Sport nach Corona-Infektion: Warum neben dem Lungen- auch ein Cardio-Check vor Trainingsstart angebracht ist

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

3. Juni 2020

Vereine und Sportverbände in Deutschland fahren ihren Trainingsbetrieb nach wochenlanger Corona-Zwangspause langsam wieder hoch, wenn auch in eingeschränkter Form. Bleibt zu klären: Wann sollten Leistungssportler, die eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden haben, ihr Training aus medizinischer und vor allem kardiologischer Sicht wieder aufnehmen?

Auch für Experten gestaltet sich die Beantwortung dieser Frage angesichts fehlender Daten zu den möglichen kardialen Kurz- und Langzeitfolgen schwierig. „Evidenzbasierte Empfehlungen für Richtlinien zum Wiedereinstieg in den Leistungssport sind aktuell beschränkt und können sich zudem ändern, wenn weitere Daten zu COVID-19-Fällen evaluiert worden sind“, schreibt der Expertenrat für Sportkardiologie am American College of Cardiology (ACC). Federführend ist Dr. Dermot Phelan, Kardiologe aus Charlotte, North Carolina, und Leiter der Abteilung Sportkardiologie an der Cleveland Clinic in Cleveland, Ohio. Die ACC-mpfehlung für Sportler und Mediziner soll nach aktueller Datenlage und aus kardiologischer Sicht den bestmöglichen Wiedereinstieg ins Training ermöglichen [1].

Axel Preßler

 
Aufgrund des noch überschaubaren Beobachtungszeitraums sind sicher bei weitem noch nicht alle mittel- oder langfristigen Auswirkungen einer COVID-19-Infektion auf das Herz-Kreislaufsystem bekannt. Axel Preßler
 

„Aufgrund des noch überschaubaren Beobachtungszeitraums sind sicher bei weitem noch nicht alle mittel- oder langfristigen Auswirkungen einer COVID-19-Infektion auf das Herz-Kreislaufsystem bekannt“, betont auch Axel Preßler, niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie in München und stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Sportkardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), gegenüber Medscape. „Allerdings mehren sich Daten, dass ein substanzieller Anteil Betroffener zusätzlich kardinale Auswirkungen der Erkrankung aufweist.“

 
Es mehren sich Daten, dass ein substanzieller Anteil Betroffener zusätzlich kardinale Auswirkungen der Erkrankung aufweist. Axel Preßler
 

Herz häufig in Mitleidenschaft gezogen

Experten des ACC beziffern den Anteil aller aufgrund von COVID-19 sttaionär behandelten Patienten mit Herzerkrankungen auf 22%. In erster Linie bestehe die Gefahr einer Myokarditis. Insbesondere bei Sportlern bestehe auch die Gefahr einer „subklinischen, eventuell chronischen Myokarditis, über deren Prävalenz wir noch keine gesicherten Zahlen haben“, so Preßler.

Beschrieben werden zudem Funktionsbeeinträchtigungen beider Ventrikel, vermutlich auch durch Entzündung, akute Koronarsyndrome, vermehrte Thrombembolien, Endotheldysfunktionen und sogar akute Koronarsyndrome. „Inwieweit solche Ereignisse tatsächlich auf das Virus zurückgehen, bedarf sicher weiterer Erforschung, aber das Spektrum möglicher kardialer Beteiligungen ist sehr groß und ernsthaft“, erklärt der Experte.

Preßler hat bereits mehrere Freizeitsportler untersucht, die bei der Anamnese angaben, an Corona erkrankt gewesen zu sein; allerdings ausschließlich mit „harmlosem“ Verlauf. Bei diesen Sportlern zeigten sich keine pathologischen Befunde.

Langfristige Veränderungen könne man derzeit aber noch nicht beziffern, sagt Preßler. Kollegen berichten vor allem über anhaltende Beeinträchtigungen der Lungenfunktion. Dr. Frank Hartig, Leiter der Notaufnahme am Universitätsklinikum Innsbruck, hatte durch funktionale Lungentests bei Tauchsportlern erhebliche und möglicherweise irreversible Lungenschäden durch das Coronavirus festgestellt.

