Alexandria – Bei Krebspatienten, die an COVID-19 erkrankt sind, ist die 30-Tage-Sterblichkeit mehr als doppelt so hoch wie bei der Gesamtheit aller Infizierten weltweit. Von 928 Krebspatienten starben 121 Patienten (13%) innerhalb von 30 Tagen nach Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion: ein Ergebnis von Analysen des COVID-19 and Cancer Consortium (CCC19).
Dies berichtete PD Dr. Jeremy L. Warner vom Vanderbilt-University Medical Center, Nashville, Tennessee, beim virtuellen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) [1]. Parallel wurden die Daten in TheLancet publiziert [2].
Diese 1. größere Analyse nach einer noch kurzen Nachbeobachtungszeit von median 21 Tagen zeigte, dass die Sterblichkeit vor allem bei Patienten mit aktiv progredienter Krebserkrankung hoch war. Weitere Faktoren in Zusammenhang mit einer höheren Mortalität waren das Alter, ein männliches Geschlecht, eine ECOG Performance Score von 2 und höher sowie eine Behandlung mit Azithromycin plus Hydroxychloroquin.
Warner wies darauf hin, dass die Validität der Daten unsicher sei, weil die Studie retrospektiv sei und man verfälschende Faktoren nicht ausschließen könne. „Größere Patientengruppen und längere Nachbeobachtungszeiten sind erforderlich, um den Einfluss von COVID-19 auf spezifische Patientengruppen besser zu verstehen“, so sein Fazit.
COVID-19 und Krebs: Register zur Datensammlung eingerichtet
Schon am 15. März 2020 war das CCC19 gegründet worden, um die klinischen Charakteristika und den Verlauf von COVID-19 bei Patienten zu untersuchen, die bereits früher oder akut an Krebs erkrankt waren. Am 17. März begann das Register mit der Datensammlung. Die Angaben stammen aus Institutionen in den USA und in Kanada sowie aus anonymen Einzelpraxen in Argentinien, in Kanada, in den USA, in der EU und in Großbritannien.
Die von Warner vorgelegte Analyse beinhaltete Daten von 928 Patienten, welche zwischen dem 17. März und dem 16. April 2020 registriert und bis zum 7. Mai 2020 nachverfolgt wurden. Primärer Endpunkt war die Gesamtsterblichkeit innerhalb von 30 Tagen nach einer COVID-19-Diagnose.
Berichte von 851 Patienten (92%) stammten aus Lehrkrankenhäusern. Hinzu kamen Angaben von 73 Patienten (8%) aus Praxen. Sie waren im Median 66 Jahre alt, davon waren jedoch 30% mindestens 75 Jahre alt. 50% waren Männer.
Als häufigste Diagnosen nennt Warner Mammakarzinome (21%), Prostatakarzinome (16%) und gastrointestinale Karzinome (12%).
45% aller Patienten waren in Remission. 43% litten unter einer aktiven Krebserkrankung und 39% (n=366) wurden deswegen behandelt, darunter 44% mit zytotoxischen und 56% mit anderen Therapien.
Bei den Patienten mit aktiver Krebserkrankung war das Leiden in 74% der Fälle (n=294) stabil oder sprach auf die Therapie an, bei 26% (n=102) war der Krebs progredient.
Als häufigste COVID-19-Symptome nennen die Autoren Fieber (64%), Husten (61%) Fatigue (43%) und Dyspnoe (41%). Nur 4% der Patienten waren asymptomatisch. 20% erhielten Azithromycin plus Hydroxychloroquin, je 10% Azithromycin oder Hydroxychloroquin. Nur 2 Patienten nahmen in dem Zusammenhang an einer klinischen Studie teil.
Studie findet weitere Risikofaktoren
Am Stichtag, dem 7. Mai 2020, waren 121 Patienten (13%) innerhalb von 30 Tagen nach der COVID-19-Diagnose verstorben. Nach teilweiser Adjustierung für verschiedene Baseline-Faktoren ergab sich, dass Patienten mit progressiver Krebserkrankung eine 5,2-fach höhere Wahrscheinlichkeit hatten, innerhalb von 30 Tagen nach der COVID-19-Diagnose zu sterben als Patienten in Remission oder mit nicht aktiver Krebserkrankung.
Nahmen Patienten die Kombination aus Hydroxychloroquin und Azithromycin, erhöhte sich die Sterbewahrscheinlichkeit um das 2,89-Fache im Vergleich zu Patienten ohne diese Therapie. Eine Monotherapie beeinflusste die Sterblichkeit nicht.
Nach Aussage von Warner ist jedoch unklar, ob Patienten starben, weil sie die Kombinationstherapie erhielten. Denn mit dieser Kombination wurden vor allem besonders schwer an COVID-19 erkrankte Personen behandelt.
Andererseits habe auch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) auf Risiken der Therapie wegen einer verlängerten QT-Zeit hingewiesen. Seine Ergebnisse legten jedoch nahe, dass es dringend erforderlich sei, die Kombinationstherapie vor einem breiten Einsatz in einer prospektiven randomisierten Studie zu prüfen.
Weitere Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit waren ein ECOG Performance Score von 2 oder höher (3,89-fach erhöhtes Risiko), das Alter (1,83-fach höheres Risiko für jede Dekade), ein männliches Geschlecht (1,63-fach höheres Risiko als Frauen) und Rauchen in der Anamnese (1,6-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Nichtrauchern).
Es ergab sich jedoch keine Assoziation zwischen kürzlich durchgeführten Operationen und der 30-Tage-Sterblichkeit. Dies sollte bei den Überlegungen zur Verschiebung elektiver Eingriffe bedacht werden, denn die Verschiebung der Operation kann möglicherweise nachteilige Effekte haben.
Die Ergebnisse belegen nach Meinung von Warner auch, dass ein dringender Bedarf an mehr Daten zu Krebspatienten und COVID-19 besteht.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: ASCO: Krebserkrankung und COVID-19 – erste Daten, für welche Patienten besondere Gefahr droht - Medscape - 4. Jun 2020.
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