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