Derzeit, sagt Preßler, liefen auch Registererhebungen mittels Kardio-MRT zu eventuellen Gewebsveränderungen wie Fibrosen nach COVID-19. „Dies hätte dann auch durchaus langfristige Auswirkungen auf sportliche Aktivitäten, da hier ein Potenzial für Rhythmusstörungen vorliegend könnte. Insofern wird es nach meinem Empfinden von sportkardiologischer Seite am wichtigsten sein, auf mögliche Myokarditiden und deren potenzielle Spätfolgen zu achten.“

Voraussetzung für den Wiedereinstieg ins Training nach einer Myokarditis sei eine Normalisierung der ventrikulären Funktion, ein Rückgang der Entzündungswerte und das Ausbleiben von Arrhythmien, so die ACC-Experten. Das ACC empfiehlt, eine Evaluierung des Risikos mittels Echokardiogramm, Stresstest und Rhythmuskontrolle erst nach einer Trainingspause von 3 bis 6 Monaten vorzunehmen.

Ohne Symptome: mindestens 2 Wochen Trainingspause

Haben positiv auf eine SARS-CoV-2-Infekion getestete Sportler keinerlei Beschwerden, sollten sie ab dem positiven Testergebnis 2 Wochen lang keinen Sport treiben und sich isoliert in Quarantäne begeben, empfiehlt das ACC. Sind sie nach dieser Zeit weiterhin symptomfrei, können sie unter medizinischer Aufsicht langsam wieder mit dem Training beginnen.

Cardio-Checkup vor intensiver Bewegung

Positiv getestete Sportler mit leichten oder mittelschweren Symptomen sollten, sobald alle Symptome vollständig abgeklungen sind, dem Training noch mindesten 2 Wochen lang komplett fernbleiben. Bislang, so die Experten, sei unklar, ob auch bei diesen Patienten ein erhöhtes Risiko einer Herzerkrankung bestehe. Daher sei eine sorgfältige kardiovaskuläre Untersuchung inklusive Biomarker-Check und Bildgebung angebracht, bevor diese Sportler wieder ins Training einsteigen.

Ein kardiologischer Check-up solle mindestens eine Blutabnahme inklusive Herzenzyme und BNP, ein Ruhe-EKG sowie ein Ultraschall einschließen, empfiehlt Preßler. „Ich würde aber auch eine Ergometrie anraten – schließlich soll ja wieder eine Bewegung aufgenommen werden. Bei auffallenden Befunden wie häufigen Extrasystolen, unklaren EKG-Veränderungen, speziell T-Negativierungen, oder natürlich Funktionseinschränkungen der Ventrikel rate ich zu einem ergänzenden Kardiologie-MRT.“

Bei den am stärksten gefährdeten Gruppen, nämlich stationär behandelten COVID-19-Patienten bzw. Patienten mit schwerer Symptomatik, rät das ACC zur gleichen Vorgehensweise wie nach einer Myokarditis.

Diese Empfehlungen des ACC entsprächen auch denen der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) sowie der Arbeitsgruppe Sportkardiologie der DGK, sagt Preßler. Ebenso positioniert sich auch die Arbeitsgruppe Sportkardiologie der European Association of Preventive Cardiology (EAPC).

„Ich würde grundsätzlich im Zweifel jedem Sportler, der positiv auf Corona getestet wurde, raten, sich vor der Wiederaufnahme einer intensiveren Bewegung kardiopulmonal untersuchen zu lassen. Hatte der Sportler wirklich keine Symptome, kann unter engmaschiger Beobachtung der eigenen Belastbarkeit und Symptomatik ein Training auch ohne Untersuchung intensiviert werden, aber spätestens bei deutlicheren Symptomen würde ich eine solche immer anraten“, so der Experte für Sportkardiologie. Man wisse einfach noch zu wenig über die tatsächlichen Folgen und daher lieber „auf Nummer sicher gehen und auch aus Untersuchungsbefunden lernen“.

 
Ich würde grundsätzlich im Zweifel jedem Sportler, der positiv auf Corona getestet wurde, raten, sich vor der Wiederaufnahme einer intensiveren Bewegung kardiopulmonal untersuchen zu lassen. Axel Preßler
 

 

Kommentar

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