Dass Spülschwämme regelrechte Mikrobenschleudern sind, weiß man schon lange. Susanne Jacksch von der Hochschule Furtwangen fand zusammen mit Kollegen jedoch heraus, dass die Vielfalt an Mikroorganismen weit größer ist als bislang angenommen. Und: Eine Behandlung in der Mikrowelle – wie oft empfohlen – macht auf Dauer keinen Sinn. Aller Ergebnisse der Analyse wurden in Microorganisms veröffentlicht [1].
Ideale Lebensbedingungen im Küchenschwamm
Bekanntlich stellen Spülschwämme ein wahres Schlaraffenland für eine Vielzahl von Mikroorganismen dar. Beim schnellen Abwischen verschiedener Oberflächen und Gegenstände – insbesondere nach der Essenszubereitung – landen unterschiedliche Bestandteile von Nahrungsmitteln auf der porösen Oberfläche. Da die Schwämme zudem meist feucht sind, finden Mikroorganismen ideale Wachstumsbedingungen vor.
In vielen Haushalten ist es üblich, Schwämme regelmäßig feucht in der Mikrowelle zu behandeln – in der Hoffnung, sie auf diese Weise zu dekontaminieren und für mehr Hygiene zu sorgen. Ob dieses Prozedere wirklich etwas bringt, wurde kaum erforscht.
Um mikrobielle Lebensgemeinschaften auf Schwämmen genauer zu untersuchen, haben Wissenschaftler 20 Küchenschwämme gekauft und an Haushalte verteilt. Dort wurden die Utensilien über einen Zeitraum von 4 Wochen wie üblich genutzt. Manche Studienteilnehmer sollten ihre Schwämme 2 bis 3 Mal pro Woche in der Mikrowelle behandeln, andere nicht.
Überraschende Vielfalt an Mikroorganismen
Bei der anschließenden Metagenom-Analyse stellte sich heraus, dass das Mikrobiom auf Küchenschwämmen weitaus vielfältiger zusammengesetzt ist als bislang vermutet. „Wir waren total überrascht, was wir neben Bakterien noch so alles an Mikroorganismen in den Schwämmen entdecken konnten: Bakterien-befallende Viren, das Treibhausgas Methan bildende Archaeen, Pilze und einzellige Tiere, wie zum Beispiel Amöben. Bakterien waren aber mit Abstand die häufigsten Organismen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Markus Egert von der Hochschule Furtwangen.
Doch wie wirkt sich nun die Mikrowellen-Behandlung auf Lebensgemeinschaften im Schwamm aus? „Bis zu 99,99999% aller Schwamm-Bakterien werden im Mikrowellenherd getötet. Allerdings wachsen die Überlebenden schnell wieder hoch“, so Egert. Interessanterweise wurde dabei die Artenvielfalt reduziert. Und es traten vermehrt Mikroorganismen mit besonderen Eigenschaften auf wie die Fähigkeit zur Bildung von Kapseln oder Biofilmen. Dies sei nach Ansicht der Studienautoren als Schutzmechanismen gegen den Stress durch die Mikrowellen-Behandlung zu interpretieren. Möglicherweise entstünden resistentere Mikrobengemeinschaften.
Das pathogene Potenzial aller auf behandelten Schwämmen lebenden Mikroorganismen sowie ihre Bedeutung für häusliche Hygiene, Gesundheit und Wohlbefinden müsse noch untersucht werden, wie die Wissenschaftler schreiben. Bis dahin lautet ihr Fazit: Es ist besser, Spülschwämme nach 1 bis 2 Wochen zu entsorgen statt sie in der Mikrowelle zu behandeln.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Küchenschwämme – eine mikrobielle Wohngemeinschaft: Diese bekannte Maßnahme im Haushalt schadet mehr als sie nützt - Medscape - 5. Jun 2020.
